Heidelberger Forscher entdecken Proteine, die Informationen von Histonen ablesen können
"Ein weiterer Schritt zum Verständnis der Vorgänge, die aus einer Zelle eine Blut- oder Hautzelle werden lassen, ist getan", fasst Professor Renato Paro, Leiter der Abteilung Epigenetik am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH), die Ergebnisse der neuesten Publikation aus seiner Arbeitsgruppe (Ringrose, L. et al., Molecular Cell, Vol. 16, 4) zusammen.
In jeder Zelle befindet sich die Erbinformation für den gesamten Organismus. Somit könnte aus jeder Zelle eine Hautzelle, eine Leberzelle oder eine Muskelzelle werden. Da für jede dieser Zellarten aber nur bestimmte Gene aktiv sein dürfen, werden die anderen Gene ausgeschaltet. In einer Art zellulärem Gedächtnis vererbt die so gestaltete Zelle die Information, welche Gene auszuschalten sind. Zurzeit arbeiten zahlreiche Molekularbiologen daran, die Funktionsweise des Ausschaltens zu verstehen. Renato Paro und seine Arbeitsgruppe haben sich hierfür die Fruchtfliege (Drosophila) als Studienobjekt ausgesucht, deren Genomsequenz bereits seit etwas mehr als vier Jahren bekannt ist.
Der Träger der Gene, die DNS, liegt im Zellkern aber nicht isoliert vor, sondern ist eingehüllt in Proteine. Diese Struktur wird als Chromatin bezeichnet und ihr wichtigster Bestandteil sind die so genannten Histone. Früher nahm man an, dass die Histone eine reine Verpackungsfunktion für die DNS hätten. Immerhin ist beispielsweise die DNS in menschlichen Zellen beinahe vier Meter lang und wird durch die Histone in eine Form gebracht, die es ihr ermöglicht, in den nur wenige Millionstel Meter großen Zellkern hinein zu passen. Neuere Erkenntnisse zeigen aber, dass die Histone ebenfalls Informationsträger sein können.
Um Informationen weiter zu geben, haben die Histone kleine Fortsätze an ihren Aminosäurebausteinen, die verschieden ausgestaltet sind. Beispielsweise kann an diesen Fortsätzen eine Methylgruppe, bestehend aus einem Kohlenstoffatom und drei Wasserstoffatomen, sitzen. "Diese Fortsätze wirken somit wie Flaggen, die von anderen Proteinen gelesen werden können", erläutert Renato Paro. Somit entsteht neben dem genetischen Code der DNS eine weitere Informationsebene, und einige Wissenschaftler sprechen auch schon vom "Histon-Code".
Die Informationen, die über die Histone weiter gegeben werden, sind durchaus wichtig. Ein Beispiel hierfür sind die so genannten Geschlechtschromosomen, wie Renato Paro erläutert. Eine männliche Zelle hat ein X- und eine Y-Chromosom, eine weibliche Zelle hat aber zwei X-Chromosomen. Da aber nur von einem X-Chromosom die Erbinformation abgelesen werden darf, wird das zweite Chromosom in den weiblichen Zellen stillgelegt. Und dafür sind die Histone verantwortlich.
Die Heidelberger Wissenschaftler wollten bei ihren Untersuchungen nun herausfinden, welche Proteine die Informationen der Histone ablesen können. Hierfür wurden Gene an Fruchtfliegen untersucht, die für die Aufrechterhaltung von Zellzuständen verantwortlich sind. Ist dabei eine bestimmte Markierung, wie beispielsweise eine Methylgruppe, auf dem entsprechenden Histon, erkennt das andockende Protein, dass dieses Gen inaktiv bleiben muss. Im Fall der Fruchtfliege sind dies die Proteine der so genannten Polycomb Gruppe, wie die Arbeitsgruppe um Renato Paro aufzeigen konnte. Sollte bei diesem Ablesen einmal etwas schief gehen, können die Folgen durchaus dramatisch sein. "Dann kann es vorkommen, dass der Fruchtfliege ein zweites Flügelpaar wächst oder ein Bein am falschen Segment entsteht", so der Molekularbiologe Paro. Stefan Zeeh
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