Biotechnologie im strukturellen Umbruch

Finanzierungsengpässe forcieren Unternehmensumbau - Kooperationen mit finanzstarken Industriepartnern werden zur Existenzfrage - Branche hat Anforderungen der Wirtschaft verstanden

24.02.2004
Düsseldorf - Die deutsche Biotechnologie-Industrie durchläuft eine Phase rapider Strukturveränderungen. Nach Jahren kontinuierlichen Wachstums stagniert erstmalig die Gesamtzahl der Biotech-Firmen bei gleichzeitig deutlichem Rückgang des Neuinvestitionsvolumens. Dennoch steht der Standort Deutschland mit zuletzt rund 360 Unternehmen im europäischen Vergleich noch recht gut da. In keinem anderen EU-Land gibt es so viele Biotech-Firmen. Allerdings ist vor dem Hintergrund anhaltender Finanzierungsschwierigkeiten mit einer Konsolidierung zu rechnen. In der forschungs- und entwicklungsintensiven Biotechnologie wird das Geld knapp. - Trotz dieser Handicaps sieht Manfred Puhlmann, Partner bei Droege & Comp. und Leiter des Competence Center Pharma/Health Care, viele positive Anzeichen für eine erfolgreiche Wende in der Biotechnologie. "Die Branche ist zwar auf Konsolidierungskurs, arbeitet aber aktiv am Unternehmensumbau. Dabei werden im Wettbewerb um Partnerschaften und Kapital einige Unternehmen auf der Strecke bleiben. Insgesamt jedoch wird die Branche gestärkt aus dieser Situation hervorgehen." Dies spiegeln auch die Ergebnisse der Biotechnologie-Studie von Droege & Comp. wider, an der sich 60 Biotech-Unternehmen beteiligt haben. So hat über ein Viertel der befragten Firmen (28 %) innerhalb der letzten zwei Jahre ihr Geschäftsmodell völlig verändert. Setzte der überwiegende Teil der Unternehmenslandschaft noch bis vor kurzem auf die relativ breit angelegten, so genannten "Plattform-Technologien", so steigen jetzt immer mehr Unternehmen auf die gewinnträchtigeren, produktbasierten Geschäftsmodelle um. Besonders der Zweig der medizinisch-pharmazeutischen Ausrichtung mit gen-technisch hergestellten Arzneimitteln und Diagnostika (die so genannte "Rote Biotechnologie") ist weiterhin stark im Kommen. Dabei spielt nicht zuletzt das hohe Umsatzpotenzial bei erfolgreicher Einführung eines neuen Wirkstoffes eine wichtige Rolle. Mittlerweile sind nahezu 80 % der befragten Unternehmen in diesem Bereich tätig. Das Finanzierungs- und Liquiditätsmanagements ist dahingegen schwieriger zu meistern. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen (45 %) verfügt nur noch über eine geschätzte Kapitalreichweite von einem Jahr oder weniger. Davon hat der weitaus größte Teil der Firmen seinen Schwerpunkt in der kapitalintensiven roten Biotechnologie. Insgesamt ist die Bereitschaft, in die Biotech-Branche zu investieren, gesunken. Venture-Capital-Gesellschaften ziehen sich vor allem aus Firmen zurück, deren Entwicklungen noch in der Frühphase stecken. Um so überraschender ist der wachsende Anteil der privaten Investoren. Zwar finden sich, wie für einen Start-up-Bereich zu erwarten, Venture-Capital-Gesell-schaften nach wie vor unangefochten auf Platz 1. Gleichzeitig aber ist die Beteiligung seitens privater Kapitalgeber auf über ein Drittel gestiegen. So haben zahlreiche Unternehmen bereits mit Umbau- und Einsparungsmaßnahmen reagiert. Fast die Hälfte der befragten Firmen beschäftigt sich mit Themen wie Investitions-, Einstellungs- oder Projektstopp; auch einschneidendere Schritte bis hin zur Standortverlegung werden in Betracht gezogen. Vielfach findet dabei die Umsetzung mit externer Unterstützung statt. So gibt beispielsweise bereits jedes sechste Unternehmen an, den Veränderungsprozess aktiv in Zusammenarbeit mit seinem Venture-Capital-Geber zu gestalten. Besonders das Thema Partnerschaften ist von den Befragten als wichtiges Erfolgskriterium erkannt. Als entscheidend kristallisiert sich dabei vor allem die frühe, gezielte Suche nach industriellen, finanzstarken Partnern heraus. "Gut zwei Drittel aller Unternehmen arbeiten zwar schon jetzt in Kooperationspartnerschaften, aber längst nicht alle waren in der Vergangenheit konsequent auf Umsatzgenerierung ausgerichtet, etwa in Form von Meilenstein-Prämien, wenn vereinbarte Entwicklungsziele erreicht sind," bemerkt Markus Rückels, Droege & Comp.-Berater und Mitautor der Studie. Hier hat ein klarer Wandel stattgefunden: Mittlerweile Messen 64 % der befragten Unternehmen der Kooperation mit den richtigen Partnern die Umsatzbedeutung "sehr wichtig" zu. Einhergehend mit dem Umbau der Beteiligungsportfolios der Venture-Capital-Gesellschaften scheint eine Fortsetzung der derzeitigen Konsolidierungswelle wahrscheinlich. Dabei wird die Konzentration zugunsten derjenigen Firmen erfolgen, deren Produkt-Pipeline bereits im fortgeschrittenen Stadium ist. "Nicht immer müssen hierbei Größe oder Bekanntheit der Firmen die ausschlaggebende Rolle spielen. Vielmehr dürften sich bei konsequenter Konzen-tration auf die zentralen Kernkompetenzen gerade auch für kleinere Firmen neue Chancen eröffnen," beurteilt Manfred Puhlmann die weitere Entwicklung. Letztlich entscheidend erscheint in diesem Zusammenhang eine frühe und intensive Zusammenarbeit zwischen Investor und Unternehmen: Bei umfassender Transparenz über das angestrebte Geschäftsmodell, klar definierten Kooperations- und Produktentwicklungszielen sowie einem damit eng verknüpften Finanz- und Liquiditätsmanagenement sollte auch unter den derzeitigen Rahmenbedingungen eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung in der Biotechnologie umsetzbar sein. Wesentliche erste Schritte dazu sind bereits getan. Studie "Biotechnologie - Handlungsagenda der Branche im Strukturumbruch".

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