Proteine und Polymere sollen künstliche Gelenke haltbarer machen

14.08.2003
(dpa) Künstliche Hüftgelenke verhelfen jedes Jahr rund einer Viertelmillion Menschen in Deutschland zu neuer Mobilität. Jüngere Patienten sind bislang kaum darunter. Denn im Schnitt halten die Kunstgelenke nur 15 Jahre, und eine Auswechslung ist höchst problematisch. Daher verzichten Orthopäden zumeist auf die Operation. Substanzen, die auf die Implantate aufgestrichen werden, sollen künftig dafür sorgen, dass die Prothesen besser in das Knochengewebe einwachsen und dadurch haltbarer werden. Schon in wenigen Jahren sollen entsprechende Produkte auf dem Markt sein. So genannte Bone Morphogenetic Proteins (BMP) bewirken eine Umwandlung (Morphogenese) von Muskel- in Knochenzellen, wie Peter Hortschansky vom Jenaer Hans-Knöll-Institut für Naturstoff-Forschung erläutert. «Dadurch wird die Festigkeit der Implantate deutlich erhöht.» Bei zwei Dutzend alten Schafen im Tierexperimentellen Zentrum in Jena wurden die neuen Kunstgelenke bereits getestet. Mediziner operierten ihnen in die eine Hüftseite gewöhnliche Titangelenke hinein, in die andere Prothesen, die mit dem Protein BMP2 beschichtet waren. Nach 18 Wochen wurden die Tiere getötet und die Implantate mit Kraft entfernt. «Die Gelenke mit BMP-Beschichtung wiesen eine drei bis fünf Mal höhere Zugfestigkeit auf», sagt Hortschansky. Noch fehlen weitere Labortests, bevor klinische Studien beginnen können. «In rund fünf Jahren könnte das Medikament auf den Markt kommen», sagt der Geschäftsführer des Prothesenherstellers DePuy Biotech, Jürgen Horn. «Wir haben den Weltmarkt im Visier.» DePuy ist bereits an der Jenaer Forschung beteiligt. Die Produktion des Wachstumsfaktors geschieht mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien. Das ist nach Angaben Hortschanskys bis zu zehn Mal billiger als die alternative Herstellung aus menschlichen Zellen. «Schwierig ist nicht so sehr die Gewinnung von BMP2, sondern die Erhaltung der äußerst komplexen Struktur», sagt der Forscher. Mit ausgetüftelten biochemischen Verfahren mussten die Jenaer Wissenschaftler die Chemie einer Säugetier-Zelle simulieren, damit sich das BMP2 auf die gewünschte Weise faltete. Bei der Erforschung eines Cholesterinsenkers stießen amerikanische Wissenschaftler auf eine interessante Alternative zu den künstlich hergestellten Proteinen: «Statine fördern den Ausstoß des Knochenwachstumsfaktors BMP», sagt der wissenschaftliche Direktor der texanischen Firma OsteoScreen, Ean Ross Garrett. «Wenn man Statine auf einen Träger aufbringt, der die Substanz langsam abgibt, steigt das Wachstum der Knochenzellen.» Erste Tests an Patienten könnten innerhalb von sechs Monaten beginnen, ein Medikament ebenfalls in fünf Jahren auf den Markt kommen. Wachstumsfaktoren sind jedoch nicht die einzige Strategie zur Verbesserung der Haltbarkeit von Implantaten. Eine Heidelberger Gruppe erforscht den Einsatz bestimmter Polymere (Kohlenstoffketten). «Bei Operationen am Herzen setzen Mediziner schon seit einigen Jahren Polyphosphazene ein, um Zellwucherungen zu verhindern», erklärt Felix Zeifang von der Universitätsklinik Heidelberg. Nach Einschätzung seines Teams wird die Wachstumsbremse auch die Entstehung von Bindegewebe im Zwischenraum von Knochen und Kunstgelenk verhindern. «Das könnte die Haltbarkeit der Implantate enorm erhöhen.» Derzeit wertet Zeifang erste Tests an Kaninchen aus. «Bis Ende des Jahres werden die Ergebnisse vorliegen.» Vom neuen Einsatzfeld des Stoffs könnten Prothesenpatienten nach Ansicht des Wissenschaftlers ebenfalls in rund fünf Jahren profitieren. «Für die Anwendung am Menschen zugelassen sind die Polyphosphazene bereits.»

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