Freiburger Hormon-Experte: Frühlingsgefühle gibt es gar nicht

19.03.2003
Freiburg (dpa) - Menschen, die mit steigenden Temperaturen so genannte Frühlingsgefühle verspüren, machen sich nach Ansicht von Medizinern selbst etwas vor. «Rein hormonell betrachtet gibt es die viel zitierten Frühlingsgefühle gar nicht», sagte Martin Reincke, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, in einem dpa-Gespräch. Der Freiburger Professor ist sich sicher: «Echte Frühlingsgefühle kann man höchstens noch bei Eskimos ausmachen.» In der zivilisierten Welt mache sich der Wechsel vom Winter zum Frühling bei den menschlichen Hormonen nicht bemerkbar. Am kommenden Freitag (21. März) ist kalendarischer Frühlingsanfang. Für Frühlingsgefühle, medizinisch auch das «Spring-Fever» genannt, machen Experten unter anderem das Hormon Melatonin verantwortlich. Dieses Hormon wird durch Sonnenlicht und Wärme beeinflusst. Es sorgt bei stärker werdendem Licht und steigenden Temperaturen für ein Lustgefühl. «Melatonin hat nur bei den Naturvölkern etwas bewirkt», sagt Reincke, Experte für Hormonerkrankungen an der Freiburger Universitätsklinik. Heute spiele es keine Rolle mehr. Denn Melatonin werde auch durch Kunstlicht angereget, also auch im Winter. «Richtige Dunkelheit und Kälte gibt es heute gar nicht mehr. Deshalb stellen sich die Hormone auch nicht mehr um», sagte Reincke. Einen Einfluss auf das Sexualverhalten des Menschen habe der Frühling in der zivilisierten Welt daher nicht. «Für unsere Hormone ist immer Frühling», sagte Reincke. Dies unterscheide den Menschen von der Tierwelt. Hinzu komme, dass bei Einnahme der Pille zur Schwangerschaftsverhütung der weibliche Zyklus künstlich verändert werde. Dies sei bei 60 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren der Fall. Schon alleine deshalb habe der Wechsel der Jahreszeiten keine Auswirkungen auf das Triebverhalten. «Die Frühlingsgefühle spielen sich höchstens im Kopf ab», sagte Reincke. Beispiel: Die im Frühling angesagte leichtere Bekleidung könne dazu führen, dass der Betrachter sexuell erregt werde. «Doch das dürfte auch im Winter der Fall sein», sagte Reincke.

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