Gentechnik soll Mexikanern wüstenfeste Nutzpflanzen bringen

11.12.2002
Cuernavaca (dpa) - Landwirtschaft ist in vielen Teilen Mexikos ein hartes Geschäft. Das Land ist in weiten Bereichen von Natur aus trocken und für seine Vielzahl von Kakteen, Agaven und anderen Wüstenpflanzen bekannt. Mexikanische Gentechniker versuchen, den Wüstenbewohnern das Geheimnis ihrer Widerstandsfähigkeit zu entlocken. Sie möchten damit Nutzpflanzen schaffen, die länger als bisher ohne Wasser überleben können. Fernes Ziel ist unter anderem der wüstenfeste Mais. Einer der Überlebenskünstler ist der in Mexiko und dem Südwesten der USA verbreitete Moosfarn Selaginella lepidophylla. Er kann völlig austrocknen, ohne abzusterben. Ein Grund dafür liegt im Erbgut der Pflanze: Sie besitzt ein Gen namens SLTPS1, das die Produktion des Zuckers Trehalose fördert. Wie auch bei der Hefe schützt der Zucker die Zellen des Moosfarns vor dem Trocken-Tod. Ein Forscherteam um den Biologen Gabriel Iturriaga an der Universidad Autonoma de Morelos in Cuernavaca rund 80 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt hat das Trehalose-Gen aus dem Moosfarn in die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) eingebaut, eine beliebte Laborpflanze. Die modifizierte und eine normale Ackerschmalwand haben die Forscher anschließend im Blumentopf vertrocknen lassen und erst nach zwei Wochen wieder gegossen, wie Iturriaga erläutert. Die Pflanze mit dem fremden Gen habe sich im Gegensatz zur unbehandelten Pflanze wieder vollständig erholt. Die mexikanischen Forscher halten zusammen mit der Katholieke Universiteit Leuven in Belgien drei Patente für die Nutzung des Gens. Die Forschungen seien von der mexikanischen Regierung, der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (ICGEB) in Triest finanziert worden, erzählt Iturriaga. Als nächstes plane er zusammen mit einem Kollegen an der landwirtschaftlichen Hochschule von Chapingo 40 Kilometer östlich von Mexiko-Stadt das Gen in Weizen und Luzerne einzubauen. Wenn es gelinge, gegen Trockenheit widerstandsfähigere Sorten zu schaffen, könnten die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert und große Mengen Wasser für die künstliche Bewässerung eingespart werden, meint Iturriaga: «Der Faktor, der die Produktion am meisten hemmt, ist der Wassermangel, und dies nicht nur in Mexiko, sondern auch im Süden der USA.» Weltweit werde die Wasserfrage außerdem oft als das größte Problem des neuen Jahrhunderts angesehen. «Die Arbeit an Trockenstress-Toleranz ist von großer Bedeutung für die Landwirtschaft - nicht so sehr in Deutschland, wohl aber in vielen anderen Ländern der Erde», sagt auch Bernd Müller-Röber, Molekularbiologe von der Universität Potsdam. Daran werde in zahlreichen Arbeitsgruppen weltweit geforscht. Unter anderem Hefe- Gene haben beispielsweise bereits Tabak trockentoleranter gemacht. «Die neue Idee von Iturriaga war, ein pflanzliches Gen anstelle der Hefe-Gene zu nehmen», erläutert Dorothea Bartels, Pflanzengenetikerin vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. In Mexikos wichtigste Nutzpflanze, den Mais, kann Iturriaga das Gen aber vorerst nicht einbauen, denn Anbau, Lagerung und Transport von Gen-Mais sind in Mexiko zurzeit verboten. Mexiko gilt als das Ursprungsland des Maisanbaus, und entsprechend hoch ist hier die Sortenvielfalt. Ökologen fürchten, dass die genveränderten Pflanzen die heimischen verdrängen und ein natürliches Gen-Reservoir zerstören könnten. Iturriaga glaubt, dass der trockenresistente Mais in anderen Ländern entwickelt werde, wenn dies in Mexiko nicht möglich sei. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass genveränderte Pflanzen für Menschen ungesund seien, sagt der Biologe. Eine große Herausforderung sei es aber, künftig 10 oder 20 Milliarden Menschen auf der Welt zu ernähren.

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