Ombudsgremium: Nierenkrebsstudie hat massive Mängel

13.11.2002
Göttingen (dpa) - Eine in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» veröffentlichte Studie der Universität Göttingen zur angeblich bahnbrechenden Immuntherapie bei Nierenkrebs hat grobe Mängel. Das Ombudsgremium der Hochschule und vier externe Gutachter werfen dem Erstautor wissenschaftliches Fehlverhalten vor, wie die Universität am Dienstag mitteilte. Der Forscher sei unsorgfältig mit Daten umgegangen und habe mindestens grob fahrlässig Unkorrektheiten begangen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass Patienten geschädigt oder belastet wurden. Der betreffende Wissenschaftler ist nach Angaben der Hochschule inzwischen nicht mehr an der Universität Göttingen tätig. Nach der Veröffentlichung der Studie Anfang 2000 hatte die Universität mitgeteilt, ein am Hochschulklinikum entwickelter neuartiger Impfstoff gegen Nierenzellkarzinome und deren Metastasen zeige Erfolge. Der Impfstoff wirke nicht wie bis dahin in der Krebstherapie bekannte Substanzen, sondern aktiviere das körpereigene Immunsystem der Patienten, um einen bereits bestehenden Tumor zu bekämpfen. Die Göttinger Forscher sprachen von einem «Durchbruch in der Krebstherapie». Nachdem Kritiker in verschiedenen Medien auf Fehler und Ungereimtheiten in der Studie hingewiesen hatten, setzte die Universität Göttingen im vergangenen Jahr eine Untersuchungskommission ein, das so genannte Ombudsgremium, das von vier auswärtigen Fachleuten unterstützt wurde. Die Experten seien jetzt zu dem Schluss gekommen, dass die Studie «nicht den Anforderungen guter wissenschaftlicher Praxis» entspricht, sagte Hochschulsprecherin Marietta Fuhrmann-Koch. Der Erstautor sei «bei der Erstellung der Manuskripte für die Publikation derart unsorgfältig mit Daten umgegangen, dass er den Bereich mangelnder Sorgfalt verlassen und den Bereich mindestens grob fahrlässiger Hinnahme von Unkorrektheiten betreten» habe. So habe der Forscher unter anderem Patienten für die Auswertung berücksichtigt, die nach den in der Studie selbst genannten Kriterien nicht hätten einbezogen werden dürfen. Er habe keine Hinweise auf gleichzeitig angewandte andere Therapieverfahren gegeben, Ergebnisse unzureichend dokumentiert und die Studie nicht der Ethikkommission der Hochschule vorgelegt. Allerdings gibt es laut Universität keine Anhaltspunkte dafür, dass Patienten durch die Therapie mit dem Impfstoff, in unvertretbarer Weise belastet oder geschädigt wurden. Der Stoff sei durch die Verschmelzung von Tumorzellen des jeweiligen Nierenkrebspatienten mit im Labor kultivierten Abwehrzellen hergestellt worden. Die Impftherapie selbst stellte die Untersuchungskommission nicht in Frage. Das Gremium «würde es sehr bedauern, sollte ein möglicherweise zukunftweisendes und Erfolg versprechendes, tierexperimentell bei anderen Tumoren gut untermauertes Konzept für ein Verfahren zur Behandlung einer sonst weitgehend therapieresistenten schweren Erkrankung wegen mangelnder Sorgfalt bei der Wiedergabe der Ergebnisse und der Abfassung der Publikation beschädigt worden sein oder werden».

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