Medizinern stehen viele Türen offen - MEDICA 2002 thematisiert den Arbeitsmarkt

Nach der Ärzteschwemme zeichnet sich nun ein Ärztemangel ab

08.11.2002
Düsseldorf (ots) - Im Ansehen der Bürger hat der Arztberuf das höchste Sozialprestige, viele junge Menschen träumen davon, Mediziner zu werden. Trotzdem hat die Ärzteschaft ein ernsthaftes Nachwuchsproblem. Viele Kliniken suchen händeringend Mediziner. Besonders für Krankenhäuser im Osten und in ländlichen Gebieten ist es sehr schwer, Fachärzte zu finden. Wollen Kliniken Mediziner gewinnen, müssen sie die Arbeitsbedingungen für Ärzte verbessern - das ist auch für Patienten gut. "Das Nachwuchsproblem wurde lange unterschätzt", sagt Dr. Wolfgang Martin vom Berufsbereich Medizin der Bundesanstalt für Arbeit. Im Rahmen der MEDICA 2002, der größten Medizinermesse der Welt mit Kongress (20. - 23.11.), bietet Martin das Seminar "Stellenmarkt Krankenhaus - Deutschland und Europa" an. Die Medizinmesse widmet den Themen Karriereplanung und Personalrekrutierung in diesem Jahr erstmals einen eigenen Bereich. Bei der MEDICA CARRIERE in Halle 8 bieten das Arbeitsamt sowie die Verlage von "DIE ZEIT" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Veranstaltungen für Ärzte, Pflegekräfte, Naturwissenschaftler und Ingenieure an. Mediziner können sich hier über neue Studienangebote an Universitäten und alternative Berufsfelder informieren, zum Beispiel im Klinkmanagement. In Diskussionsforen geben Experten Auskunft über die Berufsaussichten in der Medizin, der Medizintechnik und der Biotechnologie. Außerdem stellen Vertreter von Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten in ihrer Branche vor. Interessierte haben bei der MEDICA CARRIERE außerdem die Möglichkeit, mehr als 500 Stellenangebote durchzusehen. Auch auf den Internetseiten der MEDICA gibt es eine Jobbörse. Unter www.medica.de lassen sich Stellenangebote von Unternehmen abrufen. Außerdem sind hier Links zu weiteren Datenbanken mit Stellenanzeigen im Internet zu finden. Gut für Bewerber: Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt Noch vor wenigen Jahren konnten die Kliniken Ärzte unter Scharen von Stellenanwärtern auswählen. Das ist jetzt vorbei. "Mitte der 90er-Jahre waren die Krankenhäuser auf der Sonnenseite, jetzt sind es die Bewerber", weiß Martin. Damals warnten Politiker und Ärztefunktionäre davor, dass zu viele Mediziner ausgebildet würden. Zur Jahrtausendwende sei mit Massenarbeitslosigkeit unter Ärzten zu rechnen, hieß es. Prognosen gingen von 60 000 und mehr Medizinern ohne Job aus. Davon kann heute keine Rede sein. Ärzte sind gefragt wie selten zuvor. Zwischen 1997 und 2001 stieg die Zahl der ausgeschriebenen Vakanzen im Stellen-Informationssystem der Bundesanstalt für Arbeit von 1300 auf 3600. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der Stellenausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt mehr als verdoppelt. "Viele Krankenhäuser inserieren gar nicht erst, weil sie glauben, dass es in der derzeitigen Situation keinen Zweck hat", berichtet Martin. Das Gesundheitswesen hat in den vergangenen zehn Jahren Fachärzte wie ein ausgetrockneter Schwamm aufgesogen. Zwischen 1992 und 2000 wurden für die stationäre und ambulante Versorgung fast vier Facharztjahrgänge über den normalen Bedarf hinaus benötigt. Kliniken haben in diesem Zeitraum 16 000 neue Stellen für Ärzte geschaffen, fast 33 000 Fachärzte haben sich zusätzlich niedergelassen. Gleichzeitig schlossen immer weniger Mediziner ihre Ausbildung ab. Von 1995 bis 2000 sank die Zahl der Approbationen um 22 Prozent. Im Jahr 2000 sprachen die Landesärztekammern ein Viertel weniger Anerkennungen zum Facharzt aus als 1995. Seinerzeit waren es 15 600, fünf Jahre später nur noch 11 700. "Es gibt zu wenige Weiterbildungsstellen, um genug Nachwuchs zu produzieren", erklärt Martin. Wer flexibel ist, kommt voran - Beruf hat aber viele Nachteile... Vor allem Akutkrankenhäuser im Osten suchen Fachärzte, auch in Reha-Kliniken sind viele Stellen frei. Im Westen haben Häuser der Grund- und Regelversorgung in ländlichen Gebieten Probleme, Mediziner zu finden - selbst wenn es sich um attraktive Stellen handelt. "Viele Fachärzte bleiben lieber auf einer untergeordneten Position in einem Krankenhaus in einer Großstadt, als auf eine bessere Stelle auf dem Land zu wechseln", berichtet Martin. Dabei sind die Aufstiegschancen für Ärzte im vergangenen Jahrzehnt nicht besser geworden. Im Jahr 1993 besetzten die Kliniken noch jede 18. Führungsposition neu, im Jahr 2001 war es nur jede 22. Nachwuchssorgen gibt es in allen Disziplinen. "In keinem Fachgebiet ist die Lage entspannt", sagt der Arbeitsvermittler. Besonders dringend gesucht werden Ärzte für die Bereiche Gynäkologie, Neurologie, Pädiatrie und Psychiatrie. Für private Klinik-Ketten ist es zwar leichter als für die kommunalen Krankenhäuser, offene Stellen zu besetzen. Sie können Ärzte übertariflich bezahlen und ihnen gute Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. In den neuen Bundeländern haben aber auch sie Probleme. Viele Ärzte hängen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in Kliniken den weißen Kittel nach der Ausbildung an den Nagel und suchen sich einen Job in anderen Berufsfeldern wie der Gesundheitsverwaltung, bei Krankenkassen, in der freien Wirtschaft oder bei Verlagen. Hintergrund: Mediziner müssen in deutschen Kliniken viele unbezahlte Überstunden leisten und wegen der Personalknappheit oft unter Hochdruck arbeiten. Ändert sich das, werden auch die Patienten davon profitieren. Es ist immer noch keine Seltenheit, dass Ärzte 36 Stunden ohne Unterbrechnung arbeiten und Patienten übermüdet behandeln. Übernachten Mediziner etwa während des Bereitschaftsdienstes in der Klinik, gilt das nicht als Arbeitszeit - auch wenn sie nachts sehr oft zu Patienten gerufen werden. Am nächsten Morgen müssen sie weiterarbeiten. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist diese Praxis nicht statthaft, dennoch ändern viele Kliniken nichts daran. Der Ärztemangel könnte Krankenhäuser dazu zwingen, hier einen anderen Weg einzuschlagen. Patienten hätten dann die Gewähr, tatsächlich von entspannten und ausgeruhten Medizinern behandelt zu werden. Auch in anderen Ländern fehlt der Nachwuchs Auch in anderen europäischen Ländern gibt es zu wenige Ärzte, vor allem in Großbritannien, Skandinavien und Frankreich. "Die Verdienstmöglichkeiten sind nicht viel anders als hier", sagt Martin. Trotzdem ist die Arbeit dort für Medziner aus Deutschland attraktiv - weil die Arbeitsbedingungen besser sind. Mehr und mehr Ärzte entscheiden sich deshalb für eine Karriere im europäischen Ausland. Mediziner ohne Job gibt es allerdings trotz der großen Nachfrage immer noch. Die Zahl der erwerbslosenlosen Assistenzärzte sank von mehr als 7000 im Jahr 1997 auf weniger als 5000 im Jahr 2001, die Zahl der Fachärzte ohne Stelle ging von knapp über 2000 auf etwa 1700 zurück. "Es ist ein Problem, dass dieses Potenzial nicht genutzt wird", sagt Martin. Unter den fachärztlichen Arbeitssuchenden sind 60 Prozent Frauen. Viele von ihnen wollen eine Teilzeitstelle in ihrer Umgebung, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Doch nur wenige Kliniken bieten flexible Arbeitszeitmodelle an. Martin: "Das ist ein Bereich, an dem die Krankenhäuser arbeiten müssen."

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