Wunschbaby für 6300 Euro - Belgischer Arzt hilft bei Geschlechterwahl

20.09.2002
Gent (dpa) - Es ist einer der spannendsten Momente während der Schwangerschaft: Der Frauenarzt stellt mit Hilfe einer Ultraschall- Untersuchung fest, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen wird. Und wenn die Töchter statt des erhofften Bruders noch eine Schwester bekommen, dann ist das eben eine Laune der Natur. Der Endokrinologe Frank Comhaire von der belgischen Universität Gent sieht das allerdings anders: Für 6300 Euro verhilft er Eltern zu einem Kind mit Wunsch-Geschlecht. Comhaire vermittelt Paare an ein US-Institut, bei dem männliche und weibliche Spermien in einer speziellen Sortiermaschine voneinander getrennt werden. «Bisher haben 15 Paare aus ganz Europa an dem Projekt teilgenommen, 5 Frauen konnte ich bei ihrem Babywunsch helfen», berichtet der Mediziner. Vor der künstlichen Befruchtung schickt er das Sperma an das «Genetics and IVF Institute» nach Fairfax im US-Bundesstaat Virginia. Dort unterteilt eine Maschine die Spermien danach, ob sie das weibliche X- oder das männliche Y- Chromosom enthalten. Dabei wird ein Fluoreszenz-Verfahren angewendet, dass die jeweiligen Chromosomen in unterschiedlichen Farben zum Leuchten bringt und so unterscheidbar macht. Die vorsortierten Spermien werden mit einem Katheter in die Gebärmutter injiziert oder das Ei wird in einem Reagenzglas befruchtet. Die Erfolgsquote liegt nach Angaben Comhaires zwischen 75 Prozent bei Jungen und 85 Prozent bei Mädchen. Das erste derartige Wunschkind kam 1995 in den USA zur Welt, zuvor war die Technik mehr als ein Jahrzehnt lang nur in der Viehzucht erlaubt. Comhaire zufolge ist die Sperma-Auslese bislang bei 1000 Paaren angewendet worden, 400 Kinder seien so auf die Welt gekommen. Eine Zunahme von Missbildungen habe sich nicht gezeigt. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren, Michael Thaele, gibt allerdings zu bedenken: «Wir wissen noch nicht, ob die Behandlung Einfluss auf die Spermien oder die Eizelle der Mutter hat - auszuschließen ist es nicht.» Hinterfragt werden müsse zudem, ob ein solches Bestimmungsrecht der Eltern mit dem Wohl des Kindes vereinbar sei. «Die Motive müssen genau überprüft werden.» Obwohl die Methode umstritten ist, hat sich Comhaire nach eigener Einschätzung moralisch nichts vorzuwerfen: «Ich kann keine Gefahr für die Gesellschaft, für die jeweilige Familie oder die Gesundheit des Babys entdecken.» In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz, eine Eizelle mit einer nach ihrem Geschlecht ausgewählten Samenzelle künstlich zu befruchten. «Auch die Mitwirkung eines Mediziners an einem solchen Projekt in einem anderen Land ist strafbar», erklärt Thaele. Das Verbot gelte nur dann nicht, wenn das Kind mit der Spermien-Auslese vor einer geschlechtsgebundenen Erbkrankheit wie der Bluterkrankheit geschützt werden könne. Comhaire findet diese Regelung unsinnig. Schließlich sei die Frage der Geschlechtswahl privater Natur. «Da soll sich der Staat nicht einmischen.» Und dass er in unzulässiger Weise in die Schöpfung eingreife, lässt Comhaire schon gar nicht gelten: «Ich glaube nicht, dass Gott damit beschäftigt ist, die Zahl der Jungen und Mädchen zu zählen.» Den von ihm behandelten Familien macht er dennoch gewisse Auflagen. Ein Paar muss wenigstens schon ein Kind haben, bevor es das Geschlecht des zweiten auswählen darf. Außerdem muss das gewünschte Geschlecht in der jeweiligen Familie in der Minderzahl sein. Wer schon zwei Jungen hat, kann sich nicht noch einen dritten «dazubestellen». Die Mütter dürfen zudem nicht älter als 40 Jahre sein. «Unter diesen Vorbedingungen kann man das vielleicht akzeptieren», sagt Thaele. Generell stelle die Methode eher ein gesellschaftlich- psychologisches als medizinisch-moralisches Problem dar. «Es entsteht ja niemandem ein Schaden, wie das beispielsweise bei der Selektion von Embryonen der Fall ist.» Eine Veränderung der Mann-Frau- Verteilung in der Bevölkerung befürchtet er nicht. «Nur eine ganz kleine Anzahl von Paaren würde das Geschlechts des Kindes im Voraus bestimmen», glaubt Thaele. Comhaire wehrt sich gegen den Vorwurf aus der öffentlichen Debatte, er wolle mit ethisch unverantwortlichen Mitteln schnelles Geld machen. Wenn man bedenke, dass die Samenauslese in den USA allein 2300 Dollar koste und die künstliche Befruchtung in einem Reagenzglas etwa 2700 Euro, sei seine Gewinnspanne beim Wunschkinderverfahren verhältnismäßig gering, sagt er.

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