Vermeintlich nutzlose Teile der DNA erfüllen regulatorische Aufgaben
Das Erbgut des Menschen enthält rund 20.000 Gene, die den Bauplan für alle Proteine darstellen, die unseren Körper ausmachen – von Muskeln über Leber und Auge bis hin zu Nervenzellen und deren Botenstoffe. Allerdings handelt es sich bei diesen Genen nur um etwa drei Prozent des menschlichen Genoms. Über die mögliche Funktion des restlichen Teils von immerhin rund 97 Prozent gab es jedoch lange Unklarheit. „Auch das Verständnis, wie Gene reguliert sind, damit sie zu bestimmten Zeitpunkten in bestimmten Organen aktiv sind, war bisher begrenzt. Nur in einzelnen Fällen ist dies genauer und mit großem Aufwand untersucht worden“, erläutert Prof. Dr. Joachim Wittbrodt, der am Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg die Abteilung Tierphysiologie/Entwicklungsbiologie leitet.
Das ENCODE-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, das gesamte Erbgut des Menschen genauer zu charakterisieren und dabei Funktionen für den großen, nicht-proteinkodierenden Teil des menschlichen Genoms zu identifizieren und in den Kontext der Genregulation zu setzen. Voraussetzung dafür war die Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden, die in einem großen Maßstab durchgeführt werden können und die es zugleich erlauben, die riesigen Datenmengen zu verarbeiten und analysierbar zu machen. Mit Hilfe biochemischer und bioinformatischer Verfahren wurden im menschlichen Genom unter anderem „Kandidaten“ für solche DNA-Elemente identifiziert, die mitbestimmen, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Organ ein Gen aktiv ist. Für die experimentelle Bestätigung dieser sogenannten Verstärker, die Enhancer genannt werden, leistete das Team von Prof. Wittbrodt einen großen Beitrag.
Die Heidelberger Biologen haben die vorab herausgefilterten Elemente der DNA, die möglicherweise als Verstärker wirken, so präpariert, dass sie zur Steuerung der Aktivität eines Reporters genutzt werden konnten. Diese Reporter sind im Modellorganismus des Medaka-Fisches zu identifizieren, da sie grün leuchten. Die Wissenschaftler konnten auf diese Weise belegen, dass ein Großteil der untersuchten DNA-Elemente Genaktivität spezifisch regulieren kann. „Unser Nachweis hat besonderes Gewicht, da er nicht in einem experimentell isolierten System durchgeführt wurde, sondern während der embryonalen Entwicklung des Medaka-Fisches erfolgt ist“, sagt Dr. Stephanie Schneider vom Centre for Organismal Studies.
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