Archaeen sind die schnellsten Lebewesen der Welt

Mikroorganismen glänzen mit Weltrekord

01.03.2012 - Deutschland

Archaeen (einzellige Mikroorganismen) sind die schnellsten Lebewesen der Welt. Dies haben jetzt Prof. Dr. Reinhard Wirth und Diplom-Biologe Bastian Herzog vom Archaeenzentrum der Universität Regensburg nachgewiesen. Sie untersuchten dafür das Schwimmverhalten verschiedener Archaeen. Nach Ansicht der beiden Forscher ist Schnelligkeit für die Mikroorganismen überlebensnotwendig, um sich an ihre extremen Umweltbedingungen anpassen zu können.

Prof. Dr. Gerhard Wanner (LMU München)

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Methanocaldococcus villosus, dem schnellsten Organismus auf der Erde. Die kugelförmige Zelle besitzt mehr als 50 Fortbewegungsorganellen („Geißeln“) und ist ca. 1µm dick.

Mit Sprintgeschwindigkeiten von 110 km/h und mehr gilt der Gepard als das schnellste Landtier der Welt. In luftigen Höhen scheint der Wanderfalke mit mehr als 300 km/h im Sturzflug unschlagbar zu sein. Allerdings benachteiligt die Maßeinheit „km/h“ gerade die kleinen und Kleinstlebewesen. Bleibt man „fair“ und misst Geschwindigkeit in der relativen Einheit „bps“ (= bodies per second, Körperlängen pro Sekunde), dann finden sich im Wasser noch weitaus bemerkenswertere Leistungen. Hier sind es die Archaeen, die sich besonders hervortun. Die Regensburger Biologen Wirth und Herzog konnten zeigen, dass zwei Archaeenarten – Methanocaldococcus jannaschii und Methanocaldococcus villosus – auf Geschwindigkeiten von 400 bis 500 bps kommen. Zum Vergleich: Ein Sportwagen, der über 400 bps fahren würde, dürfte auf einer Autobahn mit mehr als 6.000 km/h „geblitzt“ werden. Damit sind die beiden Archaeenarten die mit Abstand schnellsten Lebewesen der Welt.

Das Schwimmverhalten von Bakterien wurde in den letzten Jahren schon intensiv analysiert. Ähnliche Studien zu Archaeen gab es allerdings noch nicht. Herzog und Wirth untersuchten in ihren Experimenten das Schwimmverhalten von sieben Archaeenarten und (zum Vergleich) eines „Standardbakteriums“. Für ihre Experimente verwendeten sie ein von den Werkstätten der Universität Regensburg gebautes „Thermomikroskop“, das Untersuchungen bei bis zu 95 Grad Celsius ermöglicht.

Methanocaldococcus jannaschii und Methanocaldococcus villosus stachen mit ihren Geschwindigkeiten hervor: Methanocaldococcus jannaschii schwimmt bis zu 590 µm/s (Mikrometer pro Sekunde = 0,001 mm/s), während es Methanocaldococcus villosus auf 470 µm/s bringt. Da aber die erste Art eine Länge von ungefähr 1,5 µm aufweist und die zweite nur etwa 1 µm misst, ist die Relativgeschwindigkeit von Methanocaldococcus villosus am höchsten. Diese Art wurde zudem in den Laborräumen von Prof. Wirth durch Dr. Annett Bellack vom Regensburger Archaeenzentrum isoliert bzw. „entdeckt“.

Die Regensburger Wissenschaftler konnten bei einigen Archaeenarten unterschiedliche Schwimmstile beobachten. Neben einem sehr schnellen, mehr oder weniger geradlinigen Stil beherrschen die Archaeen auch einen langsameren „Zick-Zack-Kurs“. Letzteren setzen sie scheinbar dann ein, wenn sie sich in der Nähe von Oberflächen befinden. „Die Kombination der beiden Schwimmstile lässt uns vermuten, dass Archaeen ihre Schnelligkeit dazu nutzen, um sich in einem für sie günstigen Habitat zu halten und so zu überleben“, erklärt Wirth. Dabei könnten die Umweltbedingungen kaum feindlicher sein. Viele Archaeen leben in der Nähe von „Schwarzen Rauchern“ (black smokers) im Ozean – heißen Quellen am Grunde der Tiefsee, an deren Mündung das mineralreiche Wasser Temperaturen von über 400 Grad Celsius erreichen kann. Der extreme Druck, unter dem das Wasser aus der Quelle schießt, kann die Archaeen in einem Bruchteil von Sekunden in das tödlich-kalte Wasser des Ozeans befördern.

„Mit ihren Geißeln halten sich die Archaeen in einer für sie optimalen Zone – zwischen der Tiefsee mit etwa 2 Grad Celsius und dem Inneren des Quellausgangs. Die Geißeln sind dabei nicht nur Antrieb, sondern auch wichtiges Werkzeug, wenn es darum geht, an Oberflächen in den bevorzugten Wachstumszonen anzuhaften“, bemerkt Wirth. Die Mikroorganismen können sich so auf erstaunliche Weise an Lebensräume anpassen, die für andere „Erdlinge“ tödlich wären.

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