Lebensgefährliche Schläfer im Knochenmark
Marburger Onkologen erforschen Resistenzmechanismus bei Krebs
Das Arzneimittel Imatinib ist das Standardpräparat gegen chronische myeloische Leukämie. Die Krankheit geht mit einer unkontrollierten Vermehrung von weißen Blutkörperchen einher und führt zum Tod, wenn sie nicht behandelt wird. Imatinib hemmt die Aktivität des krebsauslösenden Gens BCR-ABL, das für die krebstypische, unkontrollierte Zellteilung verantwortlich ist. Mitunter können Krebszellen jedoch resistent gegen den Wirkstoff werden, so dass es zu Rückfällen kommt. „Die biologischen und genetischen Kennzeichen überlebender Krebszellen sind bislang weitgehend unbestimmt geblieben“, erklärt Professor Dr. Andreas Burchert, der Seniorautor der aktuellen Studie.
Die Wissenschaftler vom Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie der Philipps-Universität fanden nunmehr die Ursache für die Resistenz heraus. Sie analysierten hierfür überlebende Krebszellen. Die Ergebnisse: Eine Behandlung mit Imatinib vermindert die Anzahl von Zellen, die BCL-ABL-Genprodukte erzeugen; im Durchschnitt ist deren Menge im Knochenmark verringert. Vor allem aber: Die überlebenden Zellen wiesen weniger BCL-ABL-Genprodukte auf als Zellen zum Zeitpunkt der ersten Leukämie-Diagnose.
Die Wissenschaftler gingen diesem Befund experimentell weiter auf den Grund, indem sie ein künstliches Genkonstrukt in Knochenmarkzellen einschleusten, das zu einer geringen Produktion von BCR-ABL führt. Sie stellten fest, dass diese Zellen tatsächlich weniger auf Imatinib ansprechen als Zellen mit hohem BCR-ABL-Produktionsniveau. „Unsere Befunde könnten Bedeutung für künftige Behandlungsstrategien bei chronisch myeloischer Leukämie haben“, folgert Burchert.
„Dies ist der dritte Aufsatz innerhalb kurzer Zeit, den der Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie in der Fachzeitschrift ‚Blood’ unterbringen konnte“, zeigt sich Professor Dr. Andreas Neubauer erfreut, der Leiter des Schwerpunkts. Vorausgegangen war unter anderem eine Publikation der Arbeitsgruppe von Conny Brendel, die beschreibt, dass für das Anwachsen von Stammzellen nach Stammzelltransplantation bestimmte Oberflächenproteine essentiell sind. Eine weitere Arbeit von Dr. Sabine Teichler identifizierte ein mikro-RNA-Molekül als Regulator bei akuten Leukämien.
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