Jena (30.07.02) Wer viel Obst, Gemüse und Brot
ISST und sich bei Fleisch und Fett zurückhält, lebt nicht nur gesünder. Wahrscheinlich verringert man auch sein Risiko, an einigen häufigen
Krebsarten zu erkranken. Erwiesen ist, dass die Ernährung dazu beiträgt, ob Menschen bestimmte Krebsleiden bekommen oder nicht. Noch längst nicht ausreichend erforscht ist allerdings, welchen
Bestandteilen der gesunden
Lebensmittel die krebsvorbeugende Wirkung zu verdanken ist. Der gegenwärtige Forschungsstand deutet auf sekundäre Pflanzeninhaltstoffe und Ballaststoffe - doch der
Beweis dafür steht noch aus. Ebenfalls noch größtenteils im Dunkeln liegen die komplizierten und verschiedenartigen biochemischen Vorgänge, die das Krebsrisiko senken.
Ernährungswissenschaftler und Mediziner der Friedrich-Schiller-Universität Jena wollen jetzt herausfinden, ob und auf welche Weise bestimmte Ballaststoffe zusammen mit anderen Stoffen im
Apfelsaft daran beteiligt sind,
Dickdarmkrebs zu verhindern. Für ihre auf drei Jahre angelegte Studie hat das Bundesforschungsministerium jetzt rund 335.000 Euro bewilligt.
Schon länger bekannt ist, dass Ballaststoffe im Darm durch die Flora zu Stoffwechselprodukten abgebaut werden, die in Dickdarmzellen Kettenreaktionen auslösen. Diese könnten zusammen mit den
weiteren Stoffen im Apfelsaft zur verstärkten Produktion von Entgiftungsenzymen führen.
Zellen mit vielen solcher giftschluckenden Eiweiße scheinen wiederum besser davor geschützt zu sein, von
krebserregenden Substanzen "gekapert" und in Tumorzellen verwandelt zu werden. An diesem Punkt setzen die Forscher der Universität Jena an: "Was uns in erster Linie interessiert, sind die
bislang noch kaum entschlüsselten molekularen Wechselwirkungen zwischen dem Entgiftungsprogramm der Zelle und den Substanzen, die sie von außen aufnimmt", erklärt Prof. Dr. Beatrice
Pool-Zobel vom Institut für Ernährungswissenschaften. Die Spezialistin für Molekulare Ernährungsforschung kooperiert eng mit PD Dr. Stefan Wölfl von der Arbeitsgruppe
Molekularbiologie und PD
Dr. Frank-D. Böhmer von der AG Molekulare
Zellbiologie, die beide zum Uni-Klinikum gehören. "Bei der ernährungsbedingten Verringerung von Krebsrisiken greifen so viele Faktoren ineinander,
dass sie aus dem Blickwinkel eines einzigen Fachs nicht zu überschauen sind. Forschung in diesem Bereich ist deshalb besonders sinnvoll, wenn sie wie in Jena interdisziplinär vernetzt ist",
unterstreicht Prof. Pool-Zobel. Fernziel der Studie ist es, die Entgiftungsprozesse in Dickdarmzellen in Details zu verstehen. "Dann werden wir auch wissen, wie wir sie gezielt krebsvorbeugend
beeinflussen können, zum Beispiel durch bestimmte Diäten", ist sich die Ernährungswissenschaftlerin sicher.
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Zunächst wollen die Jenaer Forscher nachweisen, dass die Ballaststoffe in den Dickdarmzellen tatsächlich die Produktion von Entgiftungsenzymen
ankurbeln. Als Testobjekt verwenden sie naturtrüben Apfelsaft - das Getränk dient als ein Modell für pflanzliche Lebensmittel. Dann werden sie die Kettenreaktionen studieren, in denen diese
Entgiftungsenzyme entstehen. Die Darmzellen für ihre Laborversuche stammen aus Gewebeproben, die bei Operationen entfernt werden - nachdem die Patienten informiert worden sind und ihr
Einverständnis gegeben haben. Sobald die Wirkungen der Stoffe auf die Zellen nachvollziehbar sind, soll ein Folgeprojekt beginnen. Dann wird in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Johannes Scheele
und Dr. Wolfgang Sendt aus der Abteilung für Allgemeine und Viszerale
Chirurgie des Uni-Klinikums an Probanden überprüft, ob sich die krebsvorbeugenden Prozesse ähnlich steuern lassen wie an
isolierten Zellen im Reagenzglas.
Die Jenaer Studie ist Teil eines Netzwerks von neun Forschergruppen. Auf molekularer Ebene soll bestimmt werden, welchen Einfluss die Ernährung auf Entstehung und Vermeidung von
Darmkrankheiten hat. Sprecher des Verbunds ist Prof. Dr. Dr. Dieter Schrenk von der Universität Kaiserslautern. Weitere Partner sind neben den Universitäten Jena und Kaiserslautern das Deutsche
Krebsforschungszentrum Heidelberg, die Bundesforschungsanstalt Karlsruhe, die Universität des Saarlandes und die
Forschungsanstalt Geisenheim bei Wiesbaden.