Tragbares, KI-basiertes Testkit zur Identifizierung bakterieller Infektionen

Niederländische Wissenschaftlerin als Finalistin des Young Inventors Prize 2024 ausgewählt: Ihr Start-up konzentriert sich auf die häufigsten Infektionen

11.06.2024
European Patent Office

Die 29-jährige niederländische Wissenschaftlerin Rochelle Niemeijer hat ein schnelles, kostengünstiges und KI-gestütztes Tool zur Diagnose bakterieller Infektionen entwickelt, das bessere Behandlungsentscheidungen ermöglicht. 

Laut einer in The Lancet veröffentlichten Studie wurde 2019 einer von acht Todesfällen weltweit durch Bakterieninfektionen verursacht, womit dies die zweithäufigste Todesursache weltweit darstellt. Wegen langsamer oder ineffektiver Diagnosen werden viele Behandlungen mit unzureichenden Informationen zum Gesundheitszustand vorgenommen, so dass übermäßig viele Antibiotika verabreicht werden. Dies ist ein großes Problem, das die niederländische Wissenschaftlerin Rochelle Niemeijer lösen möchte. Sie hat ein Point-of-Care-Testkit entwickelt, das mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) Bakterien, die etwa Harnwegsinfektionen verursachen, schnell identifizieren kann, so dass bessere Behandlungsentscheidungen möglich werden. Niemeijer ist Finalistin des Young Inventors Prize im Rahmen des Europäischen Erfinderpreises 2024, in Anerkennung ihrer vielversprechenden Arbeit für bessere Zugänglichkeit von Diagnosen. Sie unterstützt damit eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) - und wurde aus über 550 Bewerberinnen und Bewerbern der diesjährigen Auflage ausgewählt.  

KI im Dienste der Gesundheit  

Antibiotikaresistenz ist eine der schwersten Bedrohungen für die globale öffentliche Gesundheit und Entwicklung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärt, dass Antibiotikaresistenz 2019 direkt für 1,27 Millionen Tote weltweit verantwortlich war. Unzureichende Diagnostik – insbesondere in ländlichen und einkommensschwachen Gebieten ohne die nötigen Ressourcen und Finanzmittel – verschärft das Problem weiter und hat Fehldiagnosen, unnötige Behandlungen und eine Belastung des Gesundheitswesens zur Folge. Niemeijers Start-up-Unternehmen Nostics möchte Ärzten schnelle Diagnosetools an die Hand geben, damit sie gezielter behandeln können, beginnend mit einer der weltweit häufigsten Infektionen: einer Infektion der Harnwege.  

Das Tool von Nostic ermöglicht eine schnelle Erkennung und Identifizierung von Bakterien. Die Technologie besteht aus der Kombination eines tragbaren Spektrometers und digitaler Software mit künstlicher Intelligenz und einer Einwegkartusche für die einfache Verarbeitung und Messung von Proben. Die Erfindung analysiert mithilfe oberflächenverstärkter Raman-Spektroskopie (SERS) Proben, was bereits in der akademischen Forschung untersucht, aber bisher noch nicht in kommerziellen Medizinprodukten umgesetzt wurde. Interagiert Laserlicht mit der Probe, entstehen spektrale Muster, auch wenn diese nur wenige Erreger enthält. Ein Team von KI-Spezialisten entwickelt Algorithmen, die diese spektralen Muster entschlüsseln und damit unterschiedliche Erreger genau identifizieren und klassifizieren kann.   

Die Technologie kann als erster Diagnoseschritt Bakterienarten ohne Fachexperten oder umfangreiche Laborinfrastruktur innerhalb von 15 Minuten identifizieren. Dies ist deutlich schneller und praktischer, als die Probe an ein Labor schicken zu müssen. Diese Technologie ist vielseitig und an verschiedene Infektionskrankheiten anpassbar, ideal für Screenings und Profiling in Gegenden mit begrenzten Ressourcen, vor Ort in Krisengebieten oder bei Point-of-Care-Tests, da sie von jedem angewendet werden kann.   

Nostics hat bisher 10 Millionen Euro Zuschüsse für die Entwicklung schneller, erschwinglicher und datengestützter Diagnosetools in Form einer tragbaren Plattform für Ärzte erhalten. Das Verfahren beruht auf einer Kombination aus Photonik, Nanotechnologie und KI.  

Hilfeleistung durch Nanobiologie 

Niemeijers Wunsch, Menschen zu helfen, entwickelte sich 2012 während ihres Freiwilligendienstes in einem Krankenhaus in Samraong (Kambodscha), wo sie sich mit erheblichem Mangel an Ressourcen und schlecht zugänglichen Diagnosetools konfrontiert sah. Danach studierte sie Nanobiologie an der TU Delft, wo sie einen Bachelor und einen Master erwarb. Im April 2020 wurde sie Mitbegründerin und Chief Scientific Officer von Nostics, um innovative Diagnoseverfahren unter Verwendung von Nanotechnologie, Photonik und maschinellem Lernen zu entwickeln. Niemeijer erklärt: "Wir wollen etwas bewegen, indem wir schnelle und leicht zugängliche Diagnosewerkzeuge bereitstellen. So können wir sicherstellen, dass jeder zur richtigen Zeit die richtige Behandlung erhält."   

Indem sie Diagnosen für jeden und überall zugänglich macht, macht die Erfindung die Krankenversorgung effizienter und übersichtlicher, fördert einen verantwortungsvollen Einsatz von keimhemmenden Medikamenten, verhindert die falsche oder übermäßige Verabreichung von Antibiotika und verbessert die Überwachung von Krankheiten. Damit unterstützt sie das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) 3, Gesundheit und Wohlergehen.  

Die junge niederländische Erfinderin des Verfahrens wurde unter die drei Finalisten für den Young Inventors Prize beim diesjährigen Europäischen Erfinderpreis nominiert, mit dem herausragende Erfinder unter 30 Jahren gewürdigt werden. Die anderen Finalisten sind der Ukrainer Valentyn Frechka, der eine Methode entwickelt hat, um herabgefallenes Laub in wiederverwertbares Papier umzuwandeln und so die Abholzung von Wäldern und die CO2-Emissionen zu verringern, und ein Team tunesischer Erfinderinnen, Khaoula Ben Ahmed, Ghofrane Ayari, Souleima Ben Temime und Sirine Ayari, die eine intelligente Lösung zur Steuerung von Rollstühlen entwickelt haben, mit der Menschen mit schweren Behinderungen unabhängig navigieren können. Die Bekanntgabe der Gewinnerinnen und Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2024 und des Young Inventors Prize erfolgt bei der Preisverleihung, die am 9. Juli 2024 per Livestream aus Malta übertragen wird.  

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