Knochenmarkszellen machen embryonalen Stammzellen Konkurrenz

24.06.2002
London (dpa) - Stammzellen aus dem Knochenmark können sich neuen Studien zufolge zu fast allen Gewebearten des Körpers wie Nerven-, Muskel- oder Leberzellen entwickeln. Sie könnten damit tatsächlich einmal eine Alternative zu den ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen bieten. Die im Tierversuch gefundenen Ergebnisse beschreibt ein US-Forscherteam um Catherine Verfaillie von der Universität Minnesota in Minneapolis in einer Online- Vorabveröffentlichung des britischen Fachjournals «Nature» (DOI:10.1038/nature00870). Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass nur embryonale Stammzellen die Vielseitigkeit besitzen, sich in alle rund 200 verschiedenen Körperzellen zu entwickeln. Das US-Team ist nun jedoch davon überzeugt, dass die Zellen aus dem Knochenmark bei der Entwicklung von Therapien eine ethisch unbedenkliche Alternative zu den embryonalen Stammzellen darstellen. Allerdings, so schränken die Forscher ein, seien noch viele Tests nötig, um das Potenzial dieser so genannten multipotenten adulten Vorläuferzellen (multipotent adult progenitor cells/MAPC) aus dem Knochemark genau zu untersuchen. In ihrer Studie isolierten sie die Knochenmarkszellen von erwachsenen Mäusen und Ratten. Laborversuche zeigten, dass sich einige der so gewonnenen Zellen unbegrenzt teilen - sie wachsen in der Kulturschale, ohne zu altern. Des Weiteren spritzten die Wissenschaftler aus dem Knochenmark von Mäusen gewonnene Zellen in Mäuseembryonen. Dabei wies das Team nach, dass sich die adulten Stammzellen aus dem Knochenmark in die meisten - wenn nicht gar alle - Gewebearten der Maus entwickelten. Aus embryonalen Stammzellen können hingegen sicher alle Zellarten des Körpers werden. Sie sind totipotent (zu allem fähig). «Das ist ein großer Schub für die adulte Stammzellforschung», sagte der Medizinprofessor Gustav Steinhoff von der Universität Rostock mit Blick auf die Ergebnisse. Es habe bislang nur Hinweise darauf gegeben, dass Knochenmarkszellen sich in einzelne andere Gewebe entwickeln können. «In dieser Breite ist dies jedoch noch nicht nachgewiesen worden.» Ein Team um Steinhoff hatte im vergangenen Sommer weltweit erstmals Stammzellen aus dem Knochenmark von Herzinfarkt-Patienten genommen und in den erkrankten Herzmuskel gespritzt. Ergebnisse sollen in Kürze publiziert werden. In den nun von «Nature» vorgestellten Experimenten hatten die US- Forscher Mäuse-Knochenmarkszellen in wenige Tage alte Mäuseembryonen (Blastozysten) gespritzt. Einige der daraus herangewachsenen Tiere hätten zu 40 Prozent aus jenen Zellen bestanden, die aus dem Knochenmark hervorgegangen waren, erläutert Verfaille. Erstmals hatte das britische Magazin «New Scientist» (Nr. 2327, S. 4) im Januar über entsprechende Experimente im Labor Verfaillies berichtet. Das Team hat demnach auch gute Ergebnisse mit menschlichen Knochenmarkszellen erzielt. Einige Zelllinien seien bereits seit zwei Jahren in Laborkulturen gewachsen, ohne Anzeichen von Alterung zu zeigen. Der Magazin-Artikel stützte sich jedoch vor allem auf Patentanträge und war noch nicht von dem Expertengremium eines Fachjournals geprüft.

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