Durchbruch oder Dammbruch - Zehn Jahre Patent auf die Krebsmaus von Nikolaus Dominik, dpa

10.05.2002

München (dpa) - Die namenlos gebliebene «Harvard-Krebsmaus» ist neben dem Klonschaf «Dolly» wohl das prominenteste Versuchstier der internationalen Forschung. Vor zehn Jahren, am 13. Mai 1992, wurde die Krebsmaus als erstes Säugetier in Europa patentiert. Das Patent (EP 169672) hatten Befürworter und Gegner als Signal gewertet. Die einen sprachen von einem «Durchbruch» für die damals aufstrebende gentechnische Wissenschaft und Krebsforschung, die anderen beschworen einen «Dammbruch» bei der «Patentierung von Leben». Erbittert wird seitdem darüber gestritten, was lediglich eine Entdeckung und was eine patentierbare Erfindung ist.

In die Krebsmaus wurde ein Onko-Gen (Krebs-Gen) eingesetzt. Das Patent umfasst Säugetiere, in deren Erbgut zusätzliche Gene eingefügt werden, so dass sich häufiger Tumore bilden. Patentinhaber ist die renommierte US-Universität Harvard. Zunächst hofften die Wissenschaftler, an der Maus neue Behandlungsformen gegen Krebs zu entwickeln und die Entstehung von Tumoren besser zu verstehen.

Der Münchner Wissenschaftler Prof. Axel Ullrich, Direktor am Max- Planck-Institut für Biochemie, spricht zehn Jahre nach der Patentvergabe jedoch von einem «symbolischen Schritt», der für die Wissenschaft ohne «praktische Bedeutung» geblieben sei. Das patentierte Krebsmaus-Verfahren habe lediglich bestätigt, was vorher schon bekannt war: dass dieses spezifische Gen für die Entstehung von Brustkrebs relevant sei. «Für weitere Erkenntnisse zur Krebsentstehung hat das Patent nahezu nichts gebracht», sagte Ullrich. Der «große Durchbruch» bei der Krebsforschung sei nicht erfolgt.

Dennoch war die Erteilung des Patents ein historisches Ereignis. Ursprünglich wollte das Europäische Patentamt (EPA) in München die Krebsmaus nicht patentieren und hatte den Patentanspruch auf eine Tierart noch 1989 zurück gewiesen. Auf Beschwerde der Antragsteller wurde das Patent dann im Mai 1992 doch erteilt. Ein Jahr später reichten Gegner 17 Einsprüche ein, darunter Greenpeace und Tierschützer aus mehreren europäischen Ländern. Dies führte immerhin zu einem Etappensieg. Im Jahr 1995 stoppte das EPA die Patientierung von Pflanzen und Tieren, doch die damalige Verhandlung über die Krebsmaus endete ohne Ergebnis.

Als das Patentamt im Jahr 1999 seine Rechtsgrundlage änderte und die vom Europäischen Parlament neu beschlossene Patentrichtlinie übernahm, war die Patentierbarkeit von Leben beschlossene Sache. Diese Richtlinie ist vom Deutschen Bundestag bis jetzt zwar noch nicht umgesetzt. Da das Europäische Patentamt aber keiner äußeren Rechtsprechung unterliegt, können Patente auf Gensequenzen rechtmäßig erteilt werden. Eine Patentierung des menschlichen Körpers oder seiner Bestandteile ist allerdings verboten. Dieses Patentverbot erstreckt sich auch auf ein Verfahren zum Klonen von Menschen.

Seit der Erteilung des Krebsmaus-Patents vor zehn Jahren wurden am EPA in München mehr als 1000 Patentanträge auf Tiere gestellt und weit über 50 erteilt. Diese Patente beziehen sich auf Kühe, die mehr Milch geben, schnell wachsende Schweine, Mastputen und Fische. Christoph Then von Greenpeace räumt heute ein, dass die Proteste gegen «Patente auf Leben» zwar immer mehr Widerstand in der Öffentlichkeit mobilisiert haben, die Patentvergabe aber nicht behindert haben. Aus Sicht der Patentgegner hat das EPA an den nationalen Parlamenten vorbei die politischen Entscheidungen unterlaufen.

Jetzt hoffen die Patentkritiker auf ein politisches Signal zum Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren. Das 1992 erteilte Krebsmaus-Patent ist nach wie vor leicht verändert gültig. Historisch ist nicht der wissenschaftliche Gewinn durch dieses Patent, sondern die Rechtslage, durch die aus Greenpeace-Sicht Säugetiere zu «Erfindungen» erklärt werden, die wirtschaftlich verwertet werden können.

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