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Tsetsefliegen



Glossina
 
Systematik
Unterklasse: Fluginsekten (Pterygota)
Überordnung: Neuflügler (Neoptera)
Ordnung: Zweiflügler (Diptera)
Unterordnung: Fliegen (Brachycera)
Familie: Zungenfliegen (Glossinidae)
Gattung: Glossina
Wissenschaftlicher Name
Glossina
Wiedemann 1830

Als Tsetsefliegen (Glossina spec.) bezeichnet man die einzige Gattung aus der Familie der Zungenfliegen (Glossinidae). Diese Stechfliegen leben in Afrika, ernähren sich von menschlichem und tierischem Blut und übertragen die gefürchtete Schlafkrankheit (und bei Tieren die verwandte Nagana-Seuche). Insgesamt werden über 30 Arten und Unterarten der Tsetsefliegen unterschieden, nach Habitaten in Gruppen eingeteilt.

Inhaltsverzeichnis

Besondere Merkmale der Tsetsefliegen

  Es handelt sich um kleinere bis mittelgroße Fliegen (7,3 - 13 mm / Meyers 1909) mit einem relativ schmalen Körper. Charakteristisch ist die Haltung der Flügel: Diese werden beim Sitzen in Ruhestellung, ähnlich wie wir es von einer Schere kennen, der Länge nach auf dem Hinterleib genau übereinandergelegt und bilden eine Zungenform (lat. Glossa), daher auch ihr Name. Durch diese Flügelhaltung kann die Tsetsefliege gut von anderen Stechfliegen unterschieden werden.

Der Rüssel ist eine feine, steife Hohlborste von der Länge des Rückenschildes, ohne Knickung, mit einer zwiebelförmigen Verdickung am Ursprung. Die Fiederborste (Arista) der Antennen ist doppelt gefiedert, d.h. jede einzelne Fieder trägt wieder sekundäre Fiedern; außerdem ist bloß die Vorderseite der Arista befiedert.

Die Genitalien der Männchen weisen eine starke Hervorwölbung an der Unterfläche des letzten Leibabschnittes, das Hypopygium, auf. Dieses stellt das Geschlechtsorgan dar.

Tsetsefliegen haben spezialisierte Zellen, die bakterielle, zum Teil zwingend notwendige (obligate) Endosymbionten enthalten, die sie für ihr Überleben brauchen. Dabei handelt es sich um die Arten Wigglesworthia glossinidia und Sodalis glossinidius. Hinzu können Bakterien der Art Wolbachia pipientis kommen, die als nicht unbedingt notwendige (fakultative) Symbionten (hier: ein Bakterium, das Nutzen aus einer gegenseitigen Lebensgemeinschaft zieht) betrachtet werden. (Siehe dazu (eng.): Aksoy S, Rio RV.: Interactions among multiple genomes: tsetse, its symbionts and trypanosomes. Insect Biochem Mol Biol. 2005 Jul;35(7):691-8. Epub 2005 Mar 28. Review [1])

Fortpflanzung und Entwicklung

Die Tsetsefliegen sind lebendgebärend (Larviparie). Bis zur Geburt wird die Larve im Abdomen untergebracht und dort, wie auch bei den Lausfliegen (Hippoboscidae), von einer Milchdrüse 10 Tage ernährt. In der Regenzeit bringen sie jedesmal nur einen Nachkommen zur Welt: eine Larve von gelblich-brauner Farbe, die 12 Segmente besitzt und schon fast so groß wie die Fliege selbst ist.

Bevorzugte Brutplätze sind schattige Bereiche, an denen die Larve im Boden abgelegt werden kann. Nach der Geburt bewegt sie sich lebhaft fort, sucht einen schützenden Ort auf, wo sie ihre Farbe ändert und sich nach ca. 1 bis 2 Stunden in eine braunschwarze Puppe verwandelt. Nach ca. 3 bis 4 Wochen (je nach den klimatischen Verhältnissen) kriecht die junge Fliege aus. Der Ort der Larvenablage ist bei den einzelnen Arten unterschiedlich. Die Lebenserwartung der Fliege soll nach einer ungesicherten Quelle bei sechs Monaten liegen. Einige Forscher vermuteten, die Fliege könne in ihrem Leben nur ca. 9 Nachkommen gebären, andere vermuten nun eine höhere Anzahl.

Lebensweise der Tsetsefliegen

Die Tsetsefliege ist tagaktiv und lebt vorwiegend in dichten, feuchten Waldgebieten. Wichtige Arten wie beispielsweise die G. morsitans leben auch unabhängig von größeren Oberflächengewässern in der offenen Buschsavanne. Die Tsetse-Fliege sticht fast ausschließlich im Freien, der Stich ist sehr schmerzhaft und kann daher nicht unbemerkt bleiben. Ihren Wirt nimmt die Tsetsefliege überwiegend mit den Facettenaugen wahr, ehe sie sie anfliegt (siehe auch Zebra). Der Geruchsinn spielt wohl erst bei Annäherung an das Opfer eine Rolle.

Tsetsefliege als Krankheitsüberträger

Gefährlich sind die Stechfliegen, weil sie die Trypanosomen, die Erreger verschiedener Krankheiten sind, auf den Menschen und die Tiere übertragen. So überträgt die Art Glossina palpalis die Schlafkrankheit des Menschen, Glossina morsitans überträgt außerdem die Naganaseuche bei verschiedenen Haustieren, besonders bei Pferden. Bei den Tsetse-Fliegen stechen Männchen und Weibchen und deswegen können beide Geschlechter Trypanosomen übertragen. Nach einer ungesicherten Quelle soll die Infektion der Tsetse mit Trypanosomen hauptsächlich bei jungen Tsetse-Fliegen gelingen.

In der Tsetsefliege machen die Trypanosomen (parasitische Einzeller) einen Formwandel und eine Vermehrungsphase durch. Etwa drei Wochen nach der Blutaufnahme kommt es zu einer Anreicherung der Trypanosomen in der Speicheldrüse der Fliege. Beim Befall eines neuen Wirtes werden die Parasiten dann übertragen. Die Tsetsefliege überträgt die einzelligen Parasiten sowohl auf den Menschen als auch auf viele Wild- und Haustiere, so dass ein breites Reservoir für den Erreger existiert und eine Ausrottung der übertragenen Krankheit kaum gelingen wird. In vielen Regionen des tropischen Afrika sind daher bis zu 60 Mio. Menschen gefährdet, über 300.000 bereits infiziert und jedes Jahr werden 30.000 Neuinfektionen verzeichnet. Große volkswirtschaftliche Verluste verursacht die Tsetse-Fliege im tropischen Afrika auch bei der Rinderhaltung, denn in den betroffenen Gebieten fehlt es an Milch für die Ernährung der Kinder und an Rindern als Fleischlieferanten und Arbeitstieren.

Die Tsetsefliege sticht nicht gezielt in ein Blutgefäß, wie es etwa die weibliche Anophelesmücke tut, die beim Stechakt die Malaria überträgt. Sie erzeugt vielmehr, ähnlich wie die in Deutschland vorkommenden Bremsen, mit ihren Mundwerkzeugen eine schmerzhafte Wunde, aus der sie Blut und Lymphe aufsaugt. Dadurch ist sie in der Lage, auf der Haut sitzend das Blut fast aller Arten von Wirbeltieren zu nutzen. An der Einstichstelle entsteht nach 3-10 Tagen eine teigige, rötliche und schmerzhafte Schwellung, die nach etlichen Tagen oder Wochen von selbst heilt. Sie wird Trypanosomenschanker genannt und stellt das erste Stadium der Schlafkrankheit dar. Nach einigen Tagen oder erst nach Wochen und Monaten kommt es zum zweiten Stadium, das durch Lymphknotenschwellungen, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie fleckige, juckende Hautausschläge, Schwellungen am Körper und Gewichtsverlust gekennzeichnet sein kann. Das dritte Stadium ist erreicht, wenn nach Wochen oder mehr als einem Jahr das Zentralnervensystem befallen ist und es zu schweren Schlafstörungen mit Schlaflosigkeit sowie zu Störungen der Körperkoordination, der Sprache und der Nahrungsaufnahme kommt. Gegen die Schlafkrankheit gibt es derzeit noch keinen Impfstoff und unbehandelt endet die Krankheit oft tödlich.

Der Fachmann unterscheidet zwei Erreger der afrikanischen Schlafkrankheit, die von verschiedlichen Untergruppen der Tsetsefliegen übertragen werden: Trypanosoma brucei rhodesiense, den Erreger der ostafrikanischen Schlafkrankheit, und Trypanosoma brucei gambiense, den Erreger der westafrikanischen, nur beim Menschen auftretenden Schlafkrankheit. Überträger der westafrikanischen Form ist die so genannte Palpalisgruppe, deren Fliegen sich bevorzugt in den Uferwäldern von Seen und Flüssen aufhalten. Die ostafrikanische Form der Schlafkrankheit wird von der so genannten Morsitansgruppe übertragen, die im trockenen Busch lebt.

Tsetsefliegenbekämpfung

Die Tsetsefliegen stellen in jüngerer Zeit nicht nur für die schwarzafrikanische Bevölkerung und ihre Rinderherden, sondern auch für Safari-Touristen und andere Urlauber ein Problem dar. Durch unterschiedliche Bekämpfungsmaßnahmen versuchte man mit meist mäßigem Erfolg, der Lage Herr zu werden.

Mit unterschiedlich gestalteten speziellen Tsetsefallen gelingt eine gewisse Überwachung und Einschränkung der Tsetse-Populationen.

Im tropischen Gürtel Afrikas sind nunmehr durch das SIT-Verfahren (Sterile-Insekten-Technik, meint Schädlingskontrolle durch Sterilisation) erste Erfolge im Kampf gegen die Tsetse-Fliege zu verzeichnen. Mit einem IAEO-Projekt ist es doch gelungen, die Tsetse-Fliege auf Sansibar auszurotten. Eine ausreichende Rinderhaltung zur Milch- und Fleischproduktion ist dort inzwischen möglich geworden. Die Erfolge im Kampf gegen die Tse-tse-Fliege haben zusätzlich die Hoffnung genährt, das SIT-Verfahren auch für die Bekämpfung der Anophelesmücke, dem Überträger der Malaria, erfolgreich anzuwenden. Anzumerken ist allerdings, dass SIT nur nach vorheriger Herabsetzung der Fliegendichte mittels Insektiziden und Fallen sinnvoll ist. Die Erfolge von SIT auf Sansibar sind auf dem Festland sehr wahrscheinlich nicht erreichbar, weil es immer wieder zu Einwanderung von Tsetse-Fliegen aus anderen Gebieten kommen kann. Die Ausrottung der Tsetse in ganz Afrika würde die kontinuierliche Zusammenarbeit aller betroffenen Staaten und deren eigene Stabilität erfordern. Grundlage einer gezielten Tsetse-Bekämpfung sind also wirtschaftlicher und politischer Natur. Auch wäre zu prüfen, ob eine vorsätzliche, totale Ausrottung einer Art überhaupt ethisch vertretbar wäre, oder ob nicht die Kontrolle der Verbreitungsgebiete durch die betroffene Bevölkerung mit der Unterstützung der Vereinten Nationen anstrebenswerter wäre.

Arten

  • Die Savannen - Fliegen: (Untergattung morsitans, oder manchmal glossina genannt):
    • Glossina austeni (Newstead, 1912)
    • Glossina longipalpis (Wiedemann, 1830)
    • Glossina morsitans centralis (Machado, 1970)
    • Glossina morsitans morsitans (Wiedemann, 1850)
    • Glossina morsitans submorsitans (Newstead, 1911)
    • Glossina pallidipes (Austen, 1903)
    • Glossina swynnertoni (Austen, 1923)
  • Die Wald - Fliegen: (Untergattung fusca, früher austenia genannt):
    • Glossina brevipalpis (Newstead, 1911)
    • Glossina fusca congolensis (Newstead and Evans, 1921)
    • Glossina fusca fusca (Walker, 1849)
    • Glossina fuscipleuris (Austen, 1911)
    • Glossina frezili (Gouteux, 1987)
    • Glossina haningtoni (Newstead and Evans, 1922)
    • Glossina longipennis (Corti, 1895)
    • Glossina medicorum (Austen, 1911)
    • Glossina nashi (Potts,1955)
    • Glossina nigrofusca hopkinsi (Van Emden, 1944)
    • Glossina nigrofusca nigrofusca (Newstead, 1911)
    • Glossina severini (Newstead, 1913)
    • Glossina schwetzi (Newstead and Evans, 1921)
    • Glossina tabaniformis (Westwood, 1850)
    • Glossina vanhoofi (Henrard, 1952)
  • Die Flussnahen Fliegen : (Untergattung palpalis, früher nemorhina genannt):
    • Glossina caliginea (Austen, 1911)
    • Glossina fuscipes fuscipes (Newstead, 1911)
    • Glossina fuscipes martinii (Zumpt, 1935)
    • Glossina fuscipes quanzensis (Pires, 1948)
    • Glossina pallicera pallicera (Bigot, 1891)
    • Glossina pallicera newsteadi (Austen, 1929)
    • Glossina palpalis palpalis (Robineau-Desvoidy, 1830)
    • Glossina palpalis gambiensis (Vanderplank, 1911)
    • Glossina tachinoides (Westwood, 1850)

Geschichte

Sir David Bruce und seine Frau untersuchten die Epidemiologie der Nagana in Südafrika, sowie der Schlafkrankheit am Viktoriasee und in Rhodesien am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Siehe auch

Tropenkrankheit, Moskitonetz, Repellent, Insektizid, Parasiten des Menschen

Literatur

  • bei Meyers 1909 genannt:
    • Austen: A monograph of the Tsetse flies (London 1903)
    • Sander: Die Tsetsen (Leipzig 1905)
    • Stuhlmann: Beiträge zur Kenntnis der Tsetse(n) (Berlin 1907)
  • P. Nagel (1988): Eine Fliege in Afrika - Welche Rolle spielt die Tsetsefliege im Gleichgewicht der Natur und was geschieht, wenn man sie ausrottet? Aus Forschung und Medizin 3(1): S. 91-105.
  • J. A. Van Vesten: "The Tsetse Fly Glossina fuscipes fuscipes Newstead, 1911, in East Africa; some aspects of its biology and its role in the epidemiology of human and animal trypanosomiasis" Doctoral Thesis, University of Amsterdam, 1971.
  • A. M. Jordan: "Tsetse-flies (Glossinidae)" Chapter 9 in Medical Insects and Arachnids R. P. Lane and R. W. Crosskey eds. Chapman & Hall, 1993.
  • Aksoy S, Rio RV.: Interactions among multiple genomes: tsetse, its symbionts and trypanosomes. Insect Biochem Mol Biol. 2005 Jul;35(7):691-8. Epub 2005 Mar 28. Review [2]
 
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