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Gelbrote Taglilie



Gelbrote Taglilie
 
Systematik
Klasse: Einkeimblättrige (Liliopsida)
Unterklasse: Lilienähnliche (Liliidae)
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Tagliliengewächse (Hemerocallidaceae)
Gattung: Taglilien (Hemerocallis)
Art: Gelbrote Taglilie
Wissenschaftlicher Name
Hemerocallis fulva
L.

Die Gelbrote Taglilie (Hemerocallis fulva), auch Braunrote Taglilie oder Bahnwärter-Taglilie genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Taglilien (Hemerocallis). Sie stammt ursprünglich aus Ostasien und ist in Europa und Nordamerika ein Neophyt.

Inhaltsverzeichnis

Name

Der Gattungsname Hemerocallis ('Tagesschönheit') leitet sich aus den griechischen Wörtern 'ἡμέρᾶ' ('hemera' = 'Tag') und 'κάλλος' ('kallos' = 'Schönheit') ab und hängt mit der kurzen Dauer der Blüte zusammen. Der Artzusatz fulva bezeichnet die bräunlich-orange Blütenfarbe. Der Name Bahnwärter-Taglilie deutet auf einen möglichen Standort der Pflanzenart.

Verbreitung und Standortbeschreibung

Das natürliche Verbreitungsgebiet der meisten wildwachsenden Varietäten der Gelbroten Taglilie sind die gemäßigten und tropischen Gegenden von China und Japan. Die Varietät angustifolia wächst in Indien.

Im 17. Jahrhundert wilderte die Kulturvarietät 'Europa' in England aus, breitete sich im restlichen Europa und, nach ihrer Einfuhr dort Ende des 19. Jahrhunderts, auch in Nordamerika aus. In ganz Deutschland mit Ausnahme küstennaher Standorte, sowie in Österreich ist sie wild wachsend vereinzelt zu finden.

Die Pflanze ist robust, verträgt allerdings keine Staunässe. Sie benötigt einen pH-Wert im Boden von schwach sauren Bereich zwischen 6-8. Die Gelbrote Taglilie wächst zwischen 0 und 1000 Metern NN auf Wiesen, in offenen Wäldern und an Ruderalstandorten wie an Wegränder oder sogar Müllhalden. Die chinesische Varietät H. fulva var. fulva kann in Höhenlagen bis zu 2500 Metern NN vorkommen.

Pflanzenbeschreibung

Habitus und Blätter

Bei der Gelbroten Taglilie handelt es sich um eine mehrjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen bis zu 150 cm erreichen kann. Als Überdauerungsorgane hat sie Rhizome. Die schwertförmigen, paralleladrigen Grundblätter sind 30 bis 150 cm lang, 1 bis 3 cm breit und haben eine gelblich-grüne Farbe, eine zugespitzte Blattspitze und hängen bogenförmig zum Boden zurück. Ihre Hauptwurzeln sind fingerartig geformt und fleischig geschwollen.  

Blütenstand, Blüten und Früchte

Bis zu 20 oder mehr Blüten befinden sich im zymosen Blütenstand, dessen Blühdauer insgesamt bis zu sechs Wochen anhalten kann. Der aufrechte Schaft des Blütenstandes ist rund und hohl, blattlos und verzweigt nach oben hin.

Die zwittrige, dreizählige Blüte erscheint in den Monaten Juli und August morgens und schließt sich noch am selben Abend; sie ist geruchlos und nicht selbstbestäubend. Gefüllte Blüten kommen nur bei den Sorten 'Kwanso' und 'Flore Peno' vor.

Die Blütenhüllblätter sind je nach Varietät gelborange bis rotorange, teilweise mit verschieden farbigen streifenförmigen Zonen um die Mitte herum („Auge“) oder an den Rändern. Der Blütenkelch beginnt als Röhre mit zwei bis drei Zentimeter Durchmesser. Die äußeren Blütenhüllblätter sind 7 bis 8 cm lang und 2 cm breit. Die inneren Blütenhüllblätter sind 7,5 bis 8,5 cm lang und 3 cm breit und wellig-krausrandig. Es sind sechs Staubblätter vorhanden, die Staubfäden sind 4,5 bis 6,5 cm lang, die Staubbeutel 5 bis 7 mm lang und purpurschwarz. Der Fruchtknoten hat einen Durchmesser von 8 bis 10 mm und wird aus drei zentral verwachsenen Fruchtblättern gebildet. Der weiße bis blassorange Griffel ist 9 bis 10 cm lang. Die Frucht ist eine dreikammerige Kapselfrucht.

Die Färbung der Blüten wird durch das Vorhandensein von Anthocyan-Pflanzenfarbstoffen in der Epidermis hervorgerufen, durch die die darunterliegenden, durch Zeaxanthin hellorange bis gelb gefärbten Chromoplasten betrachtet werden. Eine Ausnahme ist die Varietät H. fulva var. aurantiaca, welche kein Anthocyan aufweist und daher rein hellorange gefärbt ist.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n=22 (Diploidie) oder 3n=33 (Triploidie).

Vermehrung

Alle Varianten der Gelbroten Taglilie sind in der Lage, sich weitläufig über die Rhizome auszubreiten. Gelegentlich kommt es am Stängel zu Bildung von Kindel, erbgleiche Tochterpflanzen (Klone), die nach einiger Zeit abfallen, wurzeln und als eigenständige Pflanzen weiterwachsen. Diploide Varianten können durch Insekten bestäubt werden, der gebildete Samen wird dann durch Tiere verbreitet, die ihn nach Verdauung ausscheiden (Endozoochorie).

Viele Kulturvarietäten sind triploid und bilden nur sehr selten Samen, haben aber fertilen Pollen. In diesem Fall vermehrt sich die Pflanze nur vegetativ. Durch Anwendung von Colchicin auf Zellkulturen konnten verschiedentlich aus triploiden tetraploide Varianten gewonnen und so die Fähigkeit zur generativen Vermehrung wiederhergestellt werden[1][2][3][4].

Ökologie

Gelbrote Taglilien bieten Lebensraum u.a. für Blattläuse der Art Myzus hemerocallis und Schmetterlingsraupen der Art Lycorea cleobaea.

Varietäten

    In der Literatur werden mehrere Varietäten der Gelbroten Taglilie beschrieben:

  • Natürlich vorkommende Varietäten:
    • Hemerocallis fulva var. angustifolia Baker 1871. Die Kelchröhre kann bis 4 cm lang werden, die inneren Segmente 1 bis 2,5 cm. Chromosomenzahl 2n=22. Vorkommen in Japan und Korea, kultiviert in China und Indien.
    • Hemerocallis fulva var. aurantiaca (Baker) M.Hotta 1986: Diese Varietät ist immergrün, hat rein hellorange Blüten, 2n=22 oder 3n=33 Chromosomen und wächst in 300 bis 1000 Metern NN in China, Taiwan, Japan und Korea. Blütezeit April bis November.
    • Hemerocallis fulva var. europaea Stout 1929. Aus ihr entwickelten sich alle in Europa und Amerika vorkommenden Wildpflanzen. Sie sind triploid und die Vermehrung durch Wurzel- oder Rhizomwachstum geschieht sehr effektiv. Die Blütenfarbe ist außen orange mit bogenförmig rötlich-orangefarbenem „Auge“ weiter innen, sowie einer deutlichen hellen Mittellinie, vor allem bei den inneren Blütenhüllblättern.
    • Hemerocallis fulva var. fulva L. 1753. Hier ist die Kelchröhre weniger als drei Zentimeter kurz und die inneren Segmente 2 bis 3,5 cm breit. Die Chromosomenzahl ist 3n=33. Die Pflanze wird bis 140 cm hoch und wächst in 300 bis 2500 Metern Höhe in China und der koreanischen Halbinsel.
    • Hemerocallis fulva var. longituba Maximowicz 1885. Gelborange mit sehr langen Geschlechtsorganen. In Korea, China und Japan auch noch oberhalb 1500 Metern.
    • Hemerocallis fulva var. littorea Matsuoka und Hotta 1966. An Küsten Japans. Blüten gelborange bis rotorange mit braunem Auge und heller Mittellinie.
    • Hemerocallis fulva var. pauciflora. Japan.
    • Hemerocallis fulva var. sempervirens. Im Süden Japans. Blüht sehr spät.
  • Zuchtvarietäten:
    • Hemerocallis fulva cv. 'Kwanso' Regel 1866 (auch kwanzo). Diese Zuchtform hat doppelte Blüten mit orangefarbenem Grund und wird seit langer Zeit in Ostasien kultiviert. Die Blüten und ihre Geschlechtsorgane können teilweise deformiert sein. Sie kommt diploid und triploid vor und bildet die Basis für tetraploide Zuchtpflanzen.
    • Hemerocallis fulva var. maculata Baroni 1897. Robust. Der bis 120 cm hohe Stängel trägt bis zu 12 Blüten mit purpurrotem „Auge“ und 15 cm Durchmesser. Chromosomenzahl 3n=33.
    • Hemerocallis fulva var. rosea Stout 1930. Rosenrot. Grundlage für Sorten 'Rosalind' und 'Pastel Rose'.
    • Hemerocallis fulva cv. 'Flore Peno' Sienicka 1929. Bei dieser doppelblütigen Pflanze aus China ist die Blüte außen orange, in der Mitte dunkelrot. 3n=33. Unterscheidet sich von 'Kwanso' durch kürzere und regelmäßigere Blütenform[3][4].

Inhaltsstoffe und Pharmakologie

    Die Blätter der Gelbroten Taglilie enthalten starke Antioxidantien, nämlich Roseosid, Phlomurosid, Lariciresinol, Quercetin- und Isorhamnetin-Glykoside, außerdem Pinnatannin-Derivate[5] und Cholin[6]. Weitere Inhaltsstoffe im oberirdischen Teil der Pflanze sind die Saponine Hemerosid A und B[7]. Zellextrakte aus der Wurzel der Varietät kwanzo, die Anthrachinon-Derivate enthalten, zeigen im Labor hemmende Wirkung auf die Vermehrung menschlicher Krebszellen[8]. Die Blüten scheinen außerdem Effekte auf das Schlafverhalten von Mäusen zu haben[9].

Eine Quelle von 1929 berichtet davon, Colchicin in einer Hemerocallis-Art gefunden zu haben. Damals war es noch sehr schwierig, solche Analysen durchzuführen. Neue Ergebnisse zeigen keinen Gehalt an irgendwelchen Alkaloiden in Hemerocallis fulva[10].

Nutzung

Diese Pflanzenart wird in Ostasien als Nahrungsmittel, Heilpflanze und zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen verwendet.

Zierpflanze

Als Zierpflanze eignet sie sich besonders durch ihre großen Blüten, deren leicht zugängliche Geschlechtsorgane die Kreuzung auch für Amateure leicht machen. Taglilien sind als Zierpflanzen aufgrund der großen Blüten sehr beliebt. In vielen Dutzend Ländern haben sich Liebhaber dieser Pflanzengattung in Vereinen organisiert.

Küche

Weit weniger bekannt ist, dass sich viele Arten dieser Gattung und fast die gesamte Pflanze als Nahrungsmittel eignen.

In Ostasien werden Gelbrote Taglilien als Nahrung angebaut. Die gesamte Pflanze bis auf den Stängel ist verwertbar:

  • die dickeren Wurzeln können geschält wie Kartoffeln zubereitet werden und schmecken nach Nüssen oder wie Kastanien; allerdings wird bei Überdosierung der Wurzel von Vergiftungserscheinungen berichtet[6];
  • junge Blattschösslinge schmecken roh süßlich, gekocht wie Spargel oder Sellerie;
  • reife Blätter eignen sich geschnitten für Salat oder in Suppen;
  • reife Blüten werden getrocknet und dienen als Suppeneinlage und Würze, frische Blüten auch roh als farbig-fruchtiger und knuspriger Salatzusatz - der Nektar hat einen feinen Geschmack;
  • grüne Blütenknospen eignen sich entsprechend als „Früchte“, auch gekocht oder in Öl gebraten;
  • Samen können zerdrückt in Suppen verwendet werden.

Insbesondere eignen sich die Kulturformen 'Kwanzo' und 'Flore pleno'. Vom rohen Verzehr der Blüte von H. fulva var. europaea wird abgeraten. Eine erhöhte Menge von Wurzelgewebe kann abführend wirken[11]. Die Blätter der Gelbroten Taglilie enthalten neben Vitamin A und C auch Eisen.

Kräuterkundliche Verwendung und Ethnobotanik

In China wird die Blüte der Gelbroten Taglilie in der traditionellen chinesischen Medizin bei Schlaflosigkeit, das Rhizom als Mittel gegen Tuberkulose und Filariasis angewandt. In Korea dient das Essen der Wurzel als Mittel gegen Verstopfung und Lungenentzündung. Der Wurzelsaft wird bei Arsenvergiftung und Krebs verabreicht. Der Wurzeltee soll harntreibend wirken[6].

In Ostasien knüpfen die Bauern aus den Blättern der Gelbroten Taglilie Seile und Schuhwerk.

Quellen

  1. Bundesamt für Naturschutz, FloraWeb. Auf http://www.floraweb.de/datenservice/artenhome.xsql?suchnr=2813&
  2. Flora of North America Project: Flora of North America. Vol. 26. S. 219ff. Auf http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=1&taxon_id=200027676
  3. a b Flora of China Project: Flora of China. Vol. 24. S. 163. Auf http://www.efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=2&taxon_id=200027676
  4. a b J. P. Peat und T. L. Petit: The Daylily: A Guide for Gardeners. Timber Press 2004. ISBN 0881926663. S. 13-16.
  5. Y. Zhang u.a.: Lipid peroxidation inhibitory compounds from daylily (Hemerocallis fulva) leaves. Life Sci. 2004 Jun 25;75(6):753-63. PMID 15172183
  6. a b c P. P. H. But u.a. (Ed.): International Collation of Traditional and Folk Medicine: Northeast Asia, Part II. World Scientific 1997. ISBN 981023130X. S. 176-177
  7. T. Konishi u.a.: Steroidal saponins from Hemerocallis fulva var. kwanso. Chem Pharm Bull (Tokyo). 2001 Mar;49(3):318-20. PMID 11253923
  8. R. H. Cichewicz u.a.: Inhibition of human tumor cell proliferation by novel anthraquinones from daylilies. Life Sci. 2004 Feb 20;74(14):1791-9. PMID 14741736
  9. E. Uezu: Effects of Hemerocallis on sleep in mice. Psychiatry Clin Neurosci. 1998 Apr;52(2):136-7. PMID 9628113
  10. R. F. Raffauf: Plant Alkaloids: A Guide to Their Discovery & Distribution. Haworth Press 1996. ISBN 1560228601. S. 128-129.
  11. T. S. Elias: Edible Wild Plants: A North American Field Guide. ISBN 0806974885. Sterling Publishing Company Inc. 1990. S. 136.

Literatur

  • Arlow Burdette Stout: Daylilies: The Wild Species and Garden Clones, Both Old and New, of the Genus Hemerocallis. Sagapress, U.S., Sagaponack 1989, ISBN 0898310288
  • Leo Jelitto (Herausgeber), Wilhelm Schacht (Herausgeber), Alfred Feßler: Die Freiland - Schmuckstauden. Handbuch und Lexikon der winterharten Gartenstauden. 4. überarbeitete Auflage. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart 1990, ISBN 3800163780
  • Walter Erhardt: Hemerocallis Taglilien. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-8001-6358-6
  • Kitty Morse: Edible Flowers: A Kitchen Companion with Recipes. Ten Speed Press. ISBN 0898157544. S. 16-17 enthält Rezept Lilyed Melon and Mango Soup.
  • GDS - Gesellschaft der Staudenfreunde - Fachgruppe Hemerocallis
  • Hemerocallis-Wildarten
 
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