Bedeutende Fortschritte bei Suche nach Schizophrenie-Genen

24.10.2003
(dpa) - Die Suche nach genetischen Ursachen für Schizophrenie hat nach Forscherangaben in den vergangenen Monaten bedeutende Fortschritte gemacht. «Nach zehn Jahren ohne echte Erfolge sind nun bereits drei Kandidaten-Gene ermittelt», sagte Professor Peter Falkai von der Universität des Saarlandes am Mittwoch in Düsseldorf. Dort stellte das von der Bundesregierung geförderte «Kompetenznetz Schizophrenie» die aktuellen Befunde vor. Der genetische Faktor trägt nach Falkais Angaben zu 50 Prozent zum Risiko bei, an Schizophrenie zu erkranken. Hinzu kämen als Faktoren Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt, Viruserkrankungen, Haschischkonsum und der höhere soziale Stress in Städten. Der Bonner Professor Wolfgang Maier bezeichnete die Fortschritte als «entscheidende Durchbrüche». Die Befunde seien inzwischen von mehreren unabhängigen Arbeitsgruppen gut belegt. Dabei hätten deutsche Forscherteams eine wesentliche Rolle gespielt. Das Schizophrenie-Risko wird demnach von den Genen Dysbindin auf Chromosom 6, Neuregulin auf Chromosom 8 und G72 auf Chromosom 13 beeinflusst. Mit der Entdeckung dieser Gene gebe es hoffnungsvolle Ansätze für die Entwicklung neuer Medikamente. Vermutlich seien insgesamt 50 bis 100 Gene an der Krankheit beteiligt, sagte Falkai. Die entdeckten Gene hätten überraschender Weise nicht wie vermutet mit dem Nervenbotenstoff Dopamin zu tun, dessen Verarbeitung häufig bei Schizophrenie-Kranken als gestört gilt. Stattdessen stehen die identifizierten Erbanlagen vermutlich in Zusammenhang mit dem Botenstoff Glutamat, der beispielsweise bei Alzheimer-Kranken in zu hoher Menge ausgeschüttet wird. Diese Befunde zeigten auch, dass die derzeit eingesetzten Medikamente zwar durchaus wirksam seien, aber ihre Wirk-Mechanismen nichts mit den jetzt entdeckten Genen zu tun hätten. «Wir haben nun die Chance, anstelle der symptomatischen Therapie eine gezielte kausale Therapie zu entwickeln», sagte Falkai. Die neueste Medikamentengeneration, die atypischen Neuroleptika, helfen zwischen 70 und 77 Prozent der Patienten, der Rest gilt nach wie vor als unbehandelbar. Die Psychiater kritisierten, dass in Deutschland überwiegend veraltete Medikamente verschrieben würden, die erheblich stärkere Nebenwirkungen hätten. Als kurzfristiger Ansatz zur Verbesserung der Therapie gilt die Früherkennung: Oft vergingen im Krankheitsverlauf sechs Jahre zwischen ersten Symptomen und der Diagnose samt Behandlungsbeginn, sagte Professor Joachim Klosterkötter (Köln). Nach Angaben von Professor Wolfgang Gaebel (Düsseldorf) erkrankt jeder 100. Bundesbürger einmal im Leben an Schizophrenie. Es gebe 10 000 bis 15 000 Neuerkrankungen pro Jahr. Zwischen 10 und 15 Prozent der Erkrankten begingen Selbstmord. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Schizophrenie in Deutschland werden auf 3,5 bis 4 Milliarden Euro beziffert.

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