Lipobay-Debakel bleibt schwere Hypothek für Bayer-Konzern

09.08.2002
Leverkusen (dpa) - Für den Bayer-Konzern war der 8. August 2001 einer der schwärzesten Tage in der Firmengeschichte: An dem folgenschweren Mittwoch vor genau einem Jahr musste das Chemie- und Pharmaunternehmen sein bis dato umsatzstärkstes Präparat vom Markt nehmen, den Cholesterinsenker Lipobay. Das Medikament wird mit dem Tode von mindestens 100 Menschen in Verbindung gebracht. Neben einem massiven Umsatzausfall und dem Imageschaden rollte auf den Leverkusener Konzern eine Klageflut zu. Doch das Kapitel Lipobay ist für Bayer noch lange nicht abgeschlossen. «Insgesamt gibt es weltweit über 2000 Klagen in Verbindung mit Lipobay», sagt Bayer-Sprecherin Christina Sehnert. Der Großteil davon stamme aus den USA. Ein Milliardenrisiko angesichts der hohen Schadenssummen, die die verbraucherfreundlichen US-Gerichte gelegentlich verhängen. Den neuen Bayer-Chef Werner Wenning, der Ende April 2002 das Ruder von Manfred Schneider an der Konzerspitze übernahm, scheint dies abzuschrecken. Erstmals denkt er öffentlich über die Möglichkeit von Vergleichen nach. In Einzelfällen sei der Konzern dazu bereit, sagte Wenning der «WirtschaftsWoche» (Donnerstagausgabe). Lipobay kann bei gleichzeitiger Einnahme mit dem Wirkstoff Gemfibrozil zum Tode infolge einer Form von Muskelschwäche führen. Der Rückzug von Lipobay hinterlässt seine Spuren auch in der Bilanz des Chemie- und Pharmakonzerns. Quartal auf Quartal gibt Bayer Millionenausfälle bekannt. Allein im ersten Halbjahr diesen Jahres brach der Umsatz im Pharma-Bereich um knapp ein Viertel auf 1,9 Milliarden Euro ein. «Bayer hat noch immer mit den Auswirkungen von Lipobay zu kämpfen», resümiert Analyst Andreas Theisen von der WestLB Panmure. Das Lipobay-Debakel kostete zudem 1300 Arbeitsplätze, sagte Sehnert. Den Umschwung soll nun das Potenzmittel Vardenafil bringen. Die Markteinführung des Präparates ist für das kommende Jahr geplant. Das Mittel gilt als potenzieller Verkaufsschlager mit einem möglichen Jahresumsatz von einer Milliarden Euro. Diese Hoffnung wird auch von Analysten geteilt. Vardenafil sei ein potenzielles Präparat, um das Fehlen von Lipobay auszugleichen und neues Wachstum zu schaffen, sagt Theisen. Das brauche aber Zeit. Mit einer Einführung des Potenzmittels sei nicht vor Mitte 2003 zu rechnen. Angestoßen hat der Ausfall von Lipobay eine grundlegende Neuordnung des Konzerns. So wurde Bayer in eine Holding umgewandelt mit den vier selbstständigen operativen Sparten Gesundheit, Pflanzenschutz, Kunststoffe und Chemie. Für den Pharma-Bereich suchen die Leverkusener seit längerem einen Kooperationspartner. In dem neuen Gemeinschaftsunternehmen will Bayer aber die Mehrheit behalten. Nach Ansicht von Analysten dürfte es für den Konzern aber schwierig werden, einen Partner zu finden, der Bayer die Führung in dem Joint Venture überlässt und sich mit dem zweiten Platz zufrieden gibt. «Das ist problematisch, da die Pharma-Sparte im Moment nicht erfolgreich ist», sagte ein Analyst.

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