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Strahlenkrankheit



Die Strahlenkrankheit tritt nach akuter Bestrahlung des menschlichen Organismus durch Ionisierende Strahlung wie Röntgen- oder Gammastrahlung auf. In der Vergangenheit wurde sie häufig nach Strahlungsunfällen oder Atombombenexplosionen festgestellt.

Inhaltsverzeichnis

Pathologie

Menschliches (und tierisches) Gewebe weist gegenüber ionisierender Strahlung eine unterschiedliche Strahlensensibilität auf. Dem inzwischen widerlegten historischen Gesetz von Bergonié und Tribondeau (1906) zufolge sollen Gewebe umso stärker geschädigt werden, je höher ihre Teilungsrate ist.

Die Empfindlichkeit eines Organs oder Gewebesystems hängt vielmehr von der Lebensdauer der Funktionszellen und von der Größe der Stammzellfraktion ab, denn die Strahlung führt in der Regel nicht zu sofortigem Tod der bestrahlten Zellen, sondern zum Verlust ihrer Teilungsfähigkeit [1]. Beispielsweise haben Haut und Schleimhaut eine sehr hohe tägliche Zellaustauschrate. Wird der Nachschub aus den Stammzellen durch Strahlung ausgeschaltet, so geht innerhalb weniger Tage die gesamte Haut zugrunde. Ein langsam ausgetauschtes Gewebe wie beispielsweise Knochen entwickelt Strahlenschäden dagegen erst nach vielen Monaten. Diesen Umstand macht man sich bei der Strahlentherapie zunutze, da Tumorgewebe normalerweise eine schnelleren Zellaustausch und eine höhere Wachstumsfraktion aufweist als das umliegende gesunde Gewebe.

Ebenfalls ist die Ausprägung der Strahlenkrankheit abhängig von der Art der radioaktiven Strahlung und ob die Strahlung nur von außen auf den Körper wirkt oder ob sie durch inkorporierte radioaktive Substanzen direkt im Körperinneren wirkt.

Symptome

Generell gilt für die Symptome der Strahlenkrankheit: je höher die Dosis,

  • desto schwerwiegender sind die Auswirkungen,
  • desto schneller treten die Symptome auf,
  • desto länger dauert die Erholungsphase,
  • desto länger bleibt die Krankheit bestehen und
  • desto geringer werden die Überlebenschancen.

Die Strahlendosis bzw. Äquivalentdosis entscheidet über die Überlebenschancen. Sie wird in Gray (Gy) bzw. Sievert (Sv) angegeben. Die Äquivalentdosis, der ein Mensch durchschnittlich im Jahr durch Umwelteinflüsse sowie durch medizinische Untersuchungen ausgesetzt ist, beträgt etwa 2,5 mSv.

Alle folgenden Dosisangaben beziehen sich auf akute Bestrahlung. Akut bedeutet hier kurzdauernd im Vergleich zur Dauer physiologischer Heilungsvorgänge. Bei protrahierter, d. h. zeitlich über Stunden oder länger verteilter Aufnahme der gleichen Dosis ist die Schadwirkung geringer.

0 bis 0,2 Gy
Mögliche angenommene Spätfolgen: Krebs, Erbgutveränderung. Diese zählen nicht zur Strahlenkrankheit im eigentlichen Sinne; sie sind also stochastische Strahlenschäden.
0,2 bis 0,5 Gy
Keine Symptome, nur klinisch feststellbare Reduzierung der roten Blutkörperchen
0,5 bis 1 Gy
Leichter Strahlenkater mit Kopfschmerzen und erhöhtem Infektionsrisiko. Temporäre Sterilität beim Mann ist möglich.
1 bis 2 Gy; leichte Strahlenkrankheit
10 % Todesfälle nach 30 Tagen (Letale Dosis(LD) 10/30).
Zu den typischen Symptomen zählen – beginnend innerhalb von 3-6 Stunden nach der Bestrahlung, einige Stunden bis zu einem Tag andauernd – leichte bis mittlere Übelkeit (50 % wahrscheinlich bei 2 Gy) mit gelegentlichem Erbrechen. Dem folgt eine Erholungsphase, in der die Symptome abklingen. Leichte Symptome kehren nach 10-14 Tagen zurück. Diese Symptome dauern etwa vier Wochen an und bestehen aus Appetitlosigkeit (50 % wahrscheinlich bei 1,5 Gy), Unwohlsein und Ermüdung (50 % wahrscheinlich bei 2 Gy). Die Genesung von anderen Verletzungen ist beeinträchtigt, und es besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Temporäre Unfruchtbarkeit beim Mann ist die Regel.
2 bis 3 Gy; schwere Strahlenkrankheit
35 % Todesfälle nach 30 Tagen (LD 35/30).
Erkrankungen nehmen stark zu und eine signifikante Sterblichkeit setzt ein. Übelkeit ist die Regel (100 % bei 3 Gy), das Auftreten von Erbrechen erreicht 50 % bei 2,8 Gy. Das Auftreten der Anfangssymptome beginnt innerhalb von einer bis sechs Stunden und dauert ein bis zwei Tage. Danach setzt eine 7- bis 14-tägige Erholungsphase ein. Wenn diese vorüber ist, treten folgende Symptome auf:
Haarausfall am ganzen Körper (50 % wahrscheinlich bei 3 Gy), Unwohlsein und Ermüdung. Der Verlust von weißen Blutkörperchen ist massiv, und das Infektionsrisiko steigt rapide an. Bei Frauen beginnt das Auftreten permanenter Sterilität. Die Genesung dauert einen bis mehrere Monate.
3 bis 4 Gy; schwere Strahlenkrankheit
50 % Todesfälle nach 30 Tagen (LD 50/30).
Nach der Erholungsphase treten zusätzlich folgende Symptome auf:
Durchfall (50 % wahrscheinlich bei 3,5 Gy) und unkontrollierte Blutungen im Mund, unter der Haut und in den Nieren (50 % wahrscheinlich bei 4 Gy).
4 bis 6 Gy; akute Strahlenkrankheit
60 % Todesfälle nach 30 Tagen (LD 60/30).
Die Sterblichkeit erhöht sich schrittweise von ca. 50 % bei 4,5 Gy bis zu 90 % bei 6 Gy (solange keine massive medizinische Intensivversorgung zur Anwendung kommt). Das Auftreten der Anfangssymptome beginnt innerhalb von 30 bis 120 Minuten und dauert bis zu zwei Tage. Danach setzt eine 7- bis 14-tägige Erholungsphase ein. Wenn diese vorüber ist, treten im Allgemeinen die gleichen Symptome wie bei 3 bis 4 Gy verstärkt auf. Bei Frauen ist das Auftreten permanenter Unfruchtbarkeit die Regel. Die Genesung dauert mehrere Monate bis zu einem Jahr. Wenn der Tod in der Regel 2-12 Wochen nach der Bestrahlung eintritt, so sind die Todesursachen Infektionen und Blutungen.
6 bis 10 Gy; akute Strahlenkrankheit
100 % Todesfälle nach 14 Tagen (LD 100/14).
Die Überlebenschance kommt auf den Einsatz medizinischer Intensivversorgung an. Das Knochenmark ist nahezu oder vollständig zerstört, und eine Knochenmarktransplantation ist erforderlich. Das Magen- und Darmgewebe ist schwer geschädigt. Das Auftreten der Anfangssymptome beginnt innerhalb von 15 bis 30 Minuten und dauert bis zu zwei Tagen. Danach setzt eine 5- bis 10-tägige Erholungsphase ein, die als Walking-Ghost-Phase bezeichnet wird. Die Endphase endet mit dem Eintritt des Todes durch Infektionen und innere Blutungen. Falls eine Genesung eintritt, dauert sie mehrere Jahre, wobei diese wahrscheinlich nie vollständig erfolgen wird.
10 bis 20 Gy; akute Strahlenkrankheit
100 % Todesfälle nach 7 Tagen (LD 100/7).
Diese hohe Dosis führt zu spontanen Symptomen innerhalb von 5 bis 30 Minuten. Nach der sofortigen Übelkeit durch die direkte Aktivierung der Chemorezeptoren im Gehirn und einer starken Schwäche folgt eine mehrtägige Phase des Wohlbefindens (Walking-Ghost-Phase). Danach erfolgt die Sterbephase mit raschem Zelltod im Magen-Darmtrakt, welcher zu massivem Durchfall, Darmblutungen und Wasserverlust sowie der Störung des Elektrolythaushalts führt. Der Tod tritt mit Fieberdelirien und Koma durch Kreislaufversagen ein. Eine Therapie besteht nur noch im Stillen der Schmerzen.
20 bis 50 Gy; akute Strahlenkrankheit
100 % Todesfälle nach 3 Tagen (LD 100/3), ansonsten wie bei „10 bis 20 Gy“
über 50 Gy
Sofortige Desorientierung und Koma innerhalb von Sekunden oder Minuten. Der Tod tritt in wenigen Stunden durch völliges Versagen des Nervensystems ein. Eine solche Stundendosis existiert beispielsweise am Karatschai-See.
über 80 Gy
Die US-Streitkräfte rechnen bei einer Dosis von 80 Gy schneller Neutronenstrahlung mit einem sofortigen Eintritt des Todes.

Anmerkung: Die Symptome unterscheiden sich in den öffentlich zugänglichen Dokumenten, da sie nicht experimentell am Menschen „erprobt“ sind. Die oben angegebenen Werte beziehen sich auf die Ganzkörperdosis verursacht durch eine einmalige Einwirkung von Röntgen- oder Gammastrahlen. Sie wurden aufgrund der Folgen von Atombombenabwürfen und anderen Ereignissen statistisch ermittelt.

Therapie

Primäres Ziel ist es die Einwirkzeit der radioaktiven Substanzen auf den Körper zu verkürzen, deshalb erfolgt zunächst

  • eine Dekontamination (Entfernung der radioaktiven Substanzen) am Patienten
  • die Gabe von Iod. Ziel ist es die Schilddrüse mit Iod "aufzusättigen", da bestimmte radioaktive Nukleotide (z.B. das bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzte Iod 131) sich organspezifisch anlagern und eventuell zu Krebserkrankungen führen können.

Danach werden die hämatologischen Schäden (Schäden im Blut) behoben. Dies geschieht durch Bluttransfusionen oder Stammzelltransplantationen. Oftmals wird durch Vitaminpräparate auch versucht, die Blutregeneration zu beschleunigen. Weiterhin muss ein Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes stattfinden. Wichtig ist auch das Beheben von Hautschäden, da der Körper nach der Bestrahlung besonders infektionsanfällig ist. Aus diesem Grund findet oft eine Begleittherapie mit Antibiotika statt.

Siehe auch

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Einzelnachweise

  1. Beck-Bornholdt HP, Dubben HH, Willers H: Proliferationsrate und Strahlenempfindlichkeit. Der Irrtum von Bergonié und Tribondeau. Strahlenther Onkol 1997; 173: 335-337 PMID: 9235641

Literatur

  • Kauffmann et al.: Radiologie, 3. Aufl. Urban & Fischer München/Jena 2006. ISBN 3-437-44415-8
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Strahlenkrankheit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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