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Kohlenhydrate



Kohlenhydrate (veraltet auch Kohlehydrate) oder Saccharide bilden die große Naturstoffklasse der Hydroxyaldehyde oder Hydroxyketone sowie davon abgeleitete Verbindungen und deren Oligo- und Polykondensate. Im Allgemeinen wird unter Kohlenhydraten Zucker verstanden. Kohlenhydrate stellen zusammen mit den Fetten und Proteinen den quantitativ größten verwertbaren (u. a. Stärke) und nicht-verwertbaren (Ballaststoffe) Anteil an der Nahrung. Neben ihrer zentralen Rolle als physiologischer Energieträger, spielen sie als Stützsubstanz vor allem im Pflanzenreich und in biologischen Signal- und Erkennungsprozessen (z. B. Zell-Zell-Erkennung, Blutgruppen) eine wichtige Rolle. Ihre nicht-kondensierten Vertreter, die Monosaccharide, weisen Kohlenstoffketten mit mindestens drei C-Atomen und mindestens einem Chiralitätszentrum (Ausnahme: Dihydroxyaceton) auf. Am verbreitetsten sind Monosaccharide mit fünf oder sechs C-Atomen. Zwei- und Mehrfachzucker bestehen aus über glykosidische Bindungen verketteten Einfachzuckern. Die Monosaccharide (Einfachzucker, z. B. Traubenzucker, Fruchtzucker), Disaccharide (Zweifachzucker, z. B. Kristallzucker, Milchzucker, Malzzucker) und Oligosaccharide (Mehrfachzucker, z. B. Raffinose) sind in der Regel wasserlöslich, haben einen süßen Geschmack und werden im engeren Sinne als Zucker bezeichnet. Die Polysaccharide (Vielfachzucker, z. B. Stärke, Cellulose, Chitin) sind hingegen oftmals schlecht oder gar nicht in Wasser löslich und geschmacksneutral.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Da viele prominente Saccharide die Bruttoformel Cn(H2O)m aufweisen, kann man diese formal als Hydrate des Kohlenstoffs ansehen, weshalb K. Schmidt 1844 den bis heute verwendeten Begriff Kohlenhydrate prägte. Vertreter dieser Stoffklasse können jedoch erheblich von dieser Bruttoformel abweichen und weitere funktionelle Gruppen und auch Heteroatome wie Stickstoff oder Schwefel enthalten, während andere Verbindungen derselben Formel nicht zu den Kohlenhydraten gehören, da sie keine Hydroxyaldehyde oder Hydroxyketone sind. Allgemein liegen Kohlenhydrate vor, wenn in einem Stoff mindestens eine Aldehydgruppe bzw. Ketogruppe und mindestens zwei Hydroxygruppen anzufinden sind. Da Polysaccharide aus Monosacchariden aufgebaut werden, gilt die Formel nC6H12O6 --> C6nH10n+2O5n+1 + n-1(H2O)

Physiologische Synthese

Einfachzucker werden von Pflanzen im Calvin-Zyklus durch Photosynthese aus Kohlenstoffdioxid und Wasser aufgebaut, und enthalten Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Zur Speicherung oder zum Zellaufbau werden diese Einfachzucker bei praktisch allen Lebewesen dann zu Mehrfachzuckern verkettet. So synthetisiert beispielsweise die Leber aus Glucose den langkettigen Speicherzucker Glykogen.

Die Energieversorgung des Gehirns ist hochgradig von Glucose abhängig, da es Fette nicht direkt energetisch verwenden kann. In Hungersituationen ohne Kohlenhydratzufuhr oder bei verstärkter Muskelarbeit wird daher unter Energieaufwand Glucose in der Gluconeogenese aus den Stoffwechselprodukten Lactat, bestimmten Aminosäuren (u. a. Alanin) und Glycerin synthetisiert. Die Gluconeogenese verwendet zwar einige Enzyme der Glycolyse, dem Abbauweg der Glucose zur Erzeugung von energiereichem ATP und NADH+H+, ist aber keinesfalls als deren Umkehrung zu verstehen, da entscheidende Schritte von eigenen Enzymen wie gesagt unter Energieverbrauch stattfinden. Glycolyse und Gluconeogenese sind reziprok reguliert, d. h. sie schließen einander in ein und derselben Zelle nahezu aus. Unterschiedliche Organe können jedoch sehr wohl gleichzeitig den einen und den anderen Weg beschreiten. So findet bei starker Muskelaktivität im Muskel Glycolyse und damit Lactatfreisetzung und in der Leber Gluconeogenese unter Verwendung von Lactat statt. Dadurch wird ein Teil der Stoffwechsellast in die Leber verlagert.

Nahrung

Kohlenhydrate sind ein wesentlicher Teil der menschlichen Nahrung neben Fett und Eiweiß. Sie sind der Hauptenergielieferant für den Organismus und sind im Gegensatz zu den Fetten schnell verwertbar, gelten aber nicht als essentiell, da der Körper sie in der Gluconeogenese unter Energieaufwand aus anderen Nahrungsbestandteilen herstellen kann. Da insbesondere das Gehirn hochgradig von Glucose als Energieträger abhängig ist und keine Fette verwerten kann, muß der Blutzuckerspiegel in engen Grenzen gehalten werden. Dessen Regulation erfolgt durch das Zusammenspiel von Insulin und Glucagon. Bei Kohlenhydratmangel wird das Gehirn durch Ketonkörper versorgt, was sich z. B. bei einer Diät durch Acetongeruch bemerkbar macht. Eine völlig kohlenhydratfreie Ernährung wurde im Tierversuch bei Hühnern problemlos vertragen [1]. Eine eigenständige Erkrankung des Menschen durch das Fehlen von Kohlenhydraten ist unbekannt. [2]Der Energiegehalt von einem Gramm Kohlenhydrat beträgt rund 17,2 Kilojoule (kJ) (4,1 kcal).

Die physiologische Energieerzeugung aus Kohlenhydraten erfolgt im Normalfall in der nicht-oxidativen Glycolyse und im oxidativen Citrat-Zyklus.

Kurzfristig wird Glucose als Glycogen in der Leber und im Muskelgewebe gespeichert. Wenn die Versorgung der Gewebe mit Kohlenhydraten größer ist als ihr Verbrauch, wird der Überschuss in Fett umgewandelt und als Depotfett gespeichert.

Beispiele für Lebensmittel, die einen hohen Anteil an Kohlenhydraten aufweisen: Brot, Nudeln, Bohnen, Kartoffeln, Kleie, Reis und Getreide.

Pflanzenarten, die vor allem zur Kohlenhydrataufnahme in der Ernährung beitragen, sind im Artikel Nutzpflanzen zusammengestellt.

Systematik

Nach ihrer Funktion im Organismus kann man die Kohlenhydrate in Strukturkohlenhydrate und Nicht-Strukturkohlenhydrate unterteilen:

  • Nicht-Strukturkohlenhydrate sind u.a. Rohrzucker (Saccharose) sowie das Polysaccharid Stärke. Diese Zucker dienen dem Energiegewinn oder sind Speicherstoffe.
  • Strukturkohlenhydrate sind am Aufbau der pflanzlichen Zellwand beteiligt und stellen einen Großteil des Fasermaterials der Pflanzen dar: Zellulose, Hemizellulose, u. a.

Strukturkohlenhydrate können von Säugern mit einhöhligem Magen nur bedingt verdaut werden, hingegen weitgehend oder vollständig von Wiederkäuern (Ruminantia), Kamelartigen (Camelidae) (diese sind ebenfalls Wiederkäuer, allerdings nicht im systematischen Sinne, da sich bei ihnen das Wiederkäuen unabhängig entwickelt hat) und Pferdeartigen (Equidae).

Die Einteilung nach chemischer Struktur ist im Absatz "Liste der Kohlenhydrate" dargestellt.

Liste wichtiger Kohlenhydrate

Chemie

Kohlenhydrate sind Hydroxyaldehyde oder Hydroxyketone sowie davon abgeleitete Verbindungen, haben in ihrer offenkettigen Form also neben mindestens zwei Hydroxylgruppen auch mindestens eine Aldehydgruppe oder Ketogruppe. Handelt es sich um ein Hydroxyaldehyd (Carbonylgruppe an einem terminalen C-Atom (Aldehyd)), so spricht man von einer Aldose, handelt es sich um ein Hydroxyketon (Carbonylgruppe an einem internen C-Atom (Ketone)), dann bezeichnet man den Zucker als Ketose. Die Carbonylfunktion ist eine hochreaktive funktionelle Gruppe: Zu nennen sind hier besonders die leichte Oxidierbarkeit zur Carbonsäure, die Reduktion zum Alkohol und der leichte nukleophile Angriff am Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe.

  • Durch Oxidationsmittel werden Kohlenhydrate zu Aldonsäuren oxidiert. Dies gilt unter basischen Bedingungen nicht nur für die Aldosen, sondern auch für die Ketosen, die durch die Base in einer komplexen Reaktion umgelagert werden (dabei wird die im Zuge der Keto-Enol-Tautomerie auftretende Aldose-Form stabilisiert). Beim Nachweis durch das Fehling-Reagenz wird ein blauer Cu(II)-Weinsäure-Komplex zu unlöslichem, roten Cu(I)oxid reduziert.
  • Wird die Carbonylfunktion zur Hydroxygruppe reduziert, erhält man ein sogenanntes Alditol.
  • Durch intramolekularen nukleophilen Angriff einer der Hydroxygruppen auf das Carbonylkohlenstoffatom bildet sich ein zyklisches Halbacetal, welches energetisch meist sehr günstig ist. Hierbei werden überwiegend Sechsringe (pyranose Form) gebildet, die eine sehr niedrige Ringspannung aufweisen, es entstehen aber auch in geringerem Maße Fünfringe (furanose Form). Andere Ringgrößen treten nicht auf, da sie eine zu hohe Ringspannung aufweisen. Es entsteht ferner ein neues Chiralitätszentrum. Die beiden resultierenden Diastereomere werden mit α und β bezeichnet. In wässriger Lösung bilden α- und β-pyranose und -furanose Form eine Gleichgewichtsreaktion miteinander und mit der offenkettigen Form. Eine wässrige Lösung von reiner α-Glukopyranose wird daher nach einiger Zeit zu einer Gleichgewichtsmischung aus α- und β-Glucopyranose und -furanose (38 % α-Glcp, 62 % β-Glcp, 0 % α-Glcf, 0,14 % β-Glcf, 0,002 % offenkettig). Die hierbei messbare Veränderung des Drehwertes wird als Mutarotation bezeichnet.
(*) Während aliphatische Aldehyde bereits von Luftsauerstoff allmählich zur Carbonsäure oxidiert werden, sind Kohlenhydrate durch die Acetalbildung erheblich unempfindlicher, was zweifelsohne für eine so wichtige Biomolekülklasse von enormer Bedeutung ist.
  • Von zentraler Bedeutung in der Kohlenhydratchemie ist ferner die glykosidische Bindung. Das hierbei gebildete zyklische Vollacetal eines Zuckers bezeichnet man als Glykosid.
  • Mit Aminen (z. B. in Aminosäuren, Proteinen) reagiert der offenkettige Aldehyd des Kohlenhydrates über ein Imin reversibel zum Amadori-Produkt, welches wiederum ebenfalls mit Amin(osäur)en kondensieren kann und sich irreversibel umlagert:
R-NH2 + OHC-CH(OH)-R´ \;\overrightarrow{\leftarrow}\; R-N=CH-CH(OH)-R´ (Imin) \;\overrightarrow{\leftarrow}\; R-NH-CH2-C(O)-R´ (Amadori-Produkt) \rightarrowUmlagerungsprodukte
Diese nichtenzymatische Reaktion erfolgt im Organismus mit Aminosäuren und Eiweißen relativ häufig und ist einer der zentralen Vorgänge beim Altern (z. B. Altersflecken), da die Reaktionsprodukte vom Körper nicht abgebaut werden können. Ferner spielt sie eine wichtige Rolle bei der thermischen Zubereitung von Lebensmitteln, z. B. beim Braten und Kochen. Es kommt zu der typischen Bräunung, da sich konjugierte Ringsysteme bilden, die farbig sind. Diese Produkte der sogenannten Maillard-Reaktion sind auch für den Geschmack zubereiteter Lebensmittel entscheidend.

Chemiker, die bei der Erforschung der Kohlenhydrate mitgewirkt haben

  • Emil Fischer (1852-1919)
  • Burckhardt Helferich (1887-1982)
  • Bernhard Tollens (1841-1918)
  • Walter Norman Haworth (1883-1950)
  • Wilhelm Koenigs (1856-1906)
  • Eduard Knorr (1867–1926)

Quellen

  1. *Renner R, Elcombe AM. Metabolic effects of feeding "carbohydrate-free" diets to chicks. J Nutr 1967;93:31–6
  2. *http://www.ajcn.org/cgi/content/full/75/5/951-a

Literatur

  • Thisbe K. Lindhorst: Struktur und Funktion von Kohlenhydraten. Chemie in unserer Zeit 34, 2000, 1, S. 38 - 52. ISSN 0009-2851
  • Thomas K. Ritter, Chi-Huey Wong: Kohlenhydrate in der Antibiotikaforschung - ein neuer Ansatz zur Resistenzbekämpfung. Angewandte Chemie 113, 2001,19, S. 3616 - 3641. ISSN 0044-8249
  • Jochen Lehmann: Kohlenhydrate. Chemie und Biologie. Thieme, Stuttgart-New York 1996, 2001 (2. Aufl.) ISBN 3-13-532902-X
  • Structure and Catalysis. In Lehninger AL, Nelson DL, Cox MM (eds): Principles of Biochemistry. New York, Worth Publishers; 1993:252-252.
  • Zubay GL, Parson WW, Vance DE. Principles of Biochemistry. 1st ed. Dubuque, IA: Wm. C. Brown; 1995.
  • Macdonald I. Carbohydrates. In Shils ME, Olson JA, Shike M (eds): Modern Nutrition in Health and Disease. Malvern, Lea and Febiger; 1994:36-44.
  • British Society for Allergy and Environmental Medicine, British Society for Nutritional Medicine. Effective nutritional medicine: The application of nutrition to major health problems. Journal of Nutritional & Environmental Medicine, 1996;6:191-232.
  • Alton G, Hasilik M, Niehues R, et al. Direct utilization of mannose for mammalian glycoprotein biosynthesis. Glycobiology. 1998;8:285-295.
  • Berger V, Perier S, Pachiaudi C, Normand S, Louisot P, Martin A. Dietary specific sugars for serum protein enzymatic glycosylation in man. Metabolism. 1998;47:1499-1503.
  • Martin A, Rambal C, Berger V, Perier S, Louisot P. Availability of specific sugars for glycoconjugate biosynthesis: a need for further investigations in man. Biochimie. 1998;80:75-86.
  • Freeze HH. Disorders in protein glycosylation and potential therapy: tip of an iceberg? J Pediatr. 1998;133:593-600.
 
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