Zuviel des Guten: Warum es manchmal besser ist, die Immunantwort zu bremsen

18.07.2014 - Deutschland

Unser Immunsystem bekämpft Krankheitserreger und hilft uns beispielsweise, eine Grippeinfektion durchzustehen. Dabei schießt es jedoch manchmal über das Ziel hinaus und schädigt körpereigenes Gewebe. Das verschlimmert den Krankheitsverlauf. In PLOS ONE berichten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), dass eine Aktivierung des Moleküls ICOS auf Immunzellen das Ausmaß der Lungenschäden während der Infektion begrenzt. Denkbar ist, dass auf diese Weise der Verlauf einer Grippeerkrankung gemildert werden kann.

Zumindest für dieses Jahr ist die Grippesaison ist vorbei. Die klassischen Grippesymptome Fieber, Schmerzen und Müdigkeit gehören für die meisten erst einmal der Vergangenheit an. Für die Infektionsforscher am HZI in Braunschweig kein Grund, Pause zu machen. Schließlich führen durch Influenzaviren der Gruppe A hervorgerufene Grippeinfektionen immer wieder zu Epidemien und Pandemien mit hoher Sterblichkeit insbesondere von Säuglingen und älteren Menschen.

Prof. Dunja Bruder, die Arbeitsgruppen am HZI sowie am Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg leitet, untersucht mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern, wie der Krankheitsverlauf bei Grippepatienten gemildert werden könnte. Ein Problem ist dabei die Schädigung des Lungengewebes. „Die Gewebeschäden, zu denen es bei der Grippe kommt, werden nicht nur durch die Viren selbst verursacht. Auch das Immunsystem, das die Eindringlinge bekämpft, trägt dazu bei. Es verfügt über sehr effektive Mittel, Krankheitserreger zu bekämpfen, zerstört dabei aber leider auch eigenes Gewebe“, sagt Bruder. „Uns hat deshalb interessiert, wie wir diese Begleitschäden verhindern können, ohne gleichzeitig die Virusabwehr zu unterdrücken.“

Dazu konzentrierten sich die Forscher auf eine bestimmte Gruppe von Immunzellen, die sogenannten T-Zellen. Einige von ihnen, die zytotoxischen T-Zellen, vernichten virusbefallene Zellen, greifen dabei aber auch automatisch eigenes Gewebe an und rufen Entzündungen hervor. Damit diese Zellen auf Virusjagd gehen, müssen sie vollständig angeschaltet werden, wofür ein Molekül namens „Inducible Co-stimulator“, oder kurz ICOS, sorgt. Es sitzt auf der Oberfläche der bereits vorstimulierten T-Zellen und verstärkt ihre Aktivierung, wenn es auf seinen speziellen Bindepartner stößt. Dieser befindet sich auf anderen Immunzellen, denen die T-Zellen in Lymphknoten begegnen. Im Labor simulierten die Forscher dieses Ereignis, indem sie mit Influenzaviren infizierte Mäuse gezielt mit einem dem Bindepartner ähnelnden Faktor behandelten. Mit überraschendem Ergebnis: „Wenn wir ICOS auf T-Zellen künstlich aktivieren, beobachten wir weniger Schäden im Lungengewebe“, sagt HZI-Wissenschaftlerin Dr. Priya Sakthivel. „Normalerweise lockt die Influenzainfektion viele Immunzellen, darunter T-Zellen, in die Lunge. In den behandelten Mäusen finden wir jedoch weniger davon im Lungengewebe. Wir haben erste Anzeichen gefunden, dass durch die Behandlung viele zytotoxische T-Zellen absterben.“ Dadurch gehen die Schäden zurück, die das Immunsystem selbst verursacht.

Dazu trägt auch eine weitere Gruppe von T-Zellen bei, die sogenannten regulatorischen T-Zellen. Sie verhindern, dass eine Immunreaktion außer Kontrolle gerät. Auch sie haben auf ihrer Oberfläche das ICOS-Molekül. Wird es aktiviert, vermehren sich diese T-Zellen und hemmen Entzündungsprozesse. Insgesamt beobachteten die Forscher also weniger zytotoxische T-Zellen und mehr regulatorische T-Zellen. Durch diese Verschiebung des Gleichgewichts nimmt die Lungenentzündung einen milderen Verlauf und dauert dabei nur unwesentlich länger. „Die Verbesserungen treten in der Phase auf, in der die Gewebeschäden am stärksten sind“, sagt Bruder. Denkbar ist, dass zukünftig bei Patienten ICOS aktiviert werden könnte, um sie vor einem besonders schlimmen Verlauf einer Influenzainfektion mit schmerzhaften Gewebeschäden zu bewahren.

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