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Stromunfall



Als Stromunfall, Elektrounfall oder auch Elektrischer Schlag wird eine Verletzung durch die Einwirkung von elektrischem Strom bezeichnet.

Das Ausmaß der Schädigung wird dabei durch mehrere Faktoren bestimmt. Neben der Höhe der elektrischen Spannung, der Stromdichte und der Stromstärke spielt dabei eine Rolle, ob es sich um Wechselstrom oder Gleichstrom handelt und wie lange und über welchen Weg die Person (bzw. das Tier) vom elektrischen Strom durchflossen wird. Weiterhin ist die Hautbeschaffenheit an der Kontaktfläche von entscheidendem Einfluss, da beispielsweise eine schwielige und trockene Haut dem Stromfluss einen wesentlich höheren Widerstand als eine dünne und feuchte Haut entgegensetzt.

 

Inhaltsverzeichnis

Definition nach DDR-Standard TGL

„Ein elektrischer Schlag ist die pathophysiologische Wirkung des elektrischen Stromes auf Menschen oder Tiere während der elektrischen Durchströmung ihrer Körper.“

TGL 200-0602/01:1982-05

Einzelne Faktoren

Stromart

An der Skelettmuskulatur werden durch Wechselstrom schon ab einer Stärke von 10 mA Kontraktionen ausgelöst, die aufgrund der stärkeren Ausbildung der Beugemuskeln (Flexoren) gegenüber den Streckmuskeln zu einem „Festhalten“ an der Stromquelle und damit zu einer längeren Einwirkzeit führen können. Ab 30-50 mA kann im Bereich des Brustkorbs eine Kontraktur, das heißt Anspannung der Atemmuskulatur und des Zwerchfells auftreten und damit ein Atemstillstand für die Dauer des Stromflusses. Dieser kann auch erfolgen, wenn der Stromfluss das Atemzentrum im Stammhirn in Mitleidenschaft zieht.[1]

Wechselstrom kann schon bei einer Stromstärke von 75 mA zum Tode durch Kammerflimmern führen, da bei der in Deutschland und anderen europäischen Staaten üblichen Frequenz von 50 Hz Wechselstrom 100 mal pro Sekunde die Möglichkeit vorfindet, auf die empfindliche Phase des Herzmuskels einzuwirken. Die Verdopplung ergibt sich durch den Umstand, dass sowohl die positive als auch negative Halbwelle des Wechselstromes biologisch wirkt.

Bei Unfällen mit Gleichstrom können demgegenüber noch Stromstärken von 300 mA überlebt werden.[2]

Der konkrete Wert des elektrischen Stromes ergibt sich allerdings erst als eine Folge eines elektrischen Widerstandes, welcher in diesem Fall vom menschlichen bzw. tierischen Körper gebildet wird, nicht konstant ist und von verschiedenen Parametern abhängig ist. Denn in Praxis ist es fast immer der Wert der elektrischen Spannung welcher von außen vorgegeben ist, da es sich bei Anlagen zur elektrischen Energieversorgung immer um sogenannte Spannungsquellen handelt. Der elektrische Strom stellt sich dann in Abhängigkeit vom Körperwiderstand und jener Spannung auf einen bestimmten Wert ein, ist also bei unbekannten Widerstand nicht bekannt. Trotzdem wird meist die Höhe der elektrischen Spannung als Kriterium für die Klassifizierung der Gefährlichkeit genommen, da der Körperwiderstand sich nur in bestimmten Bereichen bewegen kann und der Wert der konkret wirkenden Spannung meist bekannt ist.

Spannung

Bei Niederspannung führt Wechselstrom zu ausgeprägteren Schäden als Gleichstrom, bei Hochspannung ist dies umgekehrt. Die Grenze zwischen Hoch- und Niederspannung wird meist bei 1.000 Volt angesetzt, für den klinischen Alltag wird aus praktischen Gründen jedoch oft ein Grenzwert von 500 Volt herangezogen (womit Elektrounfälle zum Beispiel im U-Bahn-Bereich zu Hochspannungsunfällen werden, da diese sich klinisch von den Unfallfolgen durch Haushaltsstrom unterscheiden.)

Ein Unfall durch Hochspannung bewirkt demgegenüber hauptsächlich eine thermische Schädigung des Gewebes und äußert sich damit vor allem als Verbrennungskrankheit. Dies deswegen, weil die dabei wirkenden Stromstärken ein Vielfaches derer bei Niederspannungsunfällen betragen und der Lichtbogen sehr heiß ist. Beispielsweise fliesst bei Berührung (Annäherung) an eine Hochspannungsleitung mit 30 kV und einem angenommenen Körperwiderstand von 5 kOhm kurzzeitig ein Strom von etwa 6 A durch den Körper und es tritt eine thermische Impulsleistung von rund 180 kW auf. Durch diese hohe Leistung kommt es zu einer fast schlagartigen Verdampfung von wasserhaltigem Gewebe im Bereich des Stromeintritt- bzw. Stromaustrittpunktes mit der Folge entsprechend massiver Verbrennungen.

Die Einwirkzeiten liegen bei Hochspannungsunfällen im Bereich einiger weniger Millisekunden und damit um mehrere Zehnerpotenzen unter den Einwirkzeiten bei Niederspannungsunfällen, die bis in den Sekundenbereich reichen können. Die kurzen Einwirkzeiten bei Hochspannungsunfällen ergeben sich aus der Tatsache, dass meist kein direkter Leiterkontakt besteht und somit die Möglichkeit entfällt, sich am elektrischen Leiter festzuhalten. Bei hochspannungsführenden Leitern erfolgt bereits vor der Berührung ein elektrischer Überschlag durch die Luft.

Außerdem kommt es bei manchen Unfällen mit Hochspannung ablaufbedingt zu einer Trennung des Stromkreises über den Körper, beispielsweise bei elektrischen Eisenbahnen und deren Oberleitung, wo die betreffenden Personen auf das Dach von Eisenbahnwaggons klettern, in die Nähe der 15 kV führenden Oberleitung geraten und durch den elektrischen Schlag stürzen. Unter Umständen fällt die Person auch von dem Waggon herunter. In diesem Fall wird der Stromkreis durch den Körper durch das Zusammenfallen unmittelbar unterbrochen. Bei kurzen Einwirkzeiten besteht für Unfallopfer eine relativ große Wahrscheinlichkeit, Hochspannungsunfälle zu überleben.

Widerstand

Hier sind der elektrische Widerstand an der Stromeintrittstelle (Haut), der Körperinnenwiderstand (der Widerstand, den die einzelnen Körpergewebe für sich und in ihrer Gesamtheit dem Stromfluss entgegensetzen) und der Übergangswiderstand entscheidend. Letzterer wird oft durch die Beschaffenheit der Standfläche (bzw. von Schuhwerk und Bodenverhältnissen) definiert.

Als Richtwert kann man den Körperwiderstand im Bereich von 2 kOhm bis 3 kOhm annehmen. Das gilt für einen Erwachsenen mit trockener Haut und einem Stromweg zum Beispiel von der rechten Hand zum linken oder rechten Fuß.

Bei feuchter (verschwitzter) Haut, bei grossflächiger Berührung, bei dünner Haut (beispielsweise bei Säuglingen), bei kürzeren Wegen ist dieser Wert deutlich geringer.

Häufigkeit

In Deutschland sterben jährlich etwa 200 Personen an den Folgen von Elektrounfällen, wobei 20 Prozent durch Hoch- und 80 Prozent durch Niederspannung verursacht werden. Etwa 30 Prozent der Hoch- und 3 Prozent der Niederspannungsunfälle führen zum Tod.[1]

Das Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE) in Köln sammelt seit Jahrzehnten statistische Daten zu Elektrounfällen in Deutschland, die aufgrund der großen Datenmengen auch Aussagen über die Todeshäufigkeit zulassen. In der folgenden Tabelle sind Unfalldaten über einen unspezifizierten Zeitbereich von mehreren Jahrzehnten zusammengefasst. Die Daten umfassen nur Stromunfälle im Niederspannungsbereich von 130 V bis 400 V mit 50 Hz Wechselspannung, bei denen von einer minimalen Durchströmungsdauer von 300 ms ausgegangen werden kann.

Stromweg Unfälle gesamt davon tödlich Rel. Verteilung insgesamt (in Prozent) Rel. Verteilung tödlich (in Prozent) Letalität (in Prozent)
Hand-Hand 2891 82 77,3 48,5 2,84
Hand-Fuß 349 19 9,2 11,2 5,44
Hand-Füße, Hände-Fuß 294 18 7,7 10,7 6,12
Hände-Füße 106 20 2,8 11,8 18,67
Verkürzte Stromwege Oberkörper
(wie Hand-Brust, oder Brust-Rücken)
108 30 3,0 17,8 27,78
Insgesamt 3748 169 100 100 4,51

Aus Tierversuchen mit Schweinen zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Herzkammerflimmern und der Ermittlung von Vergleichsfaktoren, um die gemessen Daten auf den Menschen übertragen zu können, wurden von einer Forschergruppe um J. Jacobson folgende Wahrscheinlichkeiten bei Wechselströmen mit 50 Hz, Einwirkdauer von 75 Prozent der Herzpulsperiode und bei Längsdurchströmung (rechtes Ohr zur linken Kniefalte) bei 15 kg bis 25 kg schweren Schweinen ermittelt:[3]

  Flimmerwahrscheinlichkeit
  1 Prozent 5 Prozent 50 Prozent 95 Prozent
Strom-Effektivwert (in A) 0,63 0,79 1,50 2,80

Zur Übertragung dieser Stromwerte auf die Verhältnisse beim Menschen (rechter Arm zum linken Fuß) wurde ein Korrekturfaktor von 2,8 ermittelt. Das heißt, die Effektivwerte für den Strom in der Tabelle müssen mit 2,8 multipliziert werden. Konservativ (mit einem Sicherheitsfaktor) wird dieser Korrekturfaktor nur mit 1,5 angenommen.

Gefahrenquellen

Verbreitete Ursachen für einen elektrischen Schlag sind:

  • Defekte elektrische Geräte bzw. elektrische Leitungen und menschliche Fehler im Umgang damit (zum Beispiel Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit)
  • Beschädigungen von Überland- und Freileitungen durch Unwetter und Sturm
  • Berührung von Überland- und Freileitungen durch Sportflieger oder mit Spielzeugdrachen
  • Blitzschlag
  • Unfachmännischer Eingriff in die bestehende Elektroinstallation
  • Brände in Hochspannungsanlagen (auch elektrischen Bahnen), die von Laien mit ungeeigneten Löschmitteln bekämpft werden
  • Unfälle an elektrisch betriebenen Anlagen oder Geräten
  • Falsche Absprachen über das Freischalten von Anlagen und Leitungen
  • Kontakt mit einer Elektroschockpistole (Taser)

Spezielle Organschäden

  Die Folgen des Elektrounfalls sind abhängig von der Empfindlichkeit der einzelnen Gewebe.

Elektrischer Strom geht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Somit spielen die unterschiedlichen Widerstände der einzelnen Gewebe im menschlichen Körper eine entscheidende Rolle. Den niedrigsten Widerstand weist das Nervengewebe auf. In aufsteigender Reihenfolge folgen Arterien, Muskeln, Haut, Sehnen, Fettgewebe und Knochen.[1] Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Nervengewebes am größten, gefolgt von den Arterien, Muskeln usw.

Die Symptome sind:

  • Brandverletzungen an den Ein- und Austrittstellen des Stroms
  • Lähmung der Muskulatur der Extremitäten und des Herzens durch den Stromfluss
  • Gasbildung im Blut durch die Elektrolyse des Blutes
  • Knochenbrüche durch ein schlagartiges Verkrampfen der Muskeln
  • Knochenbrüche und Frakturen als Sekundärverletzungen (beispielsweise als Folge eines durch einen elektrischen Schlag herbeigeführten Sturzes)

Maßnahmen

Generell ist das Schema der Rettungskette der Ersten Hilfe auch hier zu beachten und bei Hilfeleistungen unbedingt auf Eigenschutz zu achten. Hierbei ist unter anderem wichtig:

  • Zur Rettung des Verletzten zuerst Spannungsfreiheit der Anlage sicherstellen. Anlagen und Geräte müssen mit dem Not-Aus-Taster oder der Sicherung von der Stromversorgung getrennt werden. Das bloße Abschalten des Gerätes oder der Leitung stellt die Spannungsfreiheit nicht sicher.
  • Freiliegende, stromführende Kabel mit Hilfe nichtleitender Gegenstände (Besenstiel aus Holz) vom Verletzten wegziehen.
  • Bei Hochspannung großen Sicherheitsabstand einhalten, da ansonsten die Gefahr einer Lichtbogenbildung besteht.
  • Außenstehende warnen, damit keine stromführenden Teile berührt werden (Absperrungen einrichten).

Bei bewusstlosen Patienten ist nach dem Abschalten der Stromversorgung die Sicherstellung von Atmung und Herz-Kreislauffunktion vorrangig. Gegebenenfalls ist die sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung einzuleiten. Geschultes Rettungspersonal führt bei Kammerflimmern eine Defibrillation durch. Falls verfügbar, kommt ein öffentlich zugänglicher Laiendefibrillator zur Anwendung.

Bei ansprechbaren Patienten sind Brandverletzungen zu kühlen und mit einer keimarmen, nicht flusenden Wundauflage abzudecken. Der Patient sollte auch bei völligem Wohlbefinden bis zum Ausschluss einer Herzschädigung nicht unbeaufsichtigt bleiben. Erforderlich ist hierzu immer ein 12-Kanal-Elektrokardiogramm. Daher erfolgt in der Regel durch den alarmierten Rettungsdienst ein Transport in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Falls Veränderungen im Elektrokardiogramm nachweisbar sind, ein Hochspannungsunfall vorlag oder besondere Risikofaktoren bestehen, wird dort eine mehrstündige Beobachtung mit EKG-Monitoring durchgeführt.

Die weiteren Maßnahmen richten sich nach der Schwere der Verbrennungen. Durch die Wärmewirkung des elektrischen Stromes kommt es zum Flüssigkeitsverlust im Körper. Ebenso kann es durch die Verkohlung des betroffenen Gewebes (Nekrose) zur Entstehung von Giftstoffen führen. Die Gefahr einer Sepsis mit Todesfolge droht durch bakterielle Infektion der geschädigten Organe. Um eine Schädigung der Nieren zu mindern, ist es notwendig den Flüssigkeitsverlust durch intravenöse Volumengabe, zum Beispiel Natriumchlorid-Infusionslösung, auszugleichen.

Quellen

  1. a b c Akutversorgung von Elektrounfällen
  2. Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin, Jour-fixe 1/05: Moderation: Univ.-Prof. Dr. Norbert Watzinger
  3. J.Jacobson, S. Buntenkötter: Beitrag zur Übertragbarkeit der Gefährdung durch elektrische Ströme vom Modelltier Schwein auf den Menschen: Deutsche Tierärztliche Wochenschrift, 81. Jg. (1974), H.9, S. 214–220

Literatur

  • Gottfried Biegelmeier: Wirkungen des elektrischen Stroms auf Menschen und Nutztiere. Lehrbuch der Elektropathologie. VDE-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-80071452-3
  • DIN IEC/TS 60479-1 (VDE 0140-479-1):2007-05 Wirkungen des elektrischen Stromes auf Menschen und Nutztiere -Teil 1: Allgemeine Aspekte (IEC/TS 60479-1: 2005 + Corrigendum Oktober 2006). VDE-Verlag, Berlin
  • DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2007-03 Schutz gegen elektrischen Schlag - Gemeinsame Anforderungen für Anlagen und Betriebsmittel (IEC 61140: 2001 + A1: 2004, modifiziert); Deutsche Fassung EN 61140: 2002 + A1: 2006. VDE-Verlag, Berlin
  • DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2007-06 Errichten von Niederspannungsanlagen -Teil 4-41: Schutzmaßnahmen -Schutz gegen elektrischen Schlag (IEC 60364-4-41:2005, modifiziert); Deutsche Übernahme HD 60364-4-41: 2007. VDE-Verlag, Berlin
  • Werner Hörmann, Heinz Nienhaus, Bernd Schröder: Schnelleinstieg in die neue DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2007-06 - Schutz gegen elektrischen Schlag. VDE-Schriftenreihe Band 140, VDE-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-8007-3002-5

Siehe auch

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