Myrte schaltet „Anstandsdame“ in Krebszellen aus

Pharmazeuten haben herausgefunden, wie genau der Wirkstoff der Myrte den Krebs aufhält

26.05.2017 - Deutschland

Die „Gemeine Myrte“ gilt als eher unscheinbares Gewächs, das vor allem im Mittelmeerraum weit verbreitet ist. In der Antike kam sie bei der Verehrung der Göttin Aphrodite zum Einsatz, heute wird sie als Gewürz sowie in der Likörherstellung verwendet.

Anne Günther/FSU

Die Myrte ist nicht nur ein schönes Fotomotiv, der Naturstoff kann sogar Krebszellen bekämpfen. Pharmazeuten der Uni Jena haben nun herausgefunden, wie der Wirkstoff den Krebs aufhält.

Nach und nach jedoch enthüllen Wissenschaftler, was noch alles in der buschigen Pflanze steckt. So schrieben sie dem Wirkstoff Myrtucommulon, der aus den Blättern des Myrtestrauches gewonnen wird, vor einigen Jahren bereits eine antibakterielle, entzündungshemmende und antioxidative Wirkung zu. Sogar Krebszellen kann der Naturstoff in relativ niedriger Konzentration bekämpfen und geht dabei äußerst selektiv vor: Er greift, etwa bei Leukämie, nur die Krebszellen an, verschont aber alle anderen weißen Blutzellen. Nun haben Pharmazeuten der Friedrich-Schiller-Universität Jena herausgefunden, wie genau der Wirkstoff den Krebs aufhält – und ganz nebenbei wichtige biologische Abläufe innerhalb einer Krebszelle aufgedeckt.

Wo der Wirkstoff genau andockt

Bisher wussten die Forscher, dass Myrtucommulon die Mitochondrien einer Krebszelle attackiert. Da sich Tumorzellen sehr schnell verbreiten, sind sie auf die Energie dieser „Zellkraftwerke“ besonders angewiesen. Liegt eine Störung vor, gerät das Krebswachstum ins Stocken. Gemeinsam mit Kollegen von der Universität Saarbrücken und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben die Experten der Universität Jena nun herausgefunden, wo der Wirkstoff genau andockt. „Um gezielt das Protein in den Mitochondrien einer Leukämiezelle herauszugreifen, das mit dem Wirkstoff interagiert, haben wir genau genommen einfach danach gefischt“, erklärt Prof. Dr. Oliver Werz von der Universität Jena, der vor allem mit seiner Mitarbeiterin Katja Wiechmann an dem Projekt gearbeitet hat. „Dazu haben wir uns eine Angel mit Myrtucommulon als Köder gebaut, an dem nur das entsprechende Protein-Gegenstück anbeißen kann.“ Zwar hafteten nach dem Versuch mehrere Proteine an der Angel, aber nur eines direkt am Köder, alle anderen eher an der Schnur oder der als Rute dienenden Matrix.

Nach einigen Analysen konnten die Wissenschaftler schließlich das passende Puzzleteil identifizieren: Es handelt sich um das Hitzeschockprotein Hsp60, das zu den sogenannten Chaperon-Proteinen gehört. Benannt sind sie nach dem französischen Wort für „Anstandsdame“ – ein Hinweis auf die Funktion von Hsp60: „Diese besonderen Chaperone schützen bestimmte Proteine der Mitochondrien und verhindern so deren Inaktivierung durch Zellstress“, erklärt Werz. „Schaltet man sie aus, kann das ganze Zellkraftwerk lahmgelegt werden.“

Wen die „Anstandsdame“ bewacht

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler während ihrer Untersuchungen sogar die beiden Proteine genau bestimmen, die von der „Anstandsdame“ bewacht werden. „Wir wussten, dass diese beiden Proteine das Tumorwachstum fördern, dass sie aber von Hsp60 geschützt werden, war bisher nicht bekannt. Somit haben wir während des Projektes zum einen den Bindungspartner des Myrtucommulons identifizieren können und somit wertvolle Informationen über die Wirkungsweise dieser Substanz erfahren. Zum anderen haben wir neue Erkenntnisse über die biologischen Prozesse innerhalb einer Tumorzelle gewonnen“, resümiert der Jenaer Pharmazeut. „Bei Letzterem diente uns der Naturstoff aus der Myrte als sehr hilfreiches chemisches Werkzeug.“

Für die Zukunft gilt es nun, das Myrtucommulon weiter zu erforschen und es noch effizienter zu machen. Möglicherweise könnte es dann sogar als Arzneistoff gegen Leukämie und andere Krebsarten eingesetzt werden.

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