Freiburger Wissenschaftler entdecken molekularen Schalter von Entzündungsreaktionen

09.02.2006

Das Gebiet der Angiogeneseforschung gehört seit 1990 zu den am schnellsten wachsenden Disziplinen der biomedizinischen Grundlagenforschung. Das ungestörte Wachstum von Blutgefäßen ist Voraussetzung für die Embryonalentwicklung; im Erwachsenen wird es essentiell mit dem Wachstum von Tumoren assoziiert. In jüngster Zeit zeigt sich zunehmend, dass die gleichen Moleküle, die im Embryo und in Tumoren das Wachstum von Blutgefäßen steuern, im erwachsenen Organismus wichtige Funktionen bei der Aufrechterhaltung der normalen Gefäßfunktion wahrnehmen. Wissenschaftler der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg haben jetzt in Zusammenarbeit mit mehreren Arbeitsgruppen in Deutschland und in den USA das Molekül Angiopoietin-2 als einen wichtigen, von den Zellen der Blutgefäßwand selbst gebildeten molekularen Schalter identifiziert, der die Reaktionsfähigkeit von Blutgefäßen auf äußere Reize, wie beispielsweise entzündliche Reaktionen, kontrolliert.

Angiopoietin-2 (Ang-2) gehört zur Familie der Angiopoietin Wachstumsfaktoren. Angiopoietin-1 (Ang-1) bindet an den Rezeptor Tie-2 auf der Oberfläche von Gefäßwandzellen (Endothelzellen). Die Aktivierung von Tie-2 durch Ang-1 ist für die dauerhafte Stabilisierung von Blutgefäßen erforderlich. Angiopoietin-2 (Ang-2) ist der funktionelle Antagonist der Ang-1/Tie-2 Wechselwirkung. Die Bindung von Ang-2 an den Rezeptor Tie-2 führt zur Destabilisierung von Blutgefäßen, wodurch diese empfänglich für äußere Reize werden. Vor zwei Jahren hatten die Wissenschaftler der Klinik für Tumorbiologie um Dr. Ulrike Fiedler beobachtet, dass der Inhibitor der dauerhaften Ang-1/Tie-2-vermittelten Gefäßstabilisierung, Ang-2, von Endothelzellen selbst gebildet und in diesen gespeichert wird. Diese Speicherung von Ang-2 in Endothelzellen legte die Vermutung nahe, dass gespeichertes Ang-2 in der Lage ist, nach Freisetzung schnelle Anpassungsreaktionen des Blutgefäßsystems zu steuern.

Dieser Hypothese sind die Forscher in einer wissenschaftlichen Arbeit nachgegangen: Sie konnten zeigen, dass Mäuse, denen das Ang-2 Gen fehlt, keine schnellen entzündlichen Reaktionen initiieren können. Dabei sind die Zellen der Gefäßwand nicht in der Lage, auf einen Entzündungsreiz das Repertoire an Adhäsionsmolekülen auf ihrer Oberfläche zu präsentieren, das zum Andocken von Entzündungszellen erforderlich ist. Die Bedeutung dieser Entdeckung liegt damit vor allem in der Erkenntnis, dass Ang-2 in der Hierarchie der Entzündungskaskade hoch angesiedelt ist und einen molekularen Schalter der Gefäßwand darstellt, mit dem die Zellen der Gefäßwand ihre Reaktionsfähigkeit auf äußere Reize steuern. Die Ergebnisse der Untersuchungen haben erhebliche Bedeutung für eine ganze Reihe von Erkrankungen, die mit entzündlichen Reaktionen der Gefäßwand einhergehen. Darüber hinausgehend vermuten die Wissenschaftler eine Beteiligung von Ang-2 bei anderen krankhaften Gefäßveränderungen wie Blutgerinnung, Arteriosklerose und der mit dem Wachstum von Tumoren einhergehenden Blutgefäßbildung. Ebenso wie die Erforschung von Angiopoietin-2 als möglichen therapeutischen Angriffspunkt für verschiedene Erkrankungen sind diese Arbeitshypothesen Gegenstand laufender weiterführender Untersuchungen.

Originalveröffentlichung: U. Fiedler, Y. Reiss, M. Scharpfenecker, V. Grunow, S. Koidl, G. Thurston, N. W. Gale, M. Witzenrath, S. Rosseau, N. Suttorp, A. Sobke, M. Herrmann, K. T. Preissner, P. Vajkoczy, H. G. Augustin; "Angiopoietin-2 sensitizes endothelial cells to TNF? and has a crucial role in the induction of inflammation."; Nature Medicine 2006.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Kampf gegen Krebs: Neueste Entwicklungen und Fortschritte