Nobelpreis an zwei US-Forscher für die Enträtselung des Geruchssinns

05.10.2004

Stockholm (dpa) - Für die Enträtselung des Geruchssinns erhalten zwei US-Forscher den Medizin-Nobelpreis 2004. Rund 10 000 Gerüche kann der Mensch unterscheiden und sich an viele erinnern - vom Pflaumenkuchen bis zum Angstschweiß. Richard Axel (58) und Linda Buck (57) hätten erstmals die genaue Funktionsweise dieses Sinnes beschrieben, begründete das Karolinska Institut am Montag in Stockholm seine Wahl. Die beiden Forscher entdeckten beim Menschen mehr als 1000 Riech-Gene, insgesamt drei Prozent des menschlichen Erbguts. Buck ist in der Geschichte der Medizin-Nobelpreise seit 1901 erst die siebte Frau, die diese Auszeichnung erhält.

«Sie haben einen unserer grundlegenden Sinne kartografiert. Der Geruchssinn hat Einfluss auf unser Wohlbefinden, unser Wiedererkennungsvermögen, vielleicht mehr, als wir bisher ahnen», sagte der Sekretär des Nobelkomitees Hans Jörnvall über Axel vom Howard Hughes Institute der Columbia Universität (New York) und Buck vom Fred Hutchinson Krebsforschungszentrum (Seattle). «Axel ist die große graue Eminenz, die das Fachgebiet mit allen Vor- und Nachteilen dominiert», betonte Prof. Hans Hatt von der Ruhr-Universität Bochum als führender deutscher Forscher auf dem Gebiet der Neurophysiologie des Riechens.

Jedes der entdeckten Gene liefert die Bauanleitung für einen speziellen Geruchsrezeptor. Über diese Rezeptoren gelangen die Geruchssignale durch die Nasenschleimhaut in die jeweils zuständigen Zellknäuel (Glomeruli olfactorii) im Riechkolben. In diesen Schaltstellen werden gleichartige Signale gesammelt, an die jeweils passende Nervenzelle und schließlich an die Hirnrinde weitergegeben. Dort entsteht aus der Kombination der Geruchseindrücke dann das spezifische und immer wieder abzurufende Geruchsmuster - wie eine Art Patchwork-Decke.

Auf diese Art können Menschen sich ihr Leben lang an einen von Oma gebackenen Geburtstagskuchen, den Duft von Flieder oder den Gestank verdorbener Muscheln erinnern. Da das Riechen für den Menschen jedoch nicht mehr den überlebenswichtigen Charakter hat wie zu Urzeiten, sind mittlerweile nur noch etwa 350 Rezeptoren aktiv.

Während Fische nur etwa 100 Geruchsrezeptoren haben, machten der gebürtige New Yorker Axel und die aus Seattle stammende Buck ihre Versuche mit Mäusen, die ähnlich wie Menschen rund 1000 Gene dafür besitzen. Für seine Alma Mater in New York ist Axel als Pionier der Molekularbiologie seit Jahrzehnten unbezahlbar: Seine Patente brachten bislang rund 325 Millionen Euro in die Kassen der Hochschule.

Axel, der einige seiner Forschungsergebnisse nicht in Fachjournalen, sondern «lässig» in populärwissenschaftlichen Blättern wie dem «Scientific American» publizierte, habe bereits seit einiger Zeit auf den Nobelpreis gewartet, meint Hatt. Die Geruchsforscherin Buck beschrieb er als sehr menschlich, offen und als nachts arbeitenden Workaholic. «Und sie ist keine Gegnerin von Parfüm.»

Hatt betonte, dass es bis heute jedoch nur fünf Gene gebe, zu denen der zugehörige Duft bekannt sei. Seine Bochumer Arbeitsgruppe hatte entdeckt, dass es Riechrezeptoren auch in Spermien gibt. Neue Ergebnisse sollen in Kürze publiziert werden: «Männer, die Maiglöckchen nicht riechen können, sind demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit unfruchtbar», sagte Hatt.

Axel und Buck erhielten sowohl zusammen als auch getrennt bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter 2003 den Internationalen Preis der Gairdner Foundation für Leistungen in den Neurowissenschaften. Der Nobelpreis für Medizin ist in diesem Jahr mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro (10 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Er wird traditionell am 10. Dezember in Stockholm überreicht, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Zur erst siebten Zuerkennung der Medizin-Auszeichnung an eine Frau sagte Jörnvall: «Wir waren mit fünf Frauen seit 1983 im Vergleich zu den anderen Nobelpreisen schon ziemlich tüchtig.» Das Komitee habe bei der Suche nach den Preisträgern in keiner Weise «primär nach Geschlecht, Alter oder so etwas geguckt». In der «Nobelversammlung» des Karolinska Instituts, die alljährlich über die Vergabe entscheidet, sind von 50 Mitgliedern 4 Frauen.

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