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Suizid



Der Suizid (von neulateinisch suicidium aus Suffix -cidium „Tötung“ und sui „sich“; gr. autocheiria) ist das willentliche Beenden des eigenen Lebens, sei es durch beabsichtigtes Handeln oder absichtliches Unterlassen, z. B. lebenswichtige Medikamente, Nahrungsmittel oder Flüssigkeit nicht mehr zu sich zu nehmen.

Mit dem Suizid befassen sich Wissenschaften wie die Psychiatrie, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft. Daneben gibt es praktische Ansätze zur Suizidverhütung und zur Betreuung derjenigen, die einen Suizidversuch überlebt haben, wie auch der Angehörigen von Suizidenten.

Inhaltsverzeichnis

Sprachliches

Bei der Bezeichnung dieses Geschehens kommt unvermeidbar immer auch seine Bewertung zum Ausdruck (sachlich, religiös, juristisch, medizinisch, philosophisch und vielleicht noch mehr). Welches Wort „richtig“ ist, hängt immer auch davon ab, wie der Sprechende das Geschehen bewertet oder welche Bewertung er beim Hörer erwartet.

Selbsttötung

Diese Bezeichnung bringt nur zum Ausdruck, dass jemand sich selbst getötet hat. Eine Wertung nach irgendwelchen Kategorien unterbleibt. Auch in der Umgangssprache wird auf Wertung verzichtet, wenn der Sprechende nur das Verfahren nennt: N. hat sich aufgehängt, ist ins Wasser gegangen, hat den Gashahn aufgedreht, hat sich vor den Zug geworfen und dergleichen. Der Begriff Selbsttötung verwischt allerdings auch den Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Freitod

Diese Bezeichnung geht davon aus, dass der gemeinte Mensch seinen Tod frei gewählt hat, dass er zu eigener Entscheidung im Stande war und auch das Recht dazu hatte. Verbale Ausdrucksweisen: N. hat seinem Leben ein Ende gesetzt, hat sich die Kugel gegeben, saloppe Untertreibung z. B. „Kleist hat sich verabschiedet.“

Selbstmord

Das Stammwort Mord erfasst ursprünglich nur die Bedeutung . In germanischen Sprachen wurde die Bedeutung bald eingeengt auf . Damit war die sittliche Wertung einbezogen, nämlich die einer verwerflichen Handlung. Dieses gilt auch oder erst recht gegen den Mord an sich selbst (Martin Luther: „sein selbs mörder“, 1527). Daraus ergibt sich die tabuisierende und kriminalisierende Mitbedeutung, die sich in der Alltagssprache durchgesetzt hat. Sie steht im Widerspruch zur Tatsache, dass das Selbstbestimmungsrecht auch den Suizid umfasst.

Suizid

In der wissenschaftlichen Fachsprache und im beruflichen Umgang mit den Betroffenen werden meist die Wörter Suizid und Suizident sowie suizidieren bevorzugt. Aus medizinischer Sicht ist der Betroffene ein Patient und sein Wunsch zu sterben ist nicht die Krankheit, sondern Symptom der Krankheit.

Formen und Problematik der Freiwilligkeit

Die Bezeichnung Freitod enthält den Gedanken der freien Wahl zwischen Leben und Tod, ein Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Menschen. Meistens wird von den Menschen, die einen Suizid beabsichtigen, der eigene Tod jedoch als der einzig mögliche Ausweg gesehen. Die Entscheidungsfreiheit einer suizidalen Person ist in der Regel stark eingeschränkt. Daher wird die Bezeichnung Freitod ebenfalls von vielen Wissenschaftlern abgelehnt. Dem ließe sich indessen entgegenhalten, dass die Freiheit der Entscheidung für den eigenen Tod im tieferen Sinne nicht mehr und nicht weniger problematisch sei als die Freiheit jeder anderen Entscheidung auch, sich somit die Frage, wie „frei“ ein Freitod sei, nicht losgelöst von der sowohl philosophisch als auch naturwissenschaftlich nur sehr schwer zu entscheidenden Frage des freien Willens an sich behandeln ließe. Darüber hinaus wahrt der Begriff „Freitod“ den Respekt vor den betroffenen Personen, was weder bei der Verwendung des Begriffes „Selbstmord“, noch bei den modischen Pathologisierungen des Phänomens der Fall ist.

Aus Sicht der Medizin ist der Suizid in vielen Fällen das Symptom einer Depression oder einer verwandten psychischen Störung wie z. B. der bipolaren Störung, anderer schwerer Krankheiten oder Behinderungen, die der betroffene Mensch nicht mehr länger aushalten möchte. Einigkeit besteht, dass durch eine erhöhte diagnostische Bemühung dieser Personenkreis besser, aber nicht vollständig geschützt werden könnte. Suizide aus anderen Gründen (z. B. als Konsequenz eines „Gesichtsverlustes“ oder einer Lebenskrise) sind zahlenmäßig seltener. Mit der Alterung von Gesellschaften nimmt zahlenmäßig auch die Selbsttötung Älterer im Vergleich zu anderen Altersgruppen zu.

Teilweise wird der Suizid als letzter Ausweg eines Menschen aus einem Leben angesehen, das von körperlichem Schmerz und Leiden bestimmt ist, welche sich mit den Mitteln der Medizin nicht lindern lassen. Die Sterbehilfe durch fremde Hand wird international kontrovers diskutiert und juristisch geregelt (Euthanasie). In der Geriatrie und Altenpflege wird sie im Zusammenhang mit den Begriffen „künstliche Ernährung“ bzw. „Nahrungsverweigerung“ immer wieder thematisiert.

In selteneren Fällen geht einem Suizid die Tötung Dritter (meist Partner und Kinder) voraus; in diesen Fällen spricht man oft von einem erweiterten Suizid. Dieser Begriff ist jedoch umstritten, da die Tötung anderer kein Suizid ist. Auch der Amoklauf mit abschließender Selbsttötung ist als spezieller Fall eines „erweiterten“ Suizids zu sehen, bei dem oft auch zufällige, dem Täter nicht bekannte Menschen betroffen sind.

Ebenfalls vergleichsweise selten ist der Suizid in Form der Selbstopferung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Kamikaze) oder einer Sache dienlich zu sein aufgrund eines echten oder vermeintlichen Mangels an Alternativen („Selbstmordattentäter“). Wo genau die Grenze zum selbstgefährdenden oder auch zum selbstverletzenden Verhalten liegt, ist teilweise schwer auszumachen: So handeln viele Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung bei riskanten Autofahrten latent suizidal, aber auch das durchaus nicht seltene Befolgen militärischer, riskanter Befehle in eine nahezu aussichtslose Lage hinein, z. B. in Form von so genannten Himmelfahrtskommandos, kann geradezu suizidal sein.

Statistik

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es weltweit etwa eine Million Suizide pro Jahr gibt und dass 10 bis 20 Mal so viele Suizidversuche scheitern. Die Länder mit der höchsten Suizidrate sind Litauen, Russland, Weißrussland, Lettland, Ukraine, Ungarn, Sri Lanka, Slowenien, Kasachstan, Estland, Japan und Finnland (WHO-Statistik).

In der Europäischen Union begehen nach einer Meldung der EU-Kommission aus dem Jahr 2005 jährlich 58.000 Menschen Suizid, wobei die meisten dieser Fälle von Personen begangen werden, die an Depressionen leiden. An anderen Todesursachen führt dieselbe Meldung jährlich 50.700 Verkehrstote und 5.350 Opfer von Gewaltverbrechen an.

Deutschland

Im Durchschnitt sterben in Deutschland jährlich zwischen 11.000 und 12.000 Menschen durch Suizid (etwa 14 je 100.000 Einwohner), wobei zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Diese Zahl entspricht ca. 1,3 Prozent aller Todesfälle und übersteigt damit die Anzahl der Verkehrstoten (5.362 Todesopfer im Jahr 2005) bei weitem. In der Altersgruppe der 15- bis 35-Jährigen ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache (nach dem Unfalltod). Allerdings ist die verbreitete Annahme, dass Suizid in dieser Altersgruppe besonders häufig verübt wird, ein Trugschluss: Suizid ist in dieser Altersklasse neben Mord und Unfall aufgrund der weniger häufigen Krankheiten die nahezu einzig mögliche Todesursache.

Die Zahl ernsthafter Suizidversuche liegt bei ca. 100.000 bis 150.000 (auch hier sind genaue Erkenntnisse aufgrund der hohen Dunkelziffern schwierig), also um den Faktor 10 bis 15 über der der ausgeführten Suizide. Mit anderen Worten: Etwa jeder zehnte Suizidversuch geht tödlich aus. Die Zahl der Suizidversuche ist bei Frauen etwas höher als bei Männern (131 gegenüber 108 Versuche je 100.000 Einwohner [1]).

Die Zahl erfolgreicher Suizidversuche ist jedoch bei Männern deutlich höher als bei Frauen mit weiter steigender Tendenz: Drei Viertel aller erfolgreichen Suizide werden von Männern begangen. Von den 10.733 Suiziden im Jahr 2004 in Deutschland wurden 7939 (74 %) von Männern und 2794 von Frauen begangen. Die Suizidrate von Ärzten ist bis zu 3,4-mal höher als die anderer Bürger, bei Ärztinnen ist die Rate sogar um bis zu 5,7-mal erhöht [2].

Im Jahr 1982 lag die Suizidhäufigkeit in der Bundesrepublik bei 30 je 100.000 Einwohner, in der DDR bei 44[3]. Forscher führen dies jedoch weniger auf die Gesellschaftsordnung, sondern eher darauf zurück, dass das Territorium der DDR hauptsächlich Gebiete wie Sachsen und Mecklenburg umfasste, die schon im Deutschen Reich erhöhte Suizidraten aufwiesen[4]. In der Folgezeit ging diese Häufigkeit jedoch zurück und liegt heute für Männer bei 20 und für Frauen bei 7[5]. Die Zahl der Suizidversuche stieg in den letzten Jahren jedoch an.

Als Gründe für den Rückgang werden verbesserte fachärztliche Versorgung und Enttabuisierung psychischer Erkrankungen genannt.

Die Selbsttötungen häufen sich im höheren Alter: von weniger als fünf pro 100.000 in der Gruppe der unter 20-jährigen bis auf fast 50 pro 100.000 bei den über 70-jährigen.[6].

Von den 11.150 Suiziden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 wurden folgende Todesarten erfasst:

  • Erhängen/Ersticken 5538 (50 %)
  • Sturz in die Tiefe 1100 (20 %)
  • Vergiftung durch Medikamente 940 (12%)
  • Erschießen 572 (8 %)
  • Sich vor den Zug oder vor Autos werfen 556 (5 %)
  • Abgase ins Auto leiten 216 (5 %)

Quelle: Statistisches Bundesamt

Österreich

Österreich gilt traditionell als ein Land mit hohen Suizidraten, was aber nur bedingt zutrifft. In der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939 gab es in Österreich zwischen 30 und 40 Suizide je 100.000 Einwohner. Für die Jahre 1940 bis 1945 liegen keine Daten vor. Im Jahr 1945 wurde wiederum mit 60 Selbsttötungen je 100.000 Einwohner (absolut: 4.500) eine außergewöhnlich hohe Suizidrate verzeichnet.

Die Suizidraten nach 1945 schwanken zwischen 20 und 30 Selbsttötungen je 100.000 Einwohner, absolut von 1.500 bis über 2.000 Suiziden pro Jahr. Aufgrund dieser Zahlen gilt Österreich im internationalen Vergleich als ein Land mit mittlerer (10–20) bis hoher (über 20) Suizidrate. Zwischen 1945 und 1986 kam es zu einem leichten Anstieg der Rate von 20 auf 28 Selbsttötungen je 100.000 Einwohner. Danach war die Zahl rückläufig und fiel 1999 auf rund 19 Suizide je 100.000 Einwohner. Die Suizidraten sind regional höchst unterschiedlich, während sie z. B. in Wien seit 1986 zurückgehen, steigen sie in Tirol und Oberösterreich seit 1991 an.

Die Selbsttötungsrate von Männern ist in Österreich doppelt so hoch wie die von Frauen und steigt mit zunehmendem Alter. Während Buben bis zum 15. Lebensjahr eine Suizidrate von 2 haben, haben gleichaltrige Mädchen eine Suizidrate von 1. Mit 85 Lebensjahren beträgt die Suizidrate bei Männern jedoch 120, bei Frauen dagegen nur 33. Die Suizidraten von Männern über 85 sind wie in Deutschland besonders hoch, ihre Rate liegt 140 % über jener der 60- bis 64-jährigen.

Die Zahl der Suizidversuche kann wegen der schwierigen Datenerhebung nur geschätzt werden. Hochrechnungen haben eine Zahl von rund 25.000 bis 30.000 Suizidversuchen pro Jahr ergeben. Dabei handelt es sich vorwiegend um Vergiftungen (v. a. mit Alkohol) und Medikamentenüberdosierungen.

Die häufigste Suizidmethode bei Männern und Frauen in Österreich ist das Erhängen. Rund 40 der Suizide von Frauen werden durch Erhängen begangen, 25 durch Vergiften und 14 % durch Sturz aus der Höhe. Bei Männern erhängen sich fast 50 der Suizidenten, ungefähr 20 % erschießen sich und rund 10 % vergiften sich.

(Quelle: Österreichischer Psychiatriebericht 2001)

Schweiz

Jährlich sterben in der Schweiz zwischen 1.300 und 1.400 Menschen durch Suizid (ca. 1.000 Männer und 400 Frauen). Dies entspricht knapp vier suizidbedingten Todesfällen pro Tag oder einer Suizidrate von 19,1 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Damit gehört die Schweiz nach Russland, Ungarn, Slowenien, Finnland und Kroatien zu den Ländern mit überdurchschnittlich hoher Suizidrate, wobei wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen, weshalb die Suizidrate in der Schweiz im Vergleich zum benachbarten Ausland so hoch ist.

(Quelle: Bundesamt für Gesundheit – 15. April 2005, Suizid und Suizidprävention in der Schweiz – Bericht in Erfüllung des Postulates Widmer (02.3251))

Methoden

Ausgewählte Suizidmethoden in der Schweiz, 1969-2000:

  • Erhängen 25 %
  • Schusswaffen 24 %
  • Vergiftung durch feste oder flüssige Substanzen 14 %
  • Herunterstürzen 10 %
  • Ertrinken 9 %
  • Überfahrenlassen durch Zug 7 %
  • Vergiftung durch Gase 6 %
  • Schneiden, Stechen 2 %

(Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuenburg)

Ursachen

Allgemeine Ursachen

Die relativ häufigste Ursache für einen Suizid bzw. Suizidversuch wird in diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen gesehen. Ein hoher Prozentsatz aller Suizide in westlichen Gesellschaften werden hierauf zurückgeführt. Da die Diagnose häufig erst nach einem erfolgreichen Suizid als Verdachtsdiagnose gestellt wird, ist diese Einteilung zumindest fragwürdig, da zur Diagnose nur die Suizidhandlung an sich und die Beschreibungen von Angehörigen herangezogen werden können. Letztere sind unter Umständen unvollständig, fehlerhaft oder unwichtigen Begebenheiten wird im Nachhinein eine unangemessene Bedeutung beigemessen (Recall Bias), beispielsweise haben die Angehörigen das Gefühl, dass der Verstorbene sich „merkwürdig“ verhalten habe, obwohl sie das Verhalten zu dem betreffenden Zeitpunkt als normal empfunden hatten. Andere Studien betrachten nur Patienten mit bereits bekannter psychiatrischer Krankheit und zeigen ebenfalls einen hohen Anteil von psychisch Kranken an den Suiziden, tendenziell wird dieser hier sogar unterschätzt, weil viele psychiatrische Erkrankungen nicht diagnostiziert werden. Suizid kommt demnach gehäuft vor bei allen Psychosen, vor allem aber bei Depressionen und manisch-depressiven Erkrankungen (bipolaren Störungen).

Suchterkrankungen und chronische Schmerzen spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle, haben aber auch fließende Übergänge zur Depression. Denn Suizid auslösende Faktoren können dann zwar Lebenskrisen wie die Trennung vom Partner, Versagensängste oder der wirtschaftliche Ruin sein – als alleiniger Hintergrund eines Suizids kommt dies aber nur in ca. 5 bis 10 % der Fälle vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sowohl eine innere wie eine äußere Ursache für eine Depression besteht, d. h. ein für Depressionen anfälliger Patient wird durch seine Lebensumstände depressiv.

Laut einem Artikel von Spiegel Online hat der Psychologe Richard Seiden von der Berkeley-Universität 515 Fälle von Menschen untersucht, die gehindert wurden, in suizidaler Absicht von Brücken zu springen. Dabei stellte sich heraus, dass nur sechs Prozent sich später auf andere Weise das Leben nahmen. Gemäss der französischen Wikipedia (Zugriff 15.12.2007) machen 75% der Personen, die einen Suizidversuch überlebten, innert 2 Jahren wiederum einen Versuch.

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben geht davon aus, dass es in Deutschland zahlreiche Patientensuizide gibt. Zum Teil sieht sie es als Aufgabe, individuell und gesellschaftlich dafür Unterstützung zu leisten. Ethisch wird darüber unterschiedlich geurteilt.

Sonderfall Alters-Suizid

Menschen über dem 60. Lebensjahr (Senioren) sind die einzige Personengruppe, in der die verschiedenen Formen der Selbsttötung zahlenmäßig zugenommen haben. Eine besondere Form ist dabei die Selbstaufgabe bei befürchteter oder tatsächlicher schwerer Erkrankung. Die Nahrungsaufnahme wird reduziert oder ganz aufgegeben. Für Angehörige und Pflegende entsteht dabei oft eine ethische Konfliktsituation. Depression als Ursache für Suizidgedanken ist in jeder Altersstufe, also auch bei Hochaltrigen, mit ungefähr gleich guten Erfolgsaussichten (Prognose) behandelbar. Anzunehmen ist auch, dass bei älteren Personen die Bewertung der eigenen Lebensbilanz eine wichtige Rolle als Suizidmotiv spielt. Es gibt dazu den Ausdruck Bilanzsuizid.

Sonderfall Doppelsuizid

  • Heinrich von Kleist tötete am 21. November 1811 am kleinen Wannsee bei Berlin auf deren Wunsch erst Henriette Vogel und dann sich selbst.
  • Hans Fallada, bürgerlich Rudolf Ditzen verabredete 1911 in Rudolstadt mit seinem Freund Hanns Dietrich von Necker den gemeinsamen Freitod. Die Freunde tarnten das Vorhaben als Duell. Von Necker starb, Ditzen überlebte schwer verletzt, wurde strafrechtlich belangt und medizinisch behandelt, blieb bis zum Lebensende 1947 psychisch labil und drogenabhängig.
  • Steglitzer Schülertragödie 1927 in Berlin-Steglitz: Verabredete Tötung und Selbsttötung wegen komplizierter Beziehungsprobleme mit vier jugendlichen Beteiligten. Zwei Menschen starben, einer führte die versprochene Tat nicht aus, überlebte, trat später unter dem neuen Namen Ernst Erich Noth als Schriftsteller und Wissenschaftler hervor und lebte bis 1983.

Sonderfall Massensuizid

Siehe Massenselbsttötung.

Sonderfall erweiterter Suizid

Als "erweiterter Suizid" werden Fälle bezeichnet, in denen z. B. ein Familienvater vor seinem Suizid auch seine Frau und seine Kinder getötet hat, und zwar, anders als beim Doppelsuizid, ohne deren Zustimmung. Man kann diesen Begriff vom „erweiterten Ich“ (nicht zu verwechseln mit dem Über-Ich) herleiten. Oftmals geht der Täter in seinem fehlgeleiteten Beschützerinstinkt davon aus, dass die subjektiv wahrgenommene Ausweglosigkeit ebenso für den Ehepartner und/oder die Kinder gelte. In dieser Verwirrung entsteht das Motiv, die Familie vor weiterem Schaden zu schützen. Der erweiterte Suizid gilt als sehr selten, dennoch sind die Einzelfälle meist besonders tragisch.

Suizidprävention

Oft wird ein Suizid vorher angekündigt. Darüberhinaus gibt es einige Zeichen, die einem Suizid vorausgehen können. Erwin Ringel führte für drei solche Symptome (Einengung des Denkens, Aggressionshemmung bzw. Aggressionsumkehr und Suizidfantasien) den Begriff präsuizidales Syndrom ein.

Psychologen vertreten den Standpunkt, dass solche Ankündigungen und Warnzeichen ernst zu nehmen sind und der Betroffene beim Verdacht einer Suizidalität offen darauf angesprochen werden sollte. Sie argumentieren, dass Menschen, die einen Suizid begehen wollen, meist niemanden finden, mit dem sie über diese Gedanken sprechen könnten. Ein zentraler Punkt der Prophylaxe bestehe deshalb darin, Menschen zu helfen über ihre Probleme und Suizidgedanken zu reden, um nicht in eine noch stärkere Isolation zu geraten. Aus diesem Gedanken heraus entstand in den 1950er Jahren die Telefonseelsorge als Einrichtung der Suizidprävention.

Personen, die einen Suizidversuch durchgeführt haben, werden in der Regel wegen ihrer Verletzungen oder Vergiftungen in ein Krankenhaus eingewiesen. Meist werden sie dort nach der körperlichen Genesung auf einer geschlossenen psychiatrischen Station überwacht, bis sie glaubhaft machen können, dass keine Suizidgefährdung mehr besteht. Betont ein Patient, auch weiterhin einen Suizid begehen zu wollen, wird er in eine Psychiatrie zwangseingewiesen. Diese Praxis wird von einigen mit Hinweis auf das Recht auf einen selbstbestimmten Tod und Zweifeln am Erfolg einer Unterbringung kritisiert. Befürworter solcher Maßnahmen sehen die bei suizidalen Patienten sehr häufig vorliegende behandlungsbedürftige Depression als Ausschlusskriterium für die Möglichkeit eines selbstbestimmten Todes. Ob sie im Einzelfall auch tatsächlich vorliegt, wird gelegentlich erst im Zirkelschluss durch den Selbsttötungsversuch „diagnostiziert“: „Ein gesunder Mensch würde nicht versuchen, sich umzubringen, also muss er psychisch krank sein“.

Das „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ untersuchte 2001-02, ob eine Aufklärungs- und Fortbildungskampagne über die Depression Suizide und Suizidversuche verhindern kann. Auf vier sich ergänzenden Interventionsebenen wurden Hausärzte geschult, eine professionelle PR-Kampagne gestaltet, Multiplikatoren wie Lehrer, Pfarrer und Pflegepersonal angesprochen und weitergebildet sowie Hilfsmaßnahmen und Informationsmaterialien für Betroffene und Angehörige angeboten. Nach zwei Jahren Intervention (2001 und 2002) ging die Gesamtzahl der Suizide und Suizidversuche im Vergleich zum Kontrolljahr 2000 und zur Kontrollregion Würzburg signifikant um 24 % zurück. Für Suizide allein war kein statistisch signifikanter Nachweis möglich, da die untersuchte Region und damit die Zahl der Suizide zu klein war und die zufälligen jährlichen Schwankungen zu stark.

Der österreichische Psychologe Erwin Ringel untersuchte Methoden, Suizide zu verhindern, und gründete 1948 das erste Selbsttötungsverhütungszentrum. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) bietet Hintergrundinformationen zum gesamten Themenfeld Suizid: Prävention, Forschung, Praxishinweise, Literatur, Hilfeeinrichtungen usw. Im Dezember 2002 gründete die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention eine Initiativgruppe für ein Nationales Suizidpräventionsprogramm für Deutschland. Im Rahmen dieser Initiativgruppe arbeiten mittlerweile über 70 Organisationen und fast 200 Experten mit. Die Initiative versteht Suizidprävention nicht nur als gesundheitspolitische, sondern auch als eine gesellschaftliche Aufgabe.

Im Jahr 2003 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals der 10. September als Welt-Suizid-Präventionstag ausgerufen. Mit diesem jährlichen Aktionstag soll in der Öffentlichkeit auf dieses Tabuthema aufmerksam gemacht werden, da Suizide nach Auffassung der WHO eines der größten Gesundheitsprobleme der Gegenwart darstellen.

Viele Suizidversuche, die nicht tödlich enden, führen zu schweren, dauerhaften körperlichen Schäden. Wie die Organisation Dignitas betont, könnten Suizidversuche durch eine umfassende Aufklärung über Suizidmethoden und Konsequenzen des Scheiterns vermieden werden. Gruppen, die Suizid als unmoralisch ansehen, stellen sich gegen eine solche Aufklärung.

Nach Angaben des Arbeitskreises Leben ist das Geschlechterverhältnis der hilfesuchenden Suizidgefährdeten umgekehrt zu dem der erfolgreichen Suizide: Während etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Suizide von Männern begangen werden, seien zwei Drittel der Hilfesuchenden Frauen.

Suizid in Weltanschauungen

Die Frage der moralischen Zulässigkeit des Suizids wird kulturell sehr unterschiedlich betrachtet. Während westliche Gesellschaften den Suizid lange Zeit als unmoralisch und entehrend betrachteten, galt er in anderen Gesellschaften gerade als Methode, eine verlorene Ehre wiederherzustellen (siehe hierzu z. B. Seppuku).

Ansichten zum Suizid in der Antike

Der griechische Philosoph Hegesias (3. Jahrhundert v. Chr.), der den Spitznamen Peisithanatos („der zum Tode überredet“) führte, betonte in seinen aus seiner pessimistischen Lebensauffassung gespeisten Vorträgen das Elend der menschlichen Existenz. Er schrieb dem Einzelnen das Recht zu, sich umzubringen. Das menschliche Leben habe an sich keinen besonderen moralischen Wert. Seine Ausführungen erwiesen sich dabei als derart überzeugend, dass seine Vorträge in Ägypten verboten wurden, weil sich viele Zuhörer das Leben nahmen.

Aristoteles hingegen, einer der bedeutendsten Vertreter der griechischen Philosophie, verweist darauf, dass die Selbsttötung als Flucht vor Schmerzen ein Ausdruck von Feigheit sei und distanzierte sich in mehreren seiner Werke von dieser damals gängigen Praxis. Somit ist es kaum angebracht, der Antike eine einheitliche Stellung zum Suizid zuzuweisen.

Zu Zeiten des römisches Kaiserreichs galt es als ehrenvoll, sich in ausweglosen Situationen ins Schwert zu stürzen (siehe Varus, Nero). Ältere Vorbilder hierfür finden sich etwa in der Figur des Ajax in der Ilias. In der Oberschicht galt auch zuweilen das Sprichwort „Das Leben ist wie ein Theaterstück, das man vorzeitig verlässt, wenn es langweilt oder nicht mehr gefällt.“ Für Seneca konnte der Freitod je nach den Umständen Ausdruck sittlicher Freiheit und Verantwortung sein.

Ansichten zum Suizid im Judentum

Der Schöpfer der Welt ist derjenige, der das Leben gibt und wieder nimmt. Vor dem 20. Jahrhundert wurden deshalb in Deutschland jene, die sich das Leben genommen hatten, wie Schwerkriminelle an besonderen Orten von Friedhöfen beerdigt, so zum Beispiel an der Friedhofsmauer. Danach setzte sich im 20. Jahrhundert die Praxis durch, den Suizid als Auswirkung einer psychischen Krankheit oder eines Extremzustands tiefster Verzweiflung zu betrachten, und es wurde normal beerdigt - jedenfalls die Platzierung des Grabes betreffend.

Im Staat Israel werden jene, die sich auf Masada im Altertum lieber töteten, als den Römern in die Hände zu fallen, eher verehrt als verurteilt.

Ansichten zum Suizid im Christentum

In der Bibel wird der Suizid nirgends ausdrücklich verboten, und die christliche Lehre bezog lange Zeit keine eindeutige Stellung zum Suizid. Der Kirchenvater Augustinus (354–430) verurteilte als erster in seinem Werk „De civitate Dei“ den Suizid als Übel. Er war der Meinung, dass das Gebot Du sollst nicht töten! auch auf sich selbst anzuwenden sei. Später verurteilte die Kirche den Suizid als Selbstmord kategorisch als Sünde. Lange Zeit verweigerte die Kirche Suizidopfern die Bestattung in „geheiligter Erde“ auf Friedhöfen und ein kirchliches Begräbnis.

Ein wichtiges Argument des Katholizismus gegen Suizid ist, dass das Leben an sich Gott gehört und so die Herrschaft Gottes verletzt werden würde. Eng verwandt damit ist die Ansicht, dass menschliches Leben heilig und einzigartig ist und alle Anstrengungen unternommen werden müssen, es zu schützen. Ein berühmtes Gegenargument brachte David Hume, der anmerkte, dass es auch falsch sein müsse, einen natürlichen Tod hinauszuzögern, wenn es falsch ist, das natürliche Leben zu beenden, da dies Gottes Wille widerspräche. In der Praxis zog die Selbsttötung bis ins frühe 19. Jahrhundert eine diskriminierende Behandlung der Leiche nach sich, z. B. Verscharren in ungeweihter Erde, das so genannte Eselsbegräbnis.

Demgegenüber verwies Paul Moor in „Die Zeit“, Ausgabe 19/1969, darauf, dass die Bibel Selbsttötung nicht ausdrücklich verurteile, wie die Beispiele von Saul (1. Samuel 31,4), Abimelech (Richter 9,54) oder Samson / Simson (Richter 16,30) zeigten; wirklich zutreffend ist dies allerdings nur für das letztgenannte Beispiel. Demgegenüber erscheint der Suizid des Judas Ischariot (Matthäus 27,5) in negativem Licht.

Ansichten zum Suizid im Islam

Im Islam ist Suizid verboten, einigen Hadith zufolge werden Menschen, die sich töten, die Aufnahme ins Paradies verweigert, und es droht ihnen ein „ewiges Höllenfeuer“. Denn im Auge der Moslems ist Allah der Schöpfer der Welt und damit derjenige, der das Leben gibt und auch wieder nimmt. Eine Selbsttötung ist demnach eine schwerwiegende Sünde (Sure 4,29).

In jüngster Zeit jedoch rekrutieren extremistische islamistische Organisationen „Selbstmordattentäter“ oftmals mit dem Hinweis, dass ein Suizid, der die „Feinde des Glaubens“ ins Verderben reißt, somit eine erweiterte Selbsttötung auf direktem Weg ins Paradies führe.

Ansichten zum Suizid im Buddhismus

Im Buddhismus ist der Suizid zwar nicht verboten oder geächtet, aber aus dem Verständnis des Reinkarnations-Glaubens heraus unsinnig, da davon ausgegangen wird, dass man in genau die gleichen Qualen neu hineingeboren wird, aus denen man mit dem Suizid fliehen wollte.

Werden beispielsweise hilflose Kinder zurückgelassen, wird man als noch schlimmeres Wesen oder in ein noch schlimmeres Schicksal hineingeboren. Die Beihilfe zum Suizid ist eindeutig verwerflich und führt unweigerlich zu schlechtem Karma mit all seinen Folgen.

Nur in sehr seltenen Extremfällen kann ein Suizid positiv bewertet werden, wenn beispielsweise durch den Suizid eines Menschen eine größere Menge von Menschen gerettet wird. Eine altruistische Motivation vorausgesetzt, würde gemäß dem buddhistischen Verständnis von Karma und Reinkarnation diese seltene Form des Suizids zu einer guten Wiedergeburt führen. (J. Lehmann hat in seinem Buch Buddha, Fischer Taschenbuch Verlag, 1983, ISBN 3-596-26548-7, auf den Seiten 114 f. ein solches Beispiel gegeben: Da wirft sich ein Hase ins Feuer, um einem hungrigen Brahmanen als Wegzehrung zu dienen.)

Ansichten zum Suizid in der westlichen Gesellschaft

Bei Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben, oder bei alten oder schwerkranken Menschen werden Suizidgedanken und Suizid in der Regel als verständlich angesehen. Ausführlich begründet dies unter anderem Fritz Mauthner in seinem Wörterbuch der Philosophie. Das Recht, einen unabwendbaren langen Leidensprozess zu beenden, wird in verschiedenen Ländern durch die Gesetzgebung unterschiedlich unterstützt. Dies erregte in einigen Ländern eine Debatte um die gesetzliche Zulässigkeit aktiver und passiver Sterbehilfe.

Ansichten zum Suizid in anderen Kulturen

In anderen Kulturen kann die rituelle Selbsttötung gesellschaftlich akzeptiert sein. Zu nennen wären hier das japanische Seppuku oder das indische Sati. Auch bei den Maya in ihrer klassischen Periode war die Göttin Ixthab für diejenigen Krieger zuständig, die nach dem Verlust ihrer Ehre von ihr mit einem Seil in einen der dreizehn Himmel gezogen werden.

Schwieriger zu beurteilen ist die Rolle des Suizids bei den Suruahà im Amazonas-Gebiet. Cunahá, ein Gift zum Töten von Fischen, das aus bestimmten Lianenwurzeln gewonnen wird, nehmen die Stammesmitglieder auch irgendwann nach dem 12. Lebensjahr zu schamanistischen Zwecken zu sich. Dies endet dann tödlich, wenn die Wurzel nicht schnell genug wieder ausgespien wird. Es gibt auf der anderen Seite kein Wort für „Suizid“ bei den Suruahá.

Forschungsgeschichte

Psychotherapie mit Hilfe eines Dekretes - Wie die Selbsttötungsepidemie der Jungfrauen von Milet gestoppt wurde.

„Plutarch berichtet bereits von einem ähnlichen, hochinteressanten Vorfall. In der kleinasiatischen Stadt Milet war eine Selbstmordepidemie unter jungen Frauen ausgebrochen. Dem Rate eines weisen Mannes folgend, erließen die Behörden ein Dekret, wonach die nackten Körper dieser Frauen auf dem Marktplatz auszustellen waren. Aufgrund dieser Entscheidung hörte die Epidemie praktisch über Nacht auf. Sie sehen also wieder: vom konstruktivistischen Gesichtspunkt her handelt es sich eigentlich um eine Umdeutung. Und der Erfolg war fast unmittelbar.“ [7]

Der Soziologe Émile Durkheim hat 1897 mit seinem Werk über den Suizid (Le suicide) die sozialen Zusammenhänge der Selbsttötung auf empirischer Grundlage analysiert. Er unterscheidet zwischen dem egoistischen, dem altruistischen, dem anomischen und dem fatalistischen Suizid. In jedem Falle ist nach Durkheim eine soziale Desintegration eigentliche Ursache.

Tausende von Texten aller Art über verschiedenste Aspekte des Suizids hat 1927 Hans Rost in einer Bibliographie zusammengestellt. Die „Suizid-Bibliothek“ aus Rosts Nachlass steht heute in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, weite Teile davon sind auch auf Mikroform verfügbar (siehe Literatur).

Juristische Bewertung

Strafrecht

Deutschland

Der Suizid ist in Deutschland als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts straffrei, zumal eine Bestrafung wegen vollendeter Selbsttötung nie möglich wäre. Somit sind auch der Versuch und die Teilnahme (Beihilfe, Anstiftung) straffrei.

Die Verleitung eines Schuldunfähigen oder die „Anstiftung“ mittels einer Täuschung kann jedoch Tötung (des Suizidenten) in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) sein: Täter des Tötungsdeliktes ist dann der Einfluss nehmende Hintermann, da er das Geschehen durch sein Verhalten maßgeblich beherrscht. Ein Lehrbuchbeispiel für einen solchen Tatverlauf ist der Siriusfall.

Wer aufgrund einer Garantenpflicht verpflichtet ist (z. B. Angehörige, Ärzte etc.), eine Selbsttötung zu verhindern, kann wegen Totschlags (oder ggf. Mordes) durch Unterlassen bestraft werden, wenn er die gebotene Rettungshandlung unterlässt.

Der Gehilfe, aber auch jeder nur rein zufällige Zeuge des Geschehens kann ferner, wenn er keine Hilfe leistet, nachdem der Suizident die Tatherrschaft verloren hat (z. B. weil er bewusstlos ist), wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323 c StGB bestraft werden. In der Vergangenheit wurde nämlich vom Bundesgerichtshof die Meinung vertreten, dass das Auffinden eines bewusstlosen, aber noch nicht verstorbenen Suizidenten einen Unglücksfall im Sinne des § 323 c StGB darstelle. Dies ist in der Strafrechtswissenschaft umstritten und wird vor allem mit dem Argument abgelehnt, dass ein frei verantwortlicher Bilanzsuizid kein Unglücksfall, sondern Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen sei. Dagegen wird vor allem eingewendet, dass hinzukommende Personen (Rettungsdienst, Notarzt, Angehörige) in dieser Situation meist nicht zuverlässig überprüfen können, ob es sich wirklich um einen frei verantwortlichen Suizid handelt. Im übrigen kann auch die gesamte Situation eines Suizidalen so interpretiert werden, dass eine Hilfe grundsätzlich erforderlich ist, also bereits z. B. ein Alleinlassen einer möglicherweise suizidalen Person eine unterlassene Hilfeleistung ist.

Allerdings kann die allgemeine Hilfeleistungspflicht in Konkurrenz zu einer bestehenden Patientenverfügung und zum Selbstbestimmungsrecht treten. Sterbehilfe als Tötungsdelikt im Gegensatz Sterbebegleitung als auftragsgemäßes, palliatives Handeln des Arztes müssen auch ethischen Begründungen standhalten. Eine (ärztliche) Versorgung des Suizidenten kann sich als Körperverletzung darstellen, wenn sie nicht durch einen Notstand oder die Geschäftsführung ohne Auftrag gerechtfertigt ist (siehe auch: Arzthaftung). In der Praxis werden im Falle eines akuten Suizides in aller Regel sämtliche noch erfolgversprechenden lebensrettenden Maßnahmen durchgeführt, da das Vorhandensein oder die Wirksamkeit einer Patientenverfügung in der gebotenen Eile kaum geprüft werden können.

Österreich

Auch in Österreich ist der Suizid straffrei. Strafbar sind jedoch die Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) und die Mitwirkung am „Selbstmord“ (§ 78 StGB), die mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren geahndet werden. Tötung auf Verlangen liegt vor, wenn die Handlung, die unmittelbar den Tod eines anderen herbeiführt, auf dessen ausdrückliches und ernstliches Verlangen vom Täter selbst unternommen wird. Mitwirkung am „Selbstmord“ hat zur Voraussetzung, dass der Täter einen anderen dazu verleitet, die Handlung, die unmittelbar dessen Tod herbeiführen soll, selbst zu unternehmen, oder dass er die Unternehmung einer solchen Handlung auf irgendeine Weise ermöglicht oder erleichtert. Die Mitwirkung am „Selbstmord“ kann auch durch psychische bzw. moralische Unterstützung erfolgen.

Aktive Sterbehilfe ist in Österreich strafbar und fällt entweder unter den Tatbestand des Mordes (§ 75 StGB), der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) oder der Mitwirkung am „Selbstmord“ (§ 78 StGB). Nicht strafbar ist hingegen die „passive Sterbehilfe“, der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen beim Sterben, wenn ein Patient dies aktuell wünscht oder diesen Wunsch im Vorhinein mit einer gültigen Patientenverfügung zum Ausdruck gebracht hat. Erlaubt ist auch die „aktive indirekte Sterbehilfe“, worunter man medizinische Maßnahmen versteht, die das Leiden eines Menschen unter Einsatz aller helfenden Mittel lindern, auch wenn dadurch möglicherweise der Sterbeprozess verkürzt wird.

Ähnlich wie in Deutschland fällt selbst vorsätzliches Gewährenlassen einer Selbsttötung nur demjenigen als Beihilfe zur Selbsttötung zur Last, der von Rechts wegen zum hindernden Eingreifen besonders verpflichtet ist (z. B. Angehörige, Ärzte usw.). Wer es jedoch unterlässt, einem Verletzten die zu seiner Rettung aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten, erfüllt den Tatbestand der Unterlassung der Hilfeleistung (§ 95 StGB).

Laut OGH-Erkenntnis (OGH 14O s 158/99) fehlt es einem Unmündigen an der nötigen Reife, die ganze Tragweite seines Selbsttötungsentschlusses erfassen und sein Verhalten dieser Einsicht entsprechend steuern zu können. Mangels eines einem Unmündigen zurechenbaren ernst zu nehmenden Sterbewillens ist daher eine ihm bei der Selbsttötung geleistete Hilfe nicht als Mitwirkung am „Selbstmord“ (§ 78 StGB), sondern als Mord (§ 75 StGB) zu beurteilen.

Schweiz

Das schweizerische Bundesgericht hat in einem Urteil vom 3. November 2006 (2A.48/2006/2A.66/2006) den Suizid neu als ein Menschenrecht formuliert: «Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne von Artikel 8 EMRK (sc. Europäische Menschenrechtskonvention) gehört auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden; dies zumindest, soweit der Betroffene in der Lage ist, seinen entsprechenden Willen frei zu bilden und danach zu handeln».

Das schweizerische Strafrecht bestraft lediglich Personen, die aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Suizid verleiten oder ihm Hilfe dabei leisten, sowohl bei vollendeter Tat als auch beim Versuch, mit maximal 5 Jahren Gefängnis. Diese Formulierung ermöglicht in der Praxis eine große Grauzone für die Sterbehilfe. Damit gehört die Schweiz zu den liberalsten Ländern in dieser Hinsicht. In der Schweiz ansässige Organisationen wie Exit und Dignitas bieten ihren Mitgliedern für geringen finanziellen Aufwand Sterbehilfe an. Dies macht die Schweiz weltweit zu einem Anlaufpunkt für sogenannte „Sterbetouristen“. Es sind Bestrebungen vorhanden, die Kriterien zu verschärfen und Sterbehilfe gesetzlich anders zu regeln.

Großbritannien und Nordirland

Im Vereinigten Königreich war der Suizid bis 1961 eine Straftat.

Vereinigte Staaten

In den Vereinigten Staaten war der Suizid in zwei Staaten bis in die 1990er strafbar.


Haftungsrecht

Relevant, gerade bei Suizidversuchen, kann auch die Frage der Haftung für entstandene Schäden sein. Ein Suizid kann unter Umständen erhebliche Sachschäden verursachen, aber auch seelische Schäden bei unbeteiligten Dritten, die zur Durchführung der Tat missbraucht wurden (z. B. Fahrpersonal der Bahn). Allerdings kann auch ein verhinderter Suizid erhebliche Kostenfolgen für den Betroffenen, für Versicherungen und den Staat haben (z. B. wegen Invalidität).

Umstritten ist die Frage, inwieweit einem Suizidant der Schaden zugerechnet werden kann: Einige Autoren nehmen an, dass er sich in einem „geistig umnachteten“ Zustand befände, wodurch sich eine Schuldfähigkeit nicht ergebe. Allerdings ist diese Annahme sicherlich nicht immer gerechtfertigt und muss im Einzelfall durch Gutachten geprüft werden.

Versicherungsrecht

Ein Suizid steht der Auszahlung der Lebensversicherung nach deutschem Recht grundsätzlich entgegen (§ 169 VVG). Eine Ausnahme kann sich nur ergeben, wenn die Tat im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen worden ist. Die Versicherer sind hierdurch insbesondere gegenüber Personen abgesichert, deren Selbsttötungsabsicht bei Abschluss des Versicherungsvertrages bereits feststeht und die auf Kosten der Versichertengemeinschaft für ihre Hinterbliebenen sorgen wollen. In der Regel wird nach einer 3-jährigen Wartezeit seit Versicherungsbeginn auch bei Selbsttötung gezahlt. Siehe im einzelnen die jeweiligen Versicherungsbestimmungen, etwa § 8 ALB 1986.

Psychisch-Kranken-Gesetz

Wer Selbsttötung androht oder ankündigt, muss damit rechnen, wegen erheblicher Selbstgefährdung in eine Psychiatrische Klinik zwangseingewiesen und zwangsmedikamentiert zu werden. Rechtsgrundlage sind dabei die Psychisch-Kranken-Gesetze der Bundesländer. Voraussetzung ist, dass diese Selbstgefährdung auf einer psychischen Krankheit beruht, welche aber aufgrund der Selbstgefährdung wiederum vermutet wird.

Tätigkeit der Polizei

Der Grund für das Ausrücken der Polizei bei einem Suizid(versuch) ist zum Einen das Verhindern des Suizids und die Zwangseinweisung, zum Anderen die Verständigung, die Eigentumssicherung und vor allem die Aufklärung, ob möglicherweise eine Straftat vorliegt (z. B. Mord).

Suizid als militärische Taktik

Schon der chinesische General Sunzi erwähnte um 500 v.Chr. die militärische Taktik des Selbstmordangriffs, zu dem man einen Gegner nicht treiben solle. Im zweiten Weltkrieg wurden japanische Flieger zu Kamikaze-Angriffen geführt, auf zu diesen Zweck umgebauten Kampfflugzeugen. Auch auf deutscher Seite wurden Einheiten zu Selbstmordangriffen ausgebildet, wenngleich hier auch die Möglichkeit des Überlebens einkalkuliert wurde, etwa beim Sonderkommando Elbe.

Spezielle Suizidformen

  • Bilanzsuizid - der rational abgewogene Suizid
  • Selbstverbrennung
  • Schienensuizid
  • Seppuku (Harakiri)
  • Shinjū (jap.), gemeinsamer Suizid zweier Liebender

Verwandte Themen

  • Sterbehilfe
  • Todestrieb
  • Werther-Effekt - Der Nachahmungseffekt bei bekannten Suiziden
  • Liste von Suizidenten
  • Welt-Suizid-Präventionstag

Quellen

  1. http://www.suizidprophylaxe.de/Ohne%20Java/Infos_Suizidalitaet/epidemiologieohne.htm
  2. Zitiert nach "Ärzte als Patienten - eine schwierige Rolle", Forschung und Praxis, 453, 2007, Beilage der Ärzte-Zeitung
  3. http://209.85.129.104/search?q=cache:3G-mucZfUKIJ:www.fh-erfurt.de/so/wagner/Suizid.html+suizidh%C3%A4ufigkeit+DDR&hl=de&ct=clnk&cd=4&gl=de
  4. Grashoff, In einem Anfall von Depression, s. Literaurliste
  5. http://www.suizidprophylaxe.de/Ohne%20Java/Infos_Suizidalitaet/epidemiologieohne.htm
  6. Evangelischer Pressedienst Sozial, Meldung „Zahl der Selbstmorde bei depressiven Menschen über 60 Jahren steigt“ (2/2006)
  7. Paul Watzlawick in Berufskrankheiten systemisch-konstruktivistischer Therapeuten in Schweitzer, J. et al. (1994, Hrsg.). Systemische Praxis und Postmoderne (S. 91-92). Frankfurt: Suhrkamp.

Literatur

Bibliographien, Textsammlungen
  • Hans Rost: Bibliographie des Selbstmordes. Verlag Roderer, Regensburg 1992, ISBN 3-89073-343-3 (Repr. d. Ausg. Augsburg 1927)
  • Suizid-Bibliothek. 1.000 Werke aus den Jahren 1578 bis 1945 (ca. 100.000 Seiten auf 1.500 Mikrofiches). Harald Fischer Verlag, Erlangen 2005, ISBN 3-89131-463-9.
Monographien
  • A. Alvarez: Der grausame Gott. Eine Studie über den Selbstmord. Aus dem Englischen übertragen von Maria Dessauer. Fischer, Frankfurt am Main 1980.
  • Jean Améry: Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod (Werke; 3). Klett-Cotta 2005, ISBN 3-608-93563-0.
  • Jean Baechler: Tod durch eigene Hand. Eine wissenschaftliche Untersuchung über den Selbstmord ("Les suicides"). Ullstein, Frankfurt/M. 1981, ISBN 3-5500-7701-7.
  • Andreas Bähr (Hrsg.): Sterben von eigener Hand. Selbsttötung als kulturelle Praxis. Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-412-18405-5.
  • Paul B. Baltes u.a.: Schwerpunkt Selbstbestimmtes Sterben (Aufklärung und Kritik / Sonderheft; 11). Gesellschaft für kritische Philosophie, Nürnberg 2006, ISSN 0945-6627.
  • Ursula Baumann: Vom Recht auf den eigenen Tod. Die Geschichte des Suizids vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Böhlau, Weimar 2001, ISBN 3-7400-1180-7.
  • Émile Durkheim: Der Selbstmord. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2006, ISBN 3-518-28031-7.
  • Elmar Etzersdorfer u.a. (Hrsg.): Neue Medien und Suizidalität. Gefahren und Interventionsmöglichkeiten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-46175-5.
  • Udo Grashoff: In einem Anfall von Depression... Selbsttötungen in der DDR. Ch. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-420-7 (vgl. auch den Aufsatz desselben Autors unter http://www.stiftung-aufarbeitung.de/downloads/pdf/GRASHOFF.pdf)
  • Claude Guillon, Yves LeBonniec: Gebrauchsanleitung zum Selbstmord. Eine Streitschrift für das Recht auf einen frei bestimmten Tod. Robinson-Verlag, Frankfurt/M. 1982, ISBN 3-88592-032-8.
  • Kay Redfield Jamison: Wenn es dunkel wird. Zum Verständnis des Selbstmordes. BTV, Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8333-0232-1.
  • Heinz Katschnig u.a.: Österreichischer Psychiatriebericht 2001. Teil 1. Ludwig-Boltzmann-Institut für Sozialpsychiatrie, Wien 2001 (PDF)
  • Georges Minois: Geschichte des Selbstmords. Artemis & Winkler, Düsseldorf 1996, ISBN 3-538-07041-5.
  • Angela M. Müller: Die Selbsttötung in der Lateinischen Literatur der Kaiserzeit bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. Dissertation, Universität Zürich 2006 (Volltext)
  • Hermann Pohlmeier: Wie frei ist der Freitod? Einschränkung frei verantwortlichen Handelns durch Krankheit? (Berliner medizinethische Schriften; 7). Humanitas-Verlag, Dortmund 1996, ISBN 3-928366-21-1.
  • Hermann Pohlmeier: Depression und Selbstmord (Schriften der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben; 3). 3. Aufl. Edition Parerga, Düsseldorf 1996, ISBN 3-930450-02-X.
  • Hermann Pohlmeier: Selbstmordverhütung. Zur Ethik von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung. (Medizinethische Materialien; 96). Zentrum für medizinische Ethik, Bochum 1994, ISBN 3-927855-74-X.
  • Erwin Ringel (Hrsg.): Selbstmordverhütung. 5. Auflage. Verlag Klotz, Eschborn 1997, ISBN 3-88074-224-3.
  • Gabriela Signori (Hrsg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung. Selbstmord und Selbstmordversuche in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaften. (Forum Psychohistorie; 2). Edition Discord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-581-6.
  • Geo Stone: Suicide and attempted suicide. Methods and consequences. Carroll & Graf, New York 2001, ISBN 0-7867-0940-5.
  • Roger Willemsen: Der Selbstmord. Briefe, Manifeste, literarische Texte. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03169-4.
  • Mark Williams: Suicide and attempted suicide. Understanding the cry of pain. Penguin Books, London 2001, ISBN 0-14-100561-0.
  • Suizid und Suizidprävention in der Schweiz. Bundesamt für Gesundheit, Bern 2005 ([1])
Aufsätze
  • Hubertus Busche: Darf man sich selbst töten? Die klassischen Argumente bei Thomas von Aquin und David Hume, in: Philosophisches Jahrbuch 111 (2004), 62-89.
  • Paul Geiger: Die Behandlung der Selbstmörder im deutschen Brauch. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 26 (1925), 145-170.
  • Clinton E. Rhyne u.a.: Dimensions of suicide. Perceptions of lethality, time and agony. In: Suicide and Life-Threatening Behavior Vol. 25 (1995), Heft 3.
  • Frank van Tubergen, Wout Ultee: Political integration, war and suicide. In: International Sociology Jg. 21 (2006), Heft 2, S. 221-236 (eine empirische Prüfung der soziologischen Selbstmordtheorie Durkheims)
  • Suizid in der Philosophie
  • Suizid aus Sicht der Kriminologie
  • Wissenschaft und Statistiken
    • Aspekte suizidaler Handlungen in den westlichen Gesellschaften
    • Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (Englisch, inkl. Literaturangaben)
    • Statistische Informationen der WHO (Englisch)
    • Zahlen, Daten und Fakten (pdf-Datei, 1,33 MB)
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