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Gallengangatresie



Klassifikation nach ICD-10
Q44.2 Atresie der Gallengänge
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Gallengangatresie (englisch: biliary atresia, BA) ist eine seltene Erkrankung mit Verschluss (Atresie) der Gallenwege, die ausschließlich im Neugeborenenalter (Neonatalperiode) auftritt. Die Ursache ist noch ungeklärt. In den entwickelten Ländern stellt die Gallengangatresie die häufigste Ursache für die Notwendigkeit einer Lebertransplantation dar.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Die Prävalenz bei Geburt variiert weltweit zwischen 1:20.000 und 1:3.100 Lebendgeborene, wobei eine Häufung der Erkrankung in Asien und im Pazifikraum beobachtet wurde. In Westeuropa erkrankt etwa ein Kind von 18.000 innerhalb der Neonatalperiode[1]. Mädchen sind etwas häufiger betroffen als Jungen. Etwa ein Zehntel der Fälle ist mit zusätzlichen angeborenen Fehlbildungen vergesellschaftet und wird als syndromale Form zusammengefasst. Das alleinige Auftreten des Verschlusses der Gallenwege wird entsprechend als nicht-syndromale Form bezeichnet. Daneben existieren verschiedene anatomische Einteilungen, in denen die Gallengangatresien danach unterschieden werden, welche Anteile der Gallengänge von den Veränderungen betroffen sind - beispielsweise nur der Gallengang jenseits der Galleblase (extrahepatische Form) oder auch der Hauptgang, der aus der Leberpforte bis zur Gallenblase reicht, zusammen mit den Gallenwegen innerhalb der Leber (intrahepatische Form).

Ursache

Die Ätiologie (Ursache) der Gallengangatresie ist weitgehend unbekannt. Verschiedene Hinweise – beispielsweise Veränderungen der Ultraschallstruktur der Leber schon im Mutterleib – legen nahe, dass die Verengung der Gallenwege schon früh in der Schwangerschaft beginnt. Umfangreiche Untersuchungen über den Einfluss von Virusinfektionen haben eine Zusammenhang mit Cytomegalie-, Respiratory-Syncitial-, Ebstein-Barr- und humanen Papilloma-Viren unterstellt. Dahingegen konnte keine Verbindung zu den Hepatitis-Viren A, B oder C gefunden werden. Auch genetische Einflüsse scheinen eine Rolle zu spielen. Zumindest wurde über familiäre Häufungen berichtet und es existiert eine ethnische Häufung im Pazifikraum. Auch finden sich bestimmte Oberflächeneigenschaften von weißen Blutkörperchen, sogenannte Humane Leukozyten Antigene (HLA), gehäuft bei betroffenen Kindern.[1] Bei der feingeweblichen (histopathologischen) Untersuchung unter dem Mikroskop findet man eine entzündliche Schädigung der Gallengänge mit Vermehrung des Bingegewebes (Sklerose) und Verengung bis hin zur Verlegung der Gallenwege.

Symptome

Nach der Geburt entwickeln die Kinder eine verlängerte Gelbsucht (Ikterus), die im Gegensatz zur normalen Neugeborenengelbsucht überwiegend durch wasserlösliches „direktes“ Bilirubin verursacht wird. Sie setzen entfärbten Kot (sogenannter acholischer Stuhl) ab und der Urin färbt sich braun. Als drittes Leitsymptom kann eine Vergrößerund der Leber (Hepatomegalie) beobachtet werden. Der Allgemeinzustand der Kinder ist dabei zunächst gut. Nicht einmal das Gedeihen ist in den ersten Monaten beeinträchtigt. Erst später setzt ein Gewichtsverlust und eine zunehmende Übererregbarkeit ein. Als Zeichen eines Druckanstiegs in der Pfortader der Leber (Portale Hypertension) kommen schließlich eine Milzvergrößerung und Wasseransammlungen im Bauchraum (Aszites) hinzu. Weil mit dem gestörten Gallefluss auch zuwenig Gallensäuren in den Darm gelangen, ist die Fettverdauung und damit auch die Aufnahme fettlöslicher Vitamine, insbesondere des Vitamin K gestört, was zu einer Blutungsneigung führen kann.

Diagnose

Bei jedem Kind mit einer Neugeborenengelbsucht, die länger als zwei Wochen andauert, muss wegen der besonderen prognostischen Bedeutung einer frühen Diagnosestellung eine Gallengangatresie aktiv ausgeschlossen werden. Dazu gehört als erster Schritt eine laborchemische Differenzierung des Bilirubins in die wasserlösliche, konjugierte (direkte) und die wasserunlösliche, unkonjugierte (indirekte) Form. Bei einer Ultraschalluntersuchung nach einer vier-zwölfstündigen Fastenperiode erhärtet eine nicht darstellbare oder geschrumpfte Gallenblase, eine vermehrte Echogenität des Leberhilus oder eine Zyste im Leberhilus den Verdacht. Bei normaler Gallenblase im Ultraschall und fortbestehendem Verdacht muss der anatomische Aufbau und die Durchgängigkeit der Gallenwege mit einer Röntgen-Kontrastmittel-Darstellung, einer Cholangiografie untersucht werden. Letzte diagnostische Unsicherheiten können gegebenenfalls durch eine Leberbiopsie geklärt werden.

Behandlung

  Unbehandelt führt die Erkrankung zu einem zunehmendem bindegewebigen Umbau der Leber (Leberzirrhose) und dem Tod innerhalb der ersten Lebensjahre. Um den Gallefluss behelfsweise wiederherzustellen, wird bei den betroffenen Kindern zunächst eine Operation nach Kasai, eine Hepatoporto-Enterostomie, durchgeführt. Dabei werden die veränderten Gallenwege einschließlich des Bindegewebes zwischen dem rechten und linken Pfortaderast in der Leberpforte entfernt. Anschließend wird eine Darmschlinge auf die offene Leberpforte aufgenäht, so dass die Gallenflüssigkeit sozusagen aus der Leberpforte direkt in den Darm ablaufen kann. Die zusätzliche medikamentöse Behandlung entweder mit entzündungshemmenden Mitteln, die den zunehmenden Umbau des Lebergewebes verlangsamen sollen, oder mit Substanzen, die den Gallefluss verbessern können, werden verschiedentlich empfohlen, sind aber aufgrund eines fehlenden Nachweises eines Langzeitnutzens umstritten.

Erholt sich der Gallefluss durch die Kasai-Operation, zeigt sich dies in einem Rückgang der Gelbsucht und zunehmender Braunfärbung des Kotes. Doch selbst wenn diese günstige Situation eintritt, entwickeln zwei Drittel der Patienten eine zunehmende durch den Gallestau verursachte Leberzirrhose. Diese oder ein primäres Versagen der Kasai-Operation macht eine Lebertransplantation erforderlich. Die Organübertragung wird zumeist im zweiten Lebensjahr durchgeführt, kann aber auch schon im Alter von sechs Monaten erforderlich werden[1]. Durch die Entwicklung neuer Transplantationsverfahren (Leber-Splitting, Lebend-Spende) ist die Verfügbarkeit dieser Behandlungsmethode in jüngster Zeit angestiegen.

Prognose

Ein Überleben mit der eigenen Leber bis ins Erwachsenenalter wird nur bei etwa einem Zehntel der Patienten beobachtet. Dennoch können heutzutage insgesamt etwa 90 % aller Betroffenen auf ein Überleben mit weitestgehend normaler Lebensqualität hoffen[1]. Gallengangatresien, die mit zusätzlichen Fehlbildungen der Milz einhergehen, haben dabei grundsätzlich eine schlechtere Prognose. Genauso sinkt die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung, je weiter die Veränderungen der Gallenwege in die Leber hineinreichen. Die Erfolgsaussicht für die Kasai-Operation sinkt wiederum mit zunehmendem Alter der Kinder, weshalb eine frühe Diagnosestellung von besonderer Bedeutung ist. Darüberhinaus verbessert sich die Gesamtprognose mit der Verfügbarkeit einer Lebertransplantation. Im Hamburger Transplantationszentrum betrug die Überlebensquote von Kindern, die im Säuglingsalter eine Lebertransplantation erhalten hatten, nach zwei Jahren 87 %.[2]

Quellen

  1. a b c d Chardot,C.: Biliary atresia. Review In: Orphanet Journal of Rare Diseases 2006; 1:28 Volltext online (pdf 558 K, englisch)
  2. E. F. Grabhorn et al.: Lebertransplantation im Säuglingsalter. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2007; 155:381-389 Abstract
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