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Antibabypille



    Die Antibabypille, umgangssprachlich auch kurz die Pille genannt, ist das von Frauen in den westlichen und östlichen Industrienationen seit 1960 am häufigsten verwendete Mittel zur Verhütung einer Schwangerschaft. Es handelt sich dabei um ein regelmäßig oral einzunehmendes Hormonpräparat, das die weiblichen Hormone Östrogen und Gestagen in unterschiedlicher Zusammensetzung und Dosierung enthält und das bei korrekter Anwendung eines der sichersten Mittel gegen unbeabsichtigte Empfängnis ist. Der Pearl-Index, der die Wirksamkeit einer Verhütungsmethode angibt, liegt bei 0,1–0,9.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1951 meldete der 1939 aus Wien in die USA emigrierte Chemiker Carl Djerassi einen Abkömmling des weiblichen Geschlechtshormons Progesteron als ein Verhütungsmittel zum Patent an, das er gemeinsam mit den Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock entwickelt hatte. Am 18. August 1960 kam die erste Antibabypille unter dem Namen „Enovid“ auf den amerikanischen Markt; ein Jahr später brachte sie die Berliner Schering AG mit „Anovlar“ in Deutschland auf den Markt.[1]

Die Antibabypille war im Nachkriegsdeutschland umstritten und kollidierte mit den damaligen Moralvorstellungen. Schering führte sie daher als „Mittel zur Behebung von Menstruationsstörungen“ ein. Sie wurde zunächst nur verheirateten Frauen verschrieben. 1965 folgte in der DDR VEB Jenapharm mit „Ovosiston“. Erst nachdem die Pille eine große Verbreitung erreicht hatte, setzte der Pillenknick ein.

Manche Religionsgemeinschaften, insbesondere die Römisch-Katholische Kirche, lehnen die Verwendung oraler Kontrazeptiva (und anderer Verhütungsmittel) bis heute aus moralischen Gründen ab,[2] auch wenn diese Position nicht von allen ihren Mitgliedern geteilt wird.

In westlichen Staaten ist die Antibabypille mittlerweile ein weit verbreitetes und akzeptiertes Verhütungsmittel.

Funktionsweise

Antibabypillen enthalten heute das künstliche Östrogen Ethinylestradiol. Dieses wird mit unterschiedlichen Typen von Gestagenen kombiniert.

Östrogene und Gestagene werden auch natürlicherweise vom weiblichen Körper produziert. Sie regeln den Ablauf des Monatszyklus und den Verlauf einer Schwangerschaft. Geringe Mengen an Östrogen fördern die Eireifung im Eierstock (Ovar), den Follikelsprung (Ovulation) und damit die Bereitschaft zur Empfängnis. Ist es zur Befruchtung der Eizelle (Oozyte) durch eine männliche Samenzelle (Spermium) und damit zu einer Schwangerschaft gekommen, produziert der weibliche Körper mehr Gestagen, was die Reifung einer neuen Eizelle unterbindet und einen weiteren Follikelsprung verhindert. Die bereits befruchtete Oozyte, die sich geteilt und in der Gebärmutter (dem Uterus) eingenistet hat, kann ungestört zum Embryo heranwachsen. Auch Gestagene haben während der Schwangerschaft einen schützenden Einfluss auf die befruchtete Eizelle. Sie verdicken etwa den Schleim, der den Gebärmuttermund (die Cervix uteri) verschließt, so dass er für Spermien undurchlässig wird, und verändern den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, so dass sich kein weiteres Ei mehr einnisten kann.

Die in der Antibabypille enthaltenen Hormone machen sich diese natürlichen Effekte für die Verhütung zunutze. Wie bei einer Schwangerschaft unterdrücken sie die Eireifung, die Ovulation und verschließen die Gebärmutter gegenüber Spermien. Dem weiblichen Körper wird sozusagen eine Schwangerschaft vorgetäuscht. Mit den meisten Pillen wird ein regelmäßiger „Zyklus“ herbeigeführt, indem nach 21 Tagen Pilleneinnahme 7 Tage lang entweder gar keine Pille oder eine, die keine Hormone enthält, eingenommen wird. Letzteres wird besonders bei Mädchen und jungen Frauen, die niedrig dosierte Pillen (s. u.) nehmen, eingesetzt, damit – der Einfachheit halber – jeden Tag eine Pille genommen wird und die Pause nicht länger als 7 Tage dauert, denn dann wäre der Schutz vor einer Schwangerschaft nicht mehr gegeben. Da in der Einnahmepause keine Hormone zugeführt werden, kann der Körper die Gebärmutterschleimhaut nicht so aufrechterhalten, und eine Blutung setzt ein, wobei es sich hierbei um keine echte Menstruation handelt, sondern nur um eine künstliche Entzugsblutung. Bei vielen Patientinnen wird die Blutung durch die Pilleneinnahmen schwächer, manchmal wird die Pille deshalb auch als Mittel gegen starke Regelblutungen eingesetzt (vorausgesetzt, Empfängnisverhütung ist ebenfalls gewünscht). Immer größerer Beliebtheit erfreut sich der sogenannte Langzeitzyklus. Hierbei wird die Pille durchgehend genommen und es kommt zu keiner Entzugsblutung mehr.

Die frühen Antibabypillen enthielten hohe Dosen der Hormone. Heutzutage haben niedriger dosierte Pillen (Mikropille) die gleiche Sicherheit und weisen geringere Nebenwirkungen auf. Weiterhin gibt es die Minipille, die kein Östrogen enthält und im Gegensatz zur Mikropille nicht den Follikelsprung wegen einer anderen Hormonzusammensetzung verhindert, sondern nur den Schleim, der den Gebärmuttermund verschließt, verdickt. Daher ist sie nur bei sehr regelmäßiger Einnahme (auf die Stunde genau) sicher. Inzwischen ist auch eine Minipille mit dem Gestagen Desogestrel (Cerazette®) auf dem Markt, die nicht mehr auf die Stunde genau eingenommen werden muss und wie die Mikropille einen Eisprung verhindert.

Einige Gynäkologen weisen allerdings auf die Tatsache hin, dass gerade die niedrig dosierten Präparate nicht immer den Eisprung verhindern können („Durchbruchsovulation“). Daher haben heute fast alle Antibabypillen zusätzlich auch nidationshemmende Wirkung, was einzelne Kritiker schon als Form der Abtreibung sehen.

Anwendungsgebiete

Neben der Verwendung als Verhütungsmittel wird die Antibabypille auch gegen Menstruationsbeschwerden, für einen geregelten Monatszyklus, gegen Akne oder gegen übermäßige Körperbehaarung, eine Hypertrichose, verschrieben.

Nebenwirkungen

Mögliche Nebenwirkungen:

  • Kopfschmerzen
  • Depressionen
  • Schlafstörungen
  • Zwischenblutungen
  • Ausfluss
  • Candidose
  • Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen
  • Gewichtszunahme durch appetitsteigernden Effekt von Gestagenen
  • Übelkeit
  • Spannung in den Brüsten
  • Ausbleiben der Regel
  • Verminderung bis Verschwinden der Libido

Seltenere, schwerwiegende Nebenwirkungen, bei denen man sofort den Arzt aufsuchen sollte:

Veränderung des Krebsrisikos

Im Jahr 2003 fanden Valerie Beral von der Cancer Research UK Epidemiology Unit in Oxford und ihre Kollegen Hinweise, die darauf hindeuten, dass durch die längerfristige Einnahme der Antibabypille bei Frauen leichter Gebärmutterhalskrebs auftreten kann.

Wird die Pille fünf bis zehn Jahre lang eingenommen, steige so das Risiko für Gebärmutterhalskrebs auf das Eineinhalbfache, wird sie zehn Jahre und länger eingenommen, auf das Doppelte. Diese Steigerung sei unabhängig von anderen Risikofaktoren, etwa dem Rauchen und einem promiskuitiven Lebenswandel, der die Gefahr der Infektion mit einem Papillomvirus erhöht. Frauen, die mit Papillomviren infiziert sind, vergrößern ihr ohnehin schon erhöhtes Risiko durch die Pille noch weiter. Nach zehn Jahren erhöht es sich auf das Dreifache. Wird die Pille abgesetzt, sinkt das Risiko zwar wieder, aber man weiß bislang nicht, in welchem Umfang.[3] Auch aktuelle Studien aus dem Jahr 2005 bestätigen diese Nebenwirkungen, jedoch gibt es auch dem widersprechende Studien.

Daneben fördert die Antibabypille Studien zufolge das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.[4] [5] Außerdem wird ein Zusammenhang zwischen oralen Kontrazeptiva und anderen Krebsarten diskutiert, ohne dass bisher eindeutige Ergebnisse vorliegen.

Das Risiko der Krebsentstehung beim Ovarialkarzinom wird durch die langjährige Einnahme von oralen Verhütungsmitteln hingegen auf die Hälfte verringert. Umfassende epidemiologische Daten liefert dazu die Nurses' Health Study in den USA (läuft seit 1976).

Auf der Grundlage der bisher veröffentlichten Forschungsergebnisse hat die International Agency for Research on Cancer der Weltgesundheitsorganisation im Sommer 2005 kombinierte Östrogen-Progesteron-Kontrazeptiva als krebserregend für den Menschen eingestuft.[6]

Einen guten Überblick bietet auch das US-amerikanische National Cancer Institute.[7]

2005 wurde in einer Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer (IARC)) in Lyon festgestellt, dass das Risiko für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Leberkrebs erhöht und das für Eierstock- und Gebärmutterschleimhautkrebs verringert sei.

Eine britische Langzeitstudie, die von 1968 an Daten von 46.000 Frauen untersuchte, dagegen widerlegte 2007 ein erhöhtes Risiko teilweise. Sie zeigte, dass dies nur von älteren Präparaten ausgehe. Tatsächlich sinke die Wahrscheinlichkeit, an einigen Krebsarten zu erkranken, um 12 Prozent.[8]

Belastung der Leber

Bei oraler Aufnahme passieren die Wirkstoffe der Pille zuerst die Leber und werden dabei teilweise abgebaut. (First-Pass-Effekt) Um dies auszugleichen, wird die Dosierung angehoben, und dies sorgt für eine höhere Belastung der Leber.

Wechselwirkungen und andere Beeinträchtigungen

Vorsicht ist geboten, wenn zusätzlich zur Pille andere Medikamente eingenommen werden. Ebenso können Durchfall, Erbrechen oder andere (leichte) Erkrankungen die Wirksamkeit der Pille vermindern. Folgende Arzneimittelgruppen gehören unter anderem dazu:

Antibiotika, Antiepileptika, Johanniskraut-, Antazida (Arzneimittel zur Bindung von Magensäure), Schlankheitspräparate (deren Wirkung auf der Bindung von Nahrungsfetten basiert).

Dauerhafte Einnahme und unerfüllter Kinderwunsch

So gibt es Studien, die nahelegen, dass Frauen mit unmittelbarem Kinderwunsch, die über einen längeren Zeitraum die Pille zur Verhütung genommen haben, versuchen sollten, so schnell wie möglich nach Absetzen der Pille schwanger zu werden. Die Wahrscheinlichkeit zu empfangen fällt nach kurzer Zeit enorm ab.

Auswirkungen auf das Ökosystem

Das synthetische Östrogen Ethinylestradiol, welches in den meisten Antibabypillen verwendet wird, wird wieder über den Urin ausgeschieden. Heutige Kläranlagen können diese Chemikalien nicht entfernen, wodurch sie in den natürlichen Wasserkreislauf gelangen. Diese Form der Umweltverschmutzung hat nachweislich Auswirkungen auf das Ökosystem. Nachgewiesen sind Effekte auf Wasserlebewesen, einschließlich Fische, Frösche und Zooplankton. Die Feminisierung von männlichen Fischen bis hin zum Produzieren von Eiern ist ein bekannter Effekt. Auch lassen sich Veränderungen bei weiblichen und männlichen Fischen an Niere und Leber feststellen sowie eine Verlangsamung des Fortpflanzungszyklus.[9]

Referenzen

  1. Schering bringt am 1. Januar 1961 die Pille auf den deutschen Markt
  2. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2366-2372; Papst Paul VI: Enzyklika Humanae vitae
  3. Smith JS et al. Cervical cancer and the use of hormonal contraceptives: a systematic review. Lancet 361(2003):1159-67. (Abstract)
  4. Kumle L et al. Use of oral contraceptives and breast cancer risk. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev. 11(2002):1375-81. (Abstract)
  5. Althuis MD et al. Hormonal content and potency of oral contraceptives and breast cancer risk among young women. Br J Cancer. 88(2003):50-7. (Abstract)
  6. International Agency for Research on Cancer: Press Release No 167 vom 29. Juli 2005. Ausführlicher: IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans, Vol. 91: Combined Estrogen-progestogen Contraceptives and Combined Estrogen-progestogen Menopausal Therapy
  7. National Cancer Institute: Oral Contraceptives and Cancer Risk
  8. Spiegel Online: Anti-Baby-Pille erhöht Krebsrisiko nicht
  9. Karen Kidd: Effects of a Synthetic Estrogen on Aquatic Populations: a Whole Ecosystem Study.

Siehe auch


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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Antibabypille aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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