Genetisch bedingte Darmentzündung erfolgreich behandelt

30.11.2016 - Schweiz

Mit einer gezielten Immuntherapie haben Ärzte eine Darmentzündung gestoppt, die durch eine neu entdeckte Genmutation verursacht wurde. Dies berichten Forschende vom Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel. Ihre Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die Behandlung von Durchfall, wie er als Nebenwirkung bei der Therapie von Melanomen auftreten kann.

Immunschwächen können entstehen, wenn durch Mutationen die Gene von Proteinen des Immunsystems verändert sind. Da sie selten vorkommen, werden solche Immunschwächen oft nicht oder erst spät erkannt, wodurch eine adäquate Therapie verhindert wird. Gegenwärtig sind mehr als 300 verschiedene genetisch bedingte Immunschwächen bekannt, und es werden beinahe wöchentlich neue beschrieben.

Die Forschungsgruppe um Prof. Mike Recher vom Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel hat vor kurzem eine genetische Immunschwäche entdeckt, die bei einem erwachsenen Patienten mit einer schweren chronischen, autoimmunen Darmentzündung einherging. Erfreulicherweise konnte die neue Mutation nicht nur beschrieben, sondern dem Patienten auch mit einer gezielten Therapie geholfen werden, berichten die Forscher im Journal of Allergy and Clinical Immunology.

Mutation verursacht Autoimmunreaktion

Der Patient leidet an einer seltenen Mutation im Protein CTLA-4, das sich auf den Oberflächen von T-Zellen befindet. Normalerweise hält dieses Protein die Abwehrzellen davon ab, den eigenen Körper anzugreifen. Da es wegen der Mutation aber ungenügend funktionierte, attackierten die T-Zellen die Darmzellen des Patienten. Dadurch entstand eine starke Entzündung, und der Patient litt in der Folge an schwerem Durchfall und hohem Gewichtsverlust.

Aufgrund des ungewöhnlichen Krankheitsbilds wurde der Patient vom Kantonsspital Graubünden an die Spezialsprechstunde für Immunschwäche am Universitätsspital Basel überwiesen. Erste immunologische Untersuchungen deuteten auf eine genetisch bedingte Fehlregulation des Immunsystems hin. In der folgenden Analyse des gesamten Genoms am Universitätsspital Zürich wurde die neue Mutation im CTLA-4-Gen entdeckt. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Mutation tatsächlich eine verminderte CTLA-4-Funktion bewirkt, die zu einer stärkeren Infiltration von T-Zellen in die Darmschleimhaut und damit zum chronischen Durchfall geführt hat.

Behandlung mit therapeutischem Antikörper

Im engen Austausch mit der Gastroenterologie am Universitätsspital Basel entschieden sich die Ärzte zu einer Therapie, bei der das Eindringen der T-Zellen in die Darmschleimhaut mithilfe eines neuen Medikaments aus der Gruppe der monoklonalen Antikörper unterbunden wird. Der Wirkstoff Vedolizumab blockiert gezielt ein bestimmtes Adhäsionsmolekül auf der Oberfläche der T-Zelle und verhindert so, dass die Abwehrzellen an Rezeptoren binden, die im Darm vorhanden sind. Das hält die T-Zellen davon ab, aus den Blutgefässen in das Darmgewebe einzudringen. Die Behandlung zeigte den gewünschten Erfolg: Nach drei Monaten hatte der chronische Durchfall des Patienten gänzlich aufgehört.

Durchfall bei Melanom-Patienten verhindern

Das Fehlen von CTLA-4 lässt sich bei bestimmten Erkrankungen aber auch therapeutisch nutzen, etwa bei der Behandlung des schwarzen Hautkrebses (Melanom). Ähnlich wie die neu entdeckte CTLA-4-Mutation bewirkt das Medikament Ipilimumab, dass die T-Zellen des Immunsystems nicht mehr richtig gebremst werden, sodass sie körpereigene, bösartige Hautkrebszellen bekämpfen können. Unter dieser Therapie kann es als Nebenwirkung zu einer autoimmunen Darmentzündung kommen – analog zum Fall des Patienten mit der Genmutation. Möglicherweise können nun auch Melanom-Patienten, die aufgrund einer CTLA-4-Hemmung an starkem Durchfall leiden, von den neuen Erkenntnissen profitieren, da Vedolizumab für sie neue Therapiemöglichkeit öffnet.

Kooperation von Regionalspital, Grundlagenforschung und Universitätsmedizin

Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass die genaue Identifizierung der Ursache einer Erkrankung wichtig ist, um eine gezielte, personalisierte Behandlung zu ermöglichen. «Für diese Art von Wissenszuwachs braucht es zum einen aufmerksame Ärzte in den Praxen und an Regionalspitälern, welche ungewöhnliche Krankheitsverläufe erkennen und sie zur weiteren Abklärung an universitäre Spezialsprechstunden weiterweisen», so Studienautor Mike Recher. «Zum anderen braucht es klinische universitäre Zentren, die eng an Forschungslabors gekoppelt sind.»

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