Chemisch-pharmazeutische Industrie mit sorgenvollem Ausblick
Wirtschaftliche und politische Risikofaktoren häufen sich
VCI / René Spalek
Die Geschäftserwartungen der Branche haben sich inzwischen etwas eingetrübt. Die Unternehmen blicken weniger optimistisch in die Zukunft als noch zu Jahresbeginn, so der VCI. Wirtschaftliche und politische Risikofaktoren häuften sich. Die Gefahr eines globalen Handelskrieges zwischen den USA, China und der EU, die Folgen eines harten Brexits und die stürmische Ölpreisentwicklung gäben wenig Anlass, auf eine Fortsetzung des Aufschwungs zu hoffen. „Das Tempo des Wachstums hat nachgelassen, gleichzeitig haben die konjunkturellen Risiken zugenommen. Der Gegenwind wird stärker“, bewertete VCI-Präsident Kurt Bock die Lage der Branche.
Prognose: In Erwartung einer schwächeren zweiten Jahreshälfte geht der VCI für das Gesamtjahr 2018 von einem Produktionswachstum von 3,5 Prozent aus. Bei einem höheren Preisniveau von 1 Prozent dürfte der Umsatz der Branche um 4,5 Prozent auf über 204 Milliarden Euro zulegen.
Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung: Politische Stellschraube für mehr Innovationen
Dass die Einschätzung der Unternehmen für das zweite Halbjahr verhalten ausfällt, liegt aus Sicht des VCI auch daran, dass die Bundesregierung den wachsenden konjunkturellen Risiken keine positiven industriepolitischen Impulse für die Wirtschaft entgegensetzt. Vor allem beim Thema Innovation bestehe Handlungsbedarf. Deutschland brauche mehr Innovationstempo, so Bock, um in einer Welt globalen Wettbewerbs durch hochwertige Arbeitsplätze Wohlstand und Beschäftigung zu sichern. „Genauso wie bei Migration und Integration oder demografischem Wandel geht es auch bei Innovationsfähigkeit um die Zukunft unseres Landes. Das scheint bei den politischen Prioritäten in Berlin aber immer mehr in den Hintergrund zu rücken“, kritisierte der VCI-Präsident.
Dies treffe zum Beispiel auf die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland zu, für die sich der VCI zusammen mit vielen anderen Wirtschaftsverbänden und wissenschaftlichen Organisationen seit Jahren vergeblich einsetzt. Fast alle Industrienationen der Welt – darunter große Volkswirtschaften wie USA, Japan und Kanada – sowie 20 von 28 der EU-Mitgliedstaaten gewähren inzwischen Unternehmen eine steuerliche FuE-Förderung, um ihre Innovationskraft zu stärken.
Bei der Standortwahl für Investitionen in forschungsintensive Projekte spielt dieses Kriterium eine erhebliche Rolle. Das zeigt die Bilanz von Österreich: Mit einem Anteil von 3,14 Prozent der FuE-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) belegt die Alpenrepublik inzwischen einen der vorderen Plätze in der EU für Forschungsintensität – noch vor Deutschland (2,93 Prozent). Österreich hat Anfang des Jahres wegen der erfolgreichen Wirkung des Instrumentes auf Arbeitsplätze und Unternehmensansiedlungen die Steuergutschrift um weitere 2 auf 14 Prozent der Forschungsaufwendungen erhöht.
VCI-Präsident Bock forderte die Bundesregierung auf, im Herbst einen konkreten Gesetzentwurf für eine steuerliche FuE-Förderung vorzulegen. „Die Glaubwürdigkeit politischen Handelns steht hier auf dem Spiel – nicht nur innerhalb unserer Branche“, betonte er. Der finanzielle Gestaltungsspielraum des Bundeshaushalts sei durch die stark steigenden Steuereinnahmen in der Legislaturperiode so groß wie nie zuvor.
Eine steuerliche Förderung ist ein wichtiges Instrument, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel von 3,5 Prozent des BIP für die Ausgaben von Forschung und Entwicklung bis 2025 in Deutschland zu erreichen. Diese Messlatte bedeutet eine Kraftanstrengung für die Wirtschaft: Sie bringt zwei Drittel aller finanziellen Mittel auf. Die chemisch-pharmazeutische Industrie trägt das 3,5-Prozent-Ziel mit. Die Branche investiert derzeit jährlich knapp 11 Milliarden Euro in die Forschung.