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Geschlechtsdetermination



  Unter Geschlechtsdetermination werden jene Abläufe verstanden, die in der Embryogenese zur Festlegung des somatischen Geschlechts führen und schließlich eine sozial wirkende Einteilung von Individuen in männlich oder weiblich erlauben.

Generell werden dabei die Mechanismen, die zur Ausprägung des somatischen Geschlechts führen in zwei Kategorien unterteilt: Einerseits gibt es die genetische Geschlechtsdetermination, die auf den genetischen Unterschieden der Geschlechter basiert und andererseits die modifikatorische Geschlechtsdetermination, welche von äußeren Faktoren (z. B. Temperatur) abhängt. Erstere führt u. a. bei den Säugetieren, letztere u. a. bei vielen Reptilien zu einer somatischen Geschlechtsfestlegung.

Inhaltsverzeichnis

Genetische Determinationssysteme

Geschlechtsdetermination bei Säugetieren nach dem XY-System

  Die XY-Determinierung ist ein gut verstandenes System. Sie kommt beim Menschen, manchen Säugetieren und einigen Insekten vor. Bei der XY-Determinierung ist der weibliche Genotyp durch das Vorhandensein zweier X-Chromosomen (XX) charakterisiert, während der männliche Genotyp ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom (YX) besitzt. Bei manchen Spezies (einschließlich des Menschen) determiniert das Vorhandensein des Sry-Gens auf dem Y-Chromosom die Ausprägung zum männlichen Phänotyp, bei anderen (Fruchtfliege) induziert die Anwesenheit zweier X-Chromosomen die weibliche Genitalentwicklung. Die XY-Determinierung wurde unabhängig voneinander erstmals 1905 von Dr. Nettie Stevens und Edmund Beecher Wilson beschrieben. Ausgangspunkt für die Geschlechtsdifferenzierung bei Säugetieren ist die bipotente Gonadenanlage. In Säugetieren induziert das Y-Chromosom die Entwicklung der Hoden und damit die männliche Sexualentwicklung. In Abwesenheit des Y-Chromosoms differenziert sich die bipotente Gonadenanlage zu Ovarien. Molekulargenetische Studien zeigten, dass für die Entwicklung der Gonaden sowohl das Y-chromosomale Gen Sry als auch autosomale und X-chromosomale Gene verantwortlich sind. Ein beeindruckender Beweis für diese These stammt aus Versuchen mit Kaninchen. Jost (1953) kastrierte embryonale Kaninchen in Utero in einem Entwicklungsstadium, in dem die Differenzierung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane noch nicht eingesetzt hat. Die Entnahme der Gonaden zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Embyonalentwicklung führte sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Kaninchen zur Ausbildung weiblicher Geschlechtsorgane. Diese Experimente zeigten, dass die Anwesenheit der Hoden die Ausbildung der weiblichen Geschlechtsorgane unterdrückt, während sie die Entwicklung des männlichen Phänotyps fördern.

Die Entwicklung der inneren Geschlechtsorgane wird durch die Wolffschen und Müllerschen Gänge bestimmt. Aus den Wolffschen Gängen differenzieren sich die Nebenhoden, die Samenleiter und die Samenblasen. Aus den Müllerschen Gängen entwickeln sich der Uterus, die Eileiter und die oberen zwei Drittel der Vagina. Im männlichen Embryo wird die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane durch das Wachstumshormon „Müllerian Inhibiting Substance“ (MIS) reprimiert, das in den Sertolizellen des embryonalen Hodens produziert wird. Zeitgleich produzieren die Leydigzellen des Hodens Testosteron, welches die Differenzierung der Wolffschen Gänge fördert. In Abwesenheit von MIS entwickeln sich im weiblichen Embryo die Müllerschen Gänge zu Uterus, Eileiter und den oberen 2/3 der Vagina.

Mutationen der XY-Determinierung

Das für die Geschlechtsdetermination hauptverantwortliche Gen SRY verbleibt während der väterlichen Keimzellreifung normalerweise auf dem Y-Chromosom. In seltenen Fällen (Häufigkeit ca. 1:10000 Männer) kommt es zu einer Übertragung des Gens auf das X-Chromsom. Dadurch entstehen Individuen mit weiblichem Genotyp (XX) und männlichem Phänotyp. Sie haben männliche innere und äußere Genitale, jedoch meist kleine Hoden und leiden an durch Azoospermie verursachter Infertilität. Es wurden auch schon XX-Männer beschrieben, bei denen SRY nicht nachweisbar war. In diesen Fällen übernehmen X-chromosomale oder autosomale Gene die Funktion von Sry.

Darüber hinaus gibt es auch XY-Frauen. Dieses durch den Endokrinologen G. Swyer in den 50er Jahren erstbeschriebene und nach ihm benannte Syndrom zeichnet sich durch fehlende Hodenentwicklung und Genitalentwicklung trotz männlichen Genotyps aus. Es tritt sehr selten auf (Häufigkeit ca. 1:100.000 Frauen). Die primären Geschlechtsorgane Uterus, Clitoris, Vagina) sind normal "weiblich" ausgeprägt, jedoch werden da xy-chromosomal keine Ovarien ausgebildet - jedoch sogenannte Stranggonaden, die mehr oder weniger hormonaktiv sein können. Bis zur Pubertät verläuft die Entwicklung normal "weiblich" - es tritt eine mehr oder minder ausgeprägte Virilisierung ein, eine "weibliche" Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Brustentwicklung, Schambehaarung, Menstruation) bleibt aus. Die genetische Ursache ist in 30% der Fälle ein defektes oder fehlendes SRY-Gen. 70% der Fälle sind ungeklärt.

Geschlechtsdetermination bei Vögeln nach dem WZ-System

Bei Vögeln und einigen Insekten ist die Situation umgekehrt. Bei der WZ-Determinierung haben die Weibchen zwei unterschiedliche Geschlechtschromosomen (WZ) und die Männchen zwei gleichartige Geschlechtschromosomen (ZZ). Auf dem W-Chromosom wurden analog zum Sry-Gen auf dem Y-Chromsom bei Säugetieren geschlechtsdeterminierende Kandidatengene identifiziert.

Dosisabhängige Geschlechtsdetermination

Die schwarzbäuchige Taufliege (Drosophila melanogaster) nutzt zur Determinierung des Geschlechts einen Titrationsmechanismus. In der diploiden Zygote löst das Vorhandensein von zwei X-Chromosomen die weibliche Embryonalentwicklung aus, während ein einzelnes X-Chromsom zur Entwicklung männlicher Fliegen führt. Entscheidend ist also das Verhältnis zwischen Gonosomen (Geschlechtschromsomen) und Autosomen.

Modifikatorische Determinationssysteme

Temperaturabhängige Geschlechtsdetermination bei Reptilien

Bei Krokodilen dagegen hängt das Geschlecht von der Außentemperatur der Eier ab: bis etwa 30°C werden es Weibchen, ab 34°C entstehen nur noch Männchen. Bei Temperaturen dazwischen schlüpfen Krokodile beiden Geschlechts. Bei Schildkröten ist es umgekehrt. Warme Umweltbedingungen führen zu weiblichen Nachkommen, kühlere Temperaturen zu männlichen.

Andere Determinationssysteme

Außer diesen Systemen zur Geschlechtsdeterminierung gibt es auch im Tierreich noch exotischere Formen. Manche Spezies sind Hermaphroditen und haben sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane. Anemonenfische sind sequenzielle Hermaphroditen. Zunächst sind sie männlich und wechseln dann das Geschlecht. Einige Fisch-, Eidechsen- und Insektenarten sind allesamt weiblich und reproduzieren sich durch Parthenogenese. In einigen Arthropoden wird das Geschlecht durch die Infektion von Bakterien der Gattung Wolbachia determiniert. Bei den Pflanzen ist die große Mehrzahl hermaphroditisch. Hier wird zwischen zwittrig (zwittrige Blüten) und monözisch (männliche und weibliche Blüten an einer Pflanze) unterschieden, im Gegensatz zu diözisch, zweihäusig getrenntgeschlechtlich. Hier gibt es unterscheidbare Geschlechtschromosomen. Diözische Pflanzenarten stellen aber eher die Ausnahmen dar, die evolutionär sehr jung sind. Hierunter fallen aus den Reihen der Bedecktsamer (Angiospermen) z.B. die Lichtnelke (Silene latifolia), die Große Brennnessel (Urtica dioica, mit Hinweis auf die Diözie im Artnamen), das Cannabis (Cannabis sativa), die Papaya (Carica papaya) oder auch der Ginkgo (Ginkgo biloba), als ein Vertreter der Nacktsamer (Gymnospermen). Es wird angenommen, dass die Getrenntgeschlechtlichkeit evolutionär jünger ist als die Hermaphroditie.


Siehe auch: Hoden-determinierender Faktor - genetisches Geschlecht - gonadales Geschlecht

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Geschlechtsdetermination aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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