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Trochlearisparese



Klassifikation nach ICD-10
H49.1 Lähmung des N. trochlearis [IV. Hirnnerv]
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Trochlearisparese ist eine Läsion des Nervus trochlearis, des IV. Hirnnerven. Die Folge ist eine Lähmung des Musculus obliquus superior, einer der äußeren, schrägen Augenmuskeln. Er wird durch den N. trochlearis ausschließlich mit motorischen Fasern innerviert. Eine Trochlearisparese kann partiell oder vollständig, einseitig oder beidseitig auftreten.

Inhaltsverzeichnis

Symptomatik

Primär besteht ein Funktionsverlust des betroffenen Muskels mit entsprechender, inkomittierender Schielstellung und Vergrößerung der Abweichung bei Blick in Muskelzugrichtung. Der M. obliquus superior erfüllt in Abhängigkeit von der jeweiligen Blickrichtung des Auges und bedingt durch seinen anatomischen Verlauf drei unterschiedliche Funktionen: eine senkende (Infraduktion), eine innenrollende (Inzykloduktion) und eine außenwendende (Abduktion). Ein Funktionsverlust bedeutet demnach, dass blickrichtungsabhängig ein Höherstand, eine Verrollung zur Schläfe (außen) und eine Schielabweichung in Richtung der Nase (innen) besteht. Entsprechend treten Doppelbilder auf, die analog der Deviation horizontal, vertikal und verkippt wahrgenommen werden.

In dieser Situation ist der Patient in der Regel bemüht, durch Einnahme einer kompensatorischen Kopfzwangshaltung, die störenden Doppelbilder zu beseitigen und binokulares Einfachsehen zu erlangen. Eine entsprechende Kompensation besteht häufig in der Neigung des Kopfes zur Gegenseite (kontralateral) des betroffenen Auges. Neigt man den Kopf hingegen zur anderen, ipsilateralen Seite, wird ein auffälliger Höherstand des befallenen Auges sichtbar. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Bielschowsky-Phänomen.

Ein weiteres, klassisches Symptom für eine Parese findet sich in der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärschielwinkel.

  • Unter Primärwinkel versteht man die gemessene Schielabweichung bei Fixation des gesunden Auges, unter Sekundärwinkel diejenige, die bei Fixation des betroffenen Auges gemessen wird. Beim Lähmungsschielen ist nach dem Heringschen Gesetz der seitengleichen Innervation der Sekundärwinkel immer größer als der Primärwinkel.

Bei beidseitig auftretenden Trochlearisparesen ist es durchaus möglich, dass bei Blick geradeaus in die Ferne (Primärposition) und bei Blickhebung eine auffällige Schielabweichung fehlt, und diese nur bei Blick nach rechts oder links zu Tage tritt. Gleichwohl klagen Patienten in allen Blickrichtungen über Sehstörungen, da es bei Ausfall der einwärts rollenden Wirkung zu einem sich summierenden Verrollungsschielen nach außen (Exzyklotropie) kommt.

Ätiologie

Häufige Ursache einer Trochlearisparese sind Schädel-Hirn-Verletzungen, Aneurysmen, Tumore, Mikroangiopathien oder Schlaganfälle, aber auch Entzündungsprozesse. Da der N. trochlearis als einziger Hirnnerv vollständig kreuzt, werden die beiden Trochlearisnerven an der Kreuzungsstelle auf der Rückseite des Hirnstammes unterhalb der Vierhügelplatte besonders häufig bei Schädeltraumen in Mitleidenschaft gezogen. Weiter gibt es angeborene und frühkindlich erworbene Trochlearisparesen, die jedoch eine andere Symptomatik aufweisen.

Diagnostik und Therapie

Als primär neurologische Störung ist bei einer Trochlearisparese eine entsprechend fachärztliche Abklärung und ggf. Behandlung unumgänglich. Die strabologische Diagnostik besteht in der genauen Messung der Schielwinkel in verschiedenen Blickrichtungen und bei unterschiedlicher Fixation, in der Beurteilung der monokularen Exkursionsfähigkeit(en), des Feldes binokularen Einfachsehens und der eingenommenen Kopfzwangshaltung. Hierfür eignen sich als apparative Untersuchungsumgebung das Synoptometer, bei Freiraumuntersuchungen die sog. Harmswand mit Dunkelrotglasfilter.

Eine weitere diagnostische Abklärung bringt der sogenannte Bielschowsky-Kopfneigetest. Hier wird bei Neigung des Kopfes zur befallenen Seite ein deutlicher Höherstand des paretischen Auges sichtbar, bei Neigung zur gesunden Seite jedoch bleibt eine Schielabweichung aus bzw. ist stark reduziert. Dieses Phänomen wird mit Ausgleichsinnervationen der geraden Vertikalmotoren aufgrund der physiologischen Gegenrollung und der fehlenden einwärtsrollenden Wirkung des M. obliquus superior erklärt.

Je nach Ausmaß der Schielabweichung kann man ggf. mit Prismengläsern eine relative Verbesserung der Situation erreichen. Sollte sich nach Ablauf ca. eines Jahres keine zufriedenstellende Rückbildung der Lähmung eingestellt haben, kann eine zusätzliche Schieloperation zur Reduzierung der Zyklotropie und Kopfzwangshaltung indiziert sein. Art und Umfang hängen von den jeweiligen Befunden ab. Als wirksam haben sich die Methode der Vorlagerung bzw. Faltung des betroffenen M. obliquus superior oder Rücklagerung bzw. Tenotomie des ipsilateralen M. obliquus inferior erwiesen, auch als kombinierte Operation. Eine Intervention an den geraden Vertikalmotoren empfiehlt sich weniger, da hier offenbar fast ausschließlich die Vertikaldeviationen verbessert werden und die rotatorischen Komponenten zu wenig Berücksichtigung finden.

Differentialdiagnose

  • Eine Trochlearisparese ist immer abzugrenzen von einem nichtparetischen, konkomittierenden Strabismus sursoadductorius.
  • Des Weiteren sollte bei posttraumatischen Störungen des M. obliquus superior auch eine Verletzung der Trochlea in Betracht gezogen werden.
  • Bei der Beurteilung der eingenommenen Kopfzwangshaltung sollte ggf. ein Torticollis spasticus ausgeschlossen sein.
  • Ein dissoziiertes Höhenschielen ist ebenfalls mittels geeigneter Untersuchung auszuschließen.

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a., Stuttgart: Enke, 1986, ISBN 3-432-95391-7
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