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Alexander-Krankheit



Die Alexander-Krankheit (Morbus Alexander) ist eine sehr seltene, durch eine Genmutation hervorgerufene so genannte Entmarkungskrankheit. Damit bezeichnet man eine Gruppe von fortschreitenden neurologischen Erkrankungen, bei denen es zu einer Zerstörung der weißen Substanz (Marklager) im Gehirn kommt. Die Erkrankung äußert sich in Demenz und einer Makrozephalie.

Der Erstbeschreiber war W. Stewart Alexander, ein australischer Pathologe, der 1949 das entsprechende Erscheinungsbild eines 15 Monate alten Kindes veröffentlichte.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Die Mehrzahl der Alexander-Fälle tritt sporadisch auf, also ohne eine bekannte Neigung zur Krankheit in der Familiengeschichte. Es gibt jedoch eine Reihe von Familien mit mehr als einem betroffenen Kind. Bei der Mehrzahl der Patienten beginnt die Alexander-Krankheit in der frühen Kindheit. Nach den bislang zur Verfügung stehenden Daten erkranken Frauen häufiger als Männer, etwa zwei Drittel der Patienten sind weiblich. Die Krankheit ist selten: Bis zum Januar 2005 sind weltweit lediglich 57 Patienten beschrieben worden.

Pathologie

Die Alexander-Krankheit ist primär eine Erkrankung der Astrozyten, der Stützzellen des Gehirns (Glia). Diese bilden ein fehlerhaftes Strukturprotein, das GFAP (engl. für saures Gliafaserprotein). Das veränderte GFAP lagert sich zusammen mit Ubiquitin und zwei verschiedenen Hitzeschockproteinen ab und bildet Einschlüsse, die als Rosenthal-Fasern bekannt sind. Man findet diese eosinophilen Fasern im gesamten Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark), allerdings bevorzugt in der Nähe von Blutgefäßen und auf der Gehirnoberfläche. Elektronenmikroskopisch zeigt sich eine enge Verbindung der Rosenthal-Fasern mit Intermediärfilamenten.

Darüber hinaus findet man histologisch eine Demyelinisierung bei älteren Patienten oder eine mangelhafte Myelinisierung bei kleinen Kindern. Dabei sind sowohl sensorische als auch motorischen Nervenfasern betroffen. Die Marklagerdegeneration ist insbesondere bei kleinen Kindern häufig von einer Makrozephalie und manchmal von einem Hydrozephalus begleitet.

Die entmyelinisierten Areale stimmen nicht mit der Verteilung der Rosenthal-Fasern überein. Entmyelinisierung und Faserbildung scheinen also voneinander unabhängige Manifestationen der Krankheit zu sein. Es wird aber angenommen, dass die Degeneration der Astrozyten schließlich zur Entmyelinisierung führt. Bislang ist die exakte Diagnose ohne Sektion oder Hirnbiopsie nur möglich, wenn die Diagnose aufgrund einer Magnetresonanztomografie (MRT) gestellt werden kann.

Genetik

Die Alexander-Krankheit wird durch meist spontane autosomal dominante Mutationen verursacht. Die zugrundeliegende Störung wurde im Jahr 2001 identifiziert und besteht in einer Mutation des auf Chromosom 17 liegenden Gens des GFAP („Saures Gliafaserprotein“) genannten Proteins. Dabei kommt es häufig zu einem Austausch einer Aminosäure. Bis Ende 2005 sind 26 verschiedene Mutationen beobachtet worden. Die meisten betreffen Genregionen, die für die Polymerisation des GFAP zuständig sind. In den meisten Fällen findet sich die Mutation auf dem vom Vater vererbten Allel im Chromosom 17. Da sich die Mutation vermutlich in allen Körperzellen eines betroffenen Individuums findet, wird geschlussfolgert, dass sich die Mutation bei der Spermatogenese des Vaters ereignet hat. Die betroffenen Väter sind somit asymptomatische Genträger, da sich die Mutation bei ihnen nur in einem Teil der Spermien findet.

Klinisches Bild

Das klinische Kardinalsymptom der Erkrankung ist eine mentale Retardierung (geistiges Zurückbleiben) aufgrund einer bevorzugt frontalen Marklagerdegeneration mit begleitender Makrozephalie. Dies zeigt sich in einer progressiven Demenz, Ataxie, Spastizität und Krampfanfällen.

Bei Gewebsuntersuchungen findet man in allen Fällen die oben beschriebenen Rosenthal-Fasern und eine mangelhafte Myelinisierung oder Demyelinisierung.

Diagnose

Der bioptische Nachweis der Einschlusskörperchen beweist bislang das Vorliegen der Erkrankung. Außer bei atypischen Verläufen kann die Diagnosestellung durch eine genaue MRT-Untersuchung unterstützt werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • ausgedehnte frontale Marklagerveränderungen.
  • ein periventrikulärer Saum (in der T1-Wichtung signalintensiv).
  • ein periventrikulärer Saum (in der T2-Wichtung signalarm).
  • Veränderungen in Basalganglien, Thalamus und Hirnstamm.
  • Kontrastmittelanreicherung in bestimmten Hirnregionen.

Wenn vier der fünf Kriterien erfüllt sind, darf die Diagnose „Alexander-Krankheit“ gestellt werden.

Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnose der Erkrankung ist durch die geringe Fallzahl erschwert. Zudem ist die Dokumentation einzelner Fallbeschreibungen unzureichend. Es fanden sich außerdem Fälle einer sogenannten Rosenthal-Faser-Enzephalopathie. Bei diesen erwachsenen Patienten fanden sich die charakteristischen Einschlusskörperchen nur im Hirnstamm und die betroffenen Individuuen scheinen klinisch nicht schwer neurologisch erkrankt gewesen zu sein.

Formen

Seit der Erstbeschreibung der Erkrankung 1949 sind insgesamt vier Formen beschrieben worden:

  • Die häufigste Variante ist die bei Kindern auftretende infantile Form.
  • Die seltenere neonatale Form (bei Neugeborenen) zeigt den am raschesten fortschreitenden Verlauf mit der schlechtesten Prognose.
  • die ebenfalls seltenere juvenile Form (bei Jugendlichen) verläuft milder, die Patienten haben nicht immer eine Makrozephalie und die neurologischen Defizite treten später auf.
  • Es sind verschiedene adulte Formen (bei Erwachsenen) beschrieben worden: Ältere Patienten erleiden ein geringeres Ausmaß an degenerativen Veränderungen der weißen Substanz und haben daher mildere Symptome. Es ist jedoch unklar, ob die Krankheiten, die bei älteren Kindern und Erwachsenen beschrieben werden, alle ein- und dieselbe Krankheit sind und als Alexander-Krankheit bezeichnet werden können. So gibt es eine Rosenthal-Enzephalopathie des Hirnstamms und den Nachweis einer symptomatischen Form der Rosenthal-Faser-Enzephalopathie bei einem Patienten mit AIDS. Bei einem Patienten wurde vermutlich die Diagnose Alexander-Krankheit nur deshalb gestellt, weil er eine Rosenthal-Faser-Enzephalopathie hatte und eine demyelinisierende Erkrankung anderer Ursache. Zudem ist bislang ein Patient beschrieben, der klinisch und neuropathologisch alle Zeichen der Alexander-Krankheit zeigt, bei dem aber keine Mutation im GFAP-Gen nachgewiesen werden konnte (Stand 2003).

Genotyp-Phänotyp-Korrelation

Rodriguez und Mitarbeiter berichteten 2001 in einem Artikel im American Journal of Human Genetics, dass sie 15 Patienten mit der klinisch wahrscheinlichen Diagnose einer Alexander-Krankheit auf Mutationen im Gen für GFAP untersucht haben. Die Patientenpopulation war klinisch heterogen. Die Arbeitsgruppe fand folgende Verteilung. Es wurden neun bisher bekannte Mutationen gefunden. Sodann wurden bei fünf Patienten vier neue Mutationen beschrieben. Die Mutationstypen beschränken sich auf missense Mutationen, die Patienten sind heterozygot (die Mutationen sind also dominant) und die Mutationen treten de novo auf, da die Patienten häufig schon als Kinder versterben. Alle Muationen betreffen den Mittelteil des GFAP-Proteins (Helical-Rod-Domain). Die meisten Mutationen betreffen Aminosäure-Reste, die evolutionär hoch konserviert sind und für die Dimerisation der Proteine und die Formation von Mikrofilamenten verantwortlich sind. Es gibt eine deutliche Korrelation des Schweregrades der Erkrankung zu bestimmten Mutationen. Sie betreffen Mutationen u. a. des Nucleotids 729 im Exon 239. Diese Patienten hatten teilweise eine Lebenserwartung von nur wenigen Monaten bis Jahren. Es fanden sich auch zwei Patienten mit einem sehr schweren Verlauf und neuropathologisch gesicherter Alexander-Krankheit, bei denen bis dato keine Mutation im Strukturgen gefunden werden konnte. Die Autoren schließen aus der Studie, dass die bislang beschriebenen GFAP-Mutationen brauchbare Marker neben radiologischen und neuropathologischen Kriterien für die Diagnose dieser sehr seltenen Erkrankung darstellen.

Verlauf

Die kindliche Form der Alexander-Krankheit beginnt normalerweise im Alter von ungefähr sechs Monaten, kann jedoch zwischen dem ersten und 24. Monat einsetzen. Kinder, die die Alexander-Krankheit als Kleinkinder entwickeln, überleben in der Regel das sechste Lebensjahr nicht. Die physische und mentale Entwicklung sind verzögert, und es wird eine fortschreitende Vergrößerung von Gehirn und Kopf beobachtet, verstärkte spastische Lähmung sowie in einigen Fällen Krämpfe. Die Alexander-Krankheit schreitet schnell fort und ist die seltenste der identifizierten Leukodystrophien. Bislang sind zwei Langzeitverläufe von Patienten mit der infantilen und juvenilen Form dokumentiert, der eine Patient ist inzwischen 20 Jahre alt und der andere 48 Jahre.

Prognose und Therapie

Trotz der Aufklärung der zugrunde liegenden Mutation ist bislang keine Heilung möglich und die Behandlung der Alexander-Krankheit daher ausschließlich symptombezogen und unterstützend.

Quellen

W.S. Alexander: Progressiv fibrinoid degeneration of fibrillary astrozytes associated with mental retardation in a hydrozephalic infant. Brain 72 (1949) 373-381. (Erstbeschreibung) PMID 15409268
M. Brenner et. al.: Mutations in GFAP, encoding glial fibrillary acidic protein, are associated with Alexander Disease. Nature Genetics 27 (2001), S. 117. (Cloning-Paper) PMID 11138011
A.B. Johnson: Alexander disease: a leukodystrophy caused by a mutation in GFAP. Neurochem. Research (2004) 29:961-964. (Review) PMID 15139294
R. Li et. al.: Propensity for paternal inheritance of de novo mutations in Alexander disease. Human Genetics 20 (2005) 1-8. (Besonderer Vererbungsmodus) PMID 16365765

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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Alexander-Krankheit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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