Bewegung statt Hormonspritze: Anti-Aging auf neuen alten Wegen

08-Feb-2002
Bielefeld (dpa) - Es beginnt mit Fältchen. Dann wird die Luft knapp, fordert der einst freudvolle Job den ganzen Einsatz und bleibt die Lust auf der Strecke. Zipperlein wachsen sich zu Leiden aus. Rettung verspricht eine Welle, die Anfang der 90er Jahre in den USA entstanden seit etwa vier Jahren auch auf Deutschland überschwappt: Anti-Aging. Die Jünger der Bewegung halten Hormone für den Jungbrunnen des Menschen. «Hormon-Cocktails», «Bluttuning» oder «Forever-Fun-Fruchtgummi» sollen demnach ewige Jugend verheißen. «Solche Versprechen sind Abzocke», warnt der Allgemeinmediziner Thomas Kleinau. Er hat mit drei weiteren Hausärzten das private Ärztliche Institut für Gesundheitsförderung und Therapie «medmotion» in Bielefeld gegründet. Das Team hält nichts von Hormonbehandlungen und verspricht seinen Klienten weder Potenz im Greisenalter noch ein krebsfreies Leben. «Wir wollen den Menschen ermöglichen, im hohem Alter Fahrrad zu fahren, statt im Rollstuhl zu sitzen», beschreibt Kleinau das Ziel des Instituts. «Es ist nicht unser Ziel, dem Jugendwahn zu frönen.» So hält er auch das Wort «Anti-Aging» für nicht ganz angemessen, sondern spricht lieber von «Better-Aging». Wie Menschen die Lebensqualität im Alter selbst verbessern können, das ermittelt «medmotion» unter anderem mit einem so genannten Age- Scan (Altersbestimmung). Dabei testen Klienten am Computer an sich die Fähigkeiten, die im Alter nachlassen. Zu dem 100 Euro teuren Age- Scan gehören unter anderem Reaktionszeit, Kraft, Kurzzeitgedächtnis und Koordination. Die Ergebnisse gleicht das Computer-Programm mit einer Datenbank ab und ermittelt laut Kleinau so das «Funktionsalter» des Klienten. Dies liege oft höher oder niedriger als das Alter, das im Pass ausgewiesen ist. Der Age-Scan ist jedoch nur ein Baustein. Weiteres Wissen über den Zustand des Klienten liefern etwa der Hormonstatus, die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems oder die Qualität der Blutgefäße. «Da ist vieles möglich, aber das würde ein Vermögen kosten», sagt Kleinau und beteuert, dass er und seine Kollegen nur sinnvolle Untersuchungen empfehlen: «Die Laborpreise machen wir nicht und daran verdienen wir auch nichts. Uns geht es um Informationen». Allein die Laborkosten für ein komplettes Hormonprofil betragen laut Kleinau rund 350 Euro. Bereits der Age-Scan könne zum Beispiel die Information liefern, dass das Kurzzeitgedächtnis nachlässt. Dann raten die Bielefelder Mediziner zum Auswendiglernen von Gedichten, weil das Gehirn wie der Körper mit einem Trainig fit gehalten werden muss. Schwieriger wird es, wenn zum Beispiel das als Schlafhormon geltende Melatonin oder das Vorhormon DHEA abgenommen haben. Hat ein Patient zu wenig von diesen Stoffen, fühlt er sich erschöpft - eben alt. Doch Hormonspritzen bekommen Betroffene von den Medizinern nicht. «Viele verlangen danach. Sie haben von den USA gehört, wo es Hormone im Supermarkt wie Traubenzucker zu kaufen gibt», sagt Kleinau und warnt vor möglichen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs. Statt auf Hormongaben setzt sein Team auf Ernährungs- und Bewegungsprogramme, die die körpereigene Hormon-Produktion anregen sollen. Solche Konzepte hält auch der Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld für seriös. Weil Qualitätskontrollen für so genannte Anti-Aging-Angebote aber bisher fehlten, rät er zur Faustregel: «Wo der pharmakologische Aspekt überwiegt, ist Vorsicht geboten. Anbieter sollten vielmehr Lebensstil, Stressregulation und soziale Komponenten berücksichtigen.» Mit Anti-Aging werde ein privatwirtschaftlicher Gesundheits- und Versorgungsmarkt eröffnet, sagt Hurrelmann. Positiv daran sei, dass der Vorbeugungsgedanke gestärkt werde und Menschen, ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen. dpa bos zl yynwm hu

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