Meine Merkliste
my.bionity.com  
Login  

Spiegelneuron



 


Spiegelneurone (auch: Spiegelneuronen) sind Nervenzellen, die im Gehirn während der Betrachtung eines Vorgangs die gleichen Potenziale auslösen, wie sie entstünden, wenn dieser Vorgang nicht bloß (passiv) betrachtet, sondern (aktiv) gestaltet würde.

Sie wurden vom Italiener Giacomo Rizzolatti und seinen Mitarbeitern bei Affen im Tierversuch entdeckt. In diesen Untersuchungen fiel auf, dass Neuronen im Feld F5c des Großhirns dann reagierten, wenn zielmotorische Hand-Objekt-Interaktionen durchgeführt oder bei anderen – zumindest anatomisch ähnlichen – lebenden Individuen beobachtet wurden.

Ihren Platz haben diese Zellen unter anderem im prämotorischen Cortex von Makaken. Auch bei Menschen konnten diese Neuronen z.B. im Broca-Zentrum nachgewiesen werden, das dem genannten Areal homolog und für die Sprachverarbeitung bedeutsam ist. Es wird derzeit ein ganzes System von Spiegelneuronen angenommen.  

Inhaltsverzeichnis

Bezug zu Empathie und Autismus

In den letzten Jahren hat diese Entdeckung viel Aufsehen erregt, weil diskutiert wird, ob mit den Spiegelzellen der Schlüssel für das Verständnis von Empathie, Sprache und darüber hinaus für die Kultur gefunden worden sei. Auch Autismus-Symptome werden von einigen Forschern mit einem unzureichenden Funktionieren der Spiegelneuronen in Verbindung gebracht. Diese Auffassungen werden besonders von dem in den USA arbeitenden indischen Neurologen Vilayanur S. Ramachandran vertreten. Auf EEGs konnte er bestimmte Wellenfrequenzen finden, die bei gesunden Probanden unterdrückt werden, wenn sie andere Menschen beobachten, bei Autisten jedoch nicht. Er wertete dies als Folge der Aktivität von Spiegelneuronen. Allerdings muss betont werden, dass bislang wissenschaftliche Belege für eine Beteiligung der Spiegelneuronen an Prozessen wie Empathiebildung fehlen und für sprachliche Funktionsleistungen noch nicht in ausreichendem Maße vorliegen.

Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang der Umstand, dass das pure Vorhandensein eines neuronalen Korrelats keine Erklärung psychischer Gegebenheiten darstellt.

Mitarbeiter der Arbeitsgruppe von Sophie Scott vom University College London berichteten im Dezember 2006 im Journal of Neuroscience [1], dass Spiegelneurone auch daran beteiligt seien, dass man ‚automatisch‘ mitlache, wenn eine andere Person zu lachen beginnt. Gelächter sei ‚ansteckend‘, weil die für Spiegelneuronen bekannten Areale im prämotorischen Cortex dann besonders aktiv seien, wenn man positive Gefühlsausdrücke beobachte. In Experimenten hatte man Versuchspersonen Lautäußerungen vorgespielt, die Emotionen wie Triumph, Angst, Freude oder Ekel ausdrückten.

Videotherapie

Aktuell wird die vermutete Beteiligung der Spiegelneuronen an der Sprachverarbeitung in der medizinischen Forschung dazu genutzt, Menschen mit Hirnschäden wie z. B. bei Schlaganfällen zu helfen. Eine daraus entstandene Rehabilitationsmaßnahme ist die Videotherapie. Ergebnisse einer kommerziellen Untersuchungsgruppe von Advanced Telecommunications Research in Kyoto zeigen, dass die Spiegelneuronen sprachlich-akustische Funktionen übernehmen können. In dem Versuch bekamen Probanden ein Video vorgespielt, in denen die von Sprecherinnen und Sprechern vorgelesenen Texte verzerrt oder gestört wurden. In dieser Situation wurden die Spiegelzellen besonders aktiv. Es wird vermutet, dass sie die fehlenden Informationen durch ein Nachvollziehen der Gesichtsbewegungen ergänzen.

Psychotherapie

Eine praktische Anwendung wird den Erkenntnissen über das Verständnis von Empathie mitunter in den nicht kanonischen psychotherapeutischen Verfahren des Psychodramas oder der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) zugeschrieben. Man versucht, auch die Ergebnisse anderer Methoden der ‚Körperarbeit‘ (z. B. Alexander-Technik, Feldenkrais und Eutonie) durch die Spiegelneuronen zu erklären, allerdings liegen bislang auch hier noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu vor.

Videos

  • Manfred Spitzer: Spiegelneuronen. RealVideo aus der BR-alpha-Reihe Geist und Gehirn. (ca. 15 Minuten)

Quellen

  1. Jane E. Warren u.a.: Positive Emotions Preferentially Engage an Auditory–Motor "Mirror" System. The Journal of Neuroscience, Band 26, S. 13067, 2006 [1]

Literatur

  • Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst : intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2005. ISBN 3-455-09511-9
  • Giacomo Rizzolatti, Leonardo Fogassi, Vittorio Gallese: Mirrors in the Mind. Scientific American Band 295, Nr. 5, November 2006, S. 30 - 37
  • Vittorio Gallese et al. (1996): Action recognition in the premotor cortex. Brain, Vol. 119, No. 2, 593-609
  • V. S. Ramachandran: Phantoms in the Brain: Human Nature and the Architecture of the Mind Fourth Estate 1999, ISBN 1857028953
  • Giacomo Rizzolatti et al. (1996): Premotor cortex and the recognition of motor actions. Cognitive Brain Research 3 131-141

Siehe auch

  • Carpenter-Effekt


Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Spiegelneuron aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.