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Systemaufstellung




Eine Systemaufstellung ist eine Übung innerhalb einer in Seminarform angebotenen Gruppenveranstaltung und der Oberbegriff für verschiedene Aufstellungsformate, von denen die Familienaufstellung die bekannteste ist. Allen Aufstellungsformaten gemeinsam ist die Vorgehensweise, dass Personen als sogenannte Vertreter eine Benennung – (im Sinne von „Vertreter für …“) – erhalten, im Raum aufgestellt werden und im Zuge einer Prozessarbeit nach ihrer Wahrnehmung innerhalb des aufgestellten Systems befragt werden. Ein Kernpunkt des methodischen Vorgehens bei der Durchführung von Systemaufstellungen ist es, insbesondere solche Systemdynamiken durch die Aufstellungsmethode zu betrachten, die durch logisch rationale Erwägungen i.a. weniger effektiv erfahrbar gemacht werden können. Zielsetzungen können dabei auch allgemeine Klärungsanliegen oder Fragen zum Management und Selbstmanagement innerhalb sozialer Systeme (z. B. bei Fragen aus dem beruflichen Kontext) wie z. B. bei Organisationsaufstellungen oder Strukturaufstellungen sein. Bei Drehbuchaufstellungen wird z. B. die Publikumswirksamkeit oder auch Stimmigkeit literarischer Werke durch den jeweiligen Autor erörtert bzw. hinterfragt. Bei allen Systemaufstellungen wird davon ausgegangen, dass die Vertreter in dem so aufgestellten System Aussagen machen (können), die den Aussagen bzw. Dynamiken des realen Systems nahe kommen und so eine Hilfe für Entscheider darstellen.

Inhaltsverzeichnis

Aufstellungsformate

  • Familienaufstellung
    • Aufstellung des sog. Herkunftssystems
    • Aufstellung des sog. Gegenwartssystems
  • Organisationsaufstellungen, z. B.
    • Teamaufstellung
    • juristische Aufstellung
    • politische Aufstellungen
    • Managementaufstellung
    • Projektaufstellung
  • Strukturaufstellungen, z. B.
    • Problemaufstellung
    • Zielannäherungsaufstellung
    • Entscheidungsaufstellung, z. B. Tetralemmaaufstellung (Tetra = 4; bekannter: Dilemma)
    • Aufstellung innerer Dispositionen, z. B. Aufstellung des inneren Teams, Ich-und-Selbstaufstellung
    • Glaubenssatzaufstellung, Glaubenspolaritätenaufstellung
    • Aufstellungen mit speziellen Themenschwerpunkten wie: Umgang mit bzw. Beziehung zum Geld, Erfolg oder Zeitmanagement
    • Aufstellung mit bzw. nach sprachlicher Oberflächenanalyse
  • experimentelle und Archetypaufstellungen, z. B.
    • Drehbuchaufstellungen (für Autoren)
    • Aufstellungen von Mythen und Märchen

Ablauf

Rahmenbedingungen

Systemaufstellungen werden üblicherweise in Seminarform als Gruppenveranstaltung mit mindestens 8 Teilnehmern angeboten, da zur Durchführung einer Aufstellung im Allgemeinen mehrere Personen als sogenannte Vertreter benötigt werden.

Vorbesprechung und Formatwahl

Vor Beginn einer Aufstellung wird die Person, die um eine Aufstellung zu einem bestimmten Klärungsanliegen gebeten hat, vom Seminarleiter (im Beisein der anderen Teilnehmer) zum Anliegen interviewt. Zweck dieses Interviews ist es, das zum Anliegen gehörende System (Organisation, Personengruppe, Ziele, Problematiken, …) und Systemgrenzen in Erfahrung zu bringen, damit der Seminarleiter aus den Schilderungen die Anzahl und Auswahl der für die Systemaufstellung erforderlichen Vertreterbezeichnungen festlegen kann.

Nach dem Eingangsinterview wählt der Seminarleiter ein Format für die Aufstellung. Das Format kann im Allgemeinen eine Organisationsaufstellung oder Familienaufstellung und im Speziellen eine der Strukturaufstellungsformate sein. Das Ensemble bzw. die Auswahl der Vertreterbenennungen einer Aufstellung und bei Strukturaufstellungen ggf. auch Standards in der Vorgehensweise wird als Aufstellungsformat bezeichnet.

Die Formatwahl und Durchführung einer Aufstellung sei (zur besseren Veranschaulichung) am Beispiel einer Organisationsaufstellung verdeutlicht. Angenommen ein Unternehmen habe eine schwierige Kundenbeziehung zu einem bestimmten einzelnen Kunden, ohne dass die Ursache dafür – abgesehen von sich immer wiederholenden, offenbar grundlosen Reklamationen oder Beanstandungen – ersichtlich oder rational erklärbar wäre. Im Eingangsinterview wird vom Seminarleiter geklärt, welche Personen, Abteilungen, Produkte oder Dienstleistungen in Beziehung zu diesem Kunden bzw. Klärungsanliegen stehen. Für jedes Element dieses Systems (z. B. Kunde, Vertriebsbeauftragter, Produkt, Produktionsleiter, Unternehmensleitung) wird ein Vertreter aus den anwesenden Teilnehmern gewählt.

Aufstellen

Der Klient wählt für jede Vertreterposition einen Seminarteilnehmer aus. Jeder Teilnehmer, der sich für diese Aufstellung hat auswählen lassen, vertritt (daher der Name Vertreter) einen der oben aufgeführten Systemteilnehmer. Der Teilnehmer, der das Klärungsanliegen hat, stellt die gewählten Vertreter wortlos d. h. ohne Kommentierung und gesammelt (d. h. aufmerksam bzw. achtsam) im Raum auf. Die Freiheitsgrade für die Positionierung sind dabei Ort und die Blickrichtung.

Befragung und Interventionen

Die gewählten Vertreter, die keinerlei Vorkenntnisse über das reale System (in dem sie nun eine Vertreterrolle innehaben) haben, werden nach einer kurzen Phase der Einfindung nach Veränderungen ihrer Wahrnehmung befragt.

Wahrnehmungen können dabei sein:

  • Veränderungen im Körperempfinden (Wärme, Kälte, Schwere in den Gliedmaßen …)
  • Empfindungen von Zugehörigkeit, Distanz, Nähe zu anderen Vertretern im System
  • plötzliche Impulse, die Position im System räumlich verändern zu wollen
  • unerwartete Gedankengänge und Ideen in Bezug auf das aufgestellte System
  • Emotionen von Ärger, Erleichterung, Unruhe, Erwartungen, Last bzw. Bürde …

Jedoch wird an die Vertreter keine Erwartung herangetragen, in irgend einer Weise eine Ergebnis oder eine Leistung zu erbringen oder zwangsläufig eine Wahrnehmungsveränderung zu verspüren und so kommt es durchaus auch vor, dass einzelne Vertreter eine Rolle erhalten haben, die eine sogenannte schwache Dynamik aufweist, bei der der Vertreter kaum eine oder gar keine Wahrnehmungsveränderung erfährt – während andere Vertreter der gleichen Aufstellung überaus deutliche Wahrnehmungsveränderungen verspüren können.

Der Seminarleiter kann zur Erarbeitung eines sog. Lösungsbildes die Position der Vertreter im Zuge einer Prozessarbeit auch verändern (die Vertreter umstellen) und Sätze vorgeben und dabei die Wirkung dieser Interventionen auf das aufgestellte System erkunden. Ein Lösungsbild ist, nach erfolgter Prozessarbeit, z. B. dann gefunden, wenn jeder der Systemteilnehmer frei von systembelastenden Symptomen ist, einen kraftvollen Platz im System gefunden hat und die Systemteilnehmer in sinnvoller d. h. konstruktiver Weise miteinander kommunizieren bzw. wechselwirken.

Zum Ende der Aufstellung werden die Vertreter vom Aufstellungsleiter explizit (d. h. expressis verbis) aufgefordert sich zu „entrollen“ d. h. sich von aus ihren Vertreterrollen zu lösen, aus dem Feld der Aufstellung herauszutreten und sich wieder mit ihrer eigenständigen und individuellen Persönlichkeit zu identifizieren. (siehe auch: Vergleichbarkeiten)

Beobachtungen und Interpretation

Diese Effekte (in Form von Wahrnehmungsveränderungen), die reproduzierbar in Aufstellungen auftreten, werden mit dem Begriff der repräsentierenden Wahrnehmung bezeichnet. Bei den Systemaufstellungen ist zu beobachten, dass die Vertreter in dem so aufgestellten System Aussagen machen (können), die den Aussagen des realen Systems nahe kommen und so intuitiv oft stimmige (und damit aufschlussreiche) Aussagen über Dynamiken des realen Systems machen können und auf diese Weise eine Hilfe für den Klienten als Entscheider und Teilnehmer im realen System darstellen. Für die aufgestellten Vertreter ist es im Allgemeinen gut erkennbar, dass bzw. wenn die Wahrnehmungen nicht ihnen selbst sondern dem System und der Rolle zuzuordnen sind, da sie sich zum einen auf ein Element des Systems richten und falls sie insbesondere nicht zu ihren eigenen üblichen Erfahrungsspektrum gehören. Andererseits kommt es gelegentlich auch vor, dass Vertreter für eine Aufstellung eine ähnliche Vertreterrolle erhalten wie sie sie auch in ihrer eigenen Lebenssituation häufig innehaben und damit aus ihre eigene Lebenssituation Erfahrungen oder Muster einbringen und damit eine unerwünschte Überlagerung der Wahrnehmungen in der Aufstellung entstehen lässt. Erfahrene Aufstellungsleiter werden den Vertreter in diesem Falle – der von Außenstehenden i.a. nicht leicht erkannt werden kann – austauschen. Eine gegensinnige bzw. die Wahl von für die Rolle untypischen Vertreter (z. B. bedächtige Personen als Vertreter für eher spontan wirkende Personen o. Ä.) kann aus diesem Aspekt heraus sinnvoll sein.

Aber auch der Fall, dass ein Vertreter aus seiner Rolle heraus einem anderen Vertreter im System eine dieser Rolle nicht angemessenen Bedeutung beimisst (bzw. wahrnimmt) kommt vor und kann als ein sich in der Aufstellung manifestierendes und zum System gehöriges Übertragungsphänomen interpretiert, bearbeitet und mit einer geeigneten Prozessarbeit aufgelöst werden.

Aufgabe des Seminarleiters ist es, mit diesen Aussagen der Vertreter zu arbeiten und für den bzw. mit dem Seminarteilnehmer eine Lösungsmöglichkeit zu erarbeiten.

Auch wer die Interpretation, dass Aufstellungen die unbewusste Ebene aufdecken können, nicht teilt, müsste anerkennen können, dass Aufstellungen ein Hilfsmittel sein können, Fremd- und Selbstbild von Personen bzw. Innenansicht und Außenansicht von Organisationen abzugleichen und als Entscheidungshilfen für das Selbstmanagement und für das Management von Systemen (auf die der Aufstellende Einfluss und Entscheidungsbefugnis hat) heranzuziehen – selbst dann, wenn das sich in der Aufstellung zeigende Szenario nur als Inspirationsquelle gewertet würde.

Anwendungsspektrum

  • Therapie
Die Wurzeln der Aufstellungsarbeit liegen im therapeutischen, insbesondere psychotherapeutischen, Umfeld (siehe auch: Vorläufer und Einflüsse). Sie hat dort auch heute noch (2006) ihren Hauptanwendungsbereich. Begriffsklärung: Unter Therapie wird in diesem Artikel eine Arbeit im Rahmen psychotherarpeutischer Interventionen bei Vorliegen einer Symptomatik von krankheitsstelligem und behandlungsbedürftigem Rang verstanden. Aufstellungsformate: Familienaufstellungen.
  • Sozialarbeit und Pädagogik
Aufstellungsarbeit wird auch für Gruppen und Berufstätige in sozialen und pädagogischen Berufen angeboten und praktiziert. Aufstellungsformate: Familienaufstellungen, Organisationsaufstellungen, Supervisionsaufstellungen;
  • Selbstmanagement
Aufstellungen werden in diesem Anwendungsbereich herangezogen, um die Wahrnehmung, Selbstmotivation und das Selbstmanagement zu fördern. Anwendungsbeispiel: Entscheidungen zum Berufsweg oder Selbstständigkeit; Aufstellungsformate: Familienaufstellungen, Strukturaufstellungen.
  • Management
Organisationsaufstellungen oder Managementaufstellungen werden als Hilfsmittel genommen um Managemententscheidungen zu hinterfragen oder vorzubereiten. Aufstellungsformate: Teamaufstellung, teaminterne Strukturaufstellung, Managementaufstellung, Marketingaufstellung, Drehbuchaufstellungen;
  • spirituelle Entwicklung
Unter spiritueller Entwicklung wird im Rahmen dieses Artikels die Entwicklung zu einer Persönlichkeit mit überdurchschnittlicher persönlicher, emotionaler (siehe auch: EQ) und geistiger Reife verstanden. Aufstellungsformate zur Förderung der (sog.) spirituellen Entwicklung sind z. B. Archetypaufstellungen oder (systemische) Strukturaufstellungen mit Vertreterbezeichnungen, die der antiken Mythologie oder den spirituellen Traditionen östlicher und auch westlicher Weltreligionen entlehnt sind.

Abgrenzung zu Rollenspielen

Es handelt sich bei einer Systemaufstellung keineswegs um ein Rollenspiel, da die aufgestellten Vertreter keinerlei Vorgaben (außer der Benennung sowie Position und Blickrichtung im Raum) erhalten und das reale System auch nicht kennen bzw. nicht kennen sollten um die Vertreterrolle möglichst unbefangen ausfüllen zu können. Es handelt sich auch nicht – wie im Rollenspiel – um eine Trainingsmaßnahme für die Vertreter. Die Vertreter erhalten auch nicht die Aufgabe, sich Sprechrollen auszudenken. Einzige Aufgabe der Vertreter ist es, ihre Wahrnehmungen zu schildern und so dem Teilnehmer der um Klärung nachsucht Anregungen und Impulse zu geben.

Eine praktische Erprobung mit entsprechend ausgebildeten Aufstellern ist Interessenten von Systemaufstellungen anzuraten, da die Effekte der repräsentierenden Wahrnehmung und die Beobachtung der Stimmigkeit der Aussagen der Vertreter im Vergleich zum realen System theoretisch nicht bzw. kaum nachvollziehbar vermittelt werden können. In jedem Falle bedarf es einer experimentellen, unmittelbaren und eigenen Erfahrung, um die Effekte der repräsentierenden Wahrnehmung einschätzen zu können, da die Wahrnehmungsveränderungen theoretisch zwar benannt werden können, damit aber noch nicht nachvollziehbar sein dürften.

Spektrum der Seminarangebote

Aufstellungsseminare haben üblicherweise eine Dauer von 1 bis 4 Tagen. Einige Anbieter bieten sogenannte Schnupperabende mit einer Dauer von 3 Stunden an, für die keine Voranmeldung erforderlich ist, aber auch keine Aufstellung zu einem eigenen Anliegen erwartet werden kann. Die Teilnehmer können sich als Vertreter zur Verfügung stellen oder erhalten eine eigene Aufstellung, wenn der Zeitrahmen dazu noch ausreicht.

Auf Übersichtsseiten im Internet sind Aufstellerverzeichnisse für den deutschsprachigen Raum erhältlich, die nach Land, Bundesland, PLZ oder Aufstellerklasse (Familienaufstellung, Organisationsaufstellung, Strukturaufstellung) sortiert sind.

Weiterbildungen zum Systemaufsteller beinhalten eine Reihe Seminarmodulen, die i.a. über eine Zeitraum von 1 bis 4 Jahren verteilt sind.

Das Erlernen der Technik der Moderation einer Aufstellung ist in der Komplexität mit dem Erlernen einer Sprache vergleichbar. Jeder Aufsteller hat seinen eigenen Stil eine Aufstellung zu moderieren, einen eigenen Ausbildungshintergrund und Arbeitsschwerpunkt. Auch beim selben Aufsteller findet man im Allgemeinen dennoch keine zwei Aufstellungen (abgesehen von strukturellen Vergleichbarkeiten) die inhaltlich gleich ablaufen bzw. abgelaufen sind.

Die Bezeichnung Aufstellungsleitung hat sich für die Rolle der Person, die die Prozessarbeit während der Aufstellung macht etabliert – ungeachtet des Umstandes, dass der Leiter einer Aufstellung nicht festlegen kann in welcher Weise sich die aufgestellten Vertreter äußern oder wahrnehmen. Obwohl der Aufstellungsleiter einzelne Interventionen einleiten kann, kann er dennoch nicht bestimmen, welche Entwicklung eine Aufstellung nimmt und ist damit gehalten, mit der Aufstellung als System auch zu kooperieren. Der Begriff Aufstellungsmoderator wäre unter diesem Aspekt angebrachter. Bei den systemischen Strukturaufstellungen spricht man daher auch vom Gastgeber der Aufstellung. Der Umstand, dass der Leiter/Moderator mit dem Aufstellungsbild kooperiert wird unter Aufstellern als Mit dem Feld gehen genannt und soll verdeutlichen, dass der Leiter dem System keine Dynamik (bzw. Wahrnehmung) aufzwingen kann – sondern die Systemdynamiken beachten muss, wenn er eine Lösungsmöglichkeit erarbeitet.

Bei Aufstellungen, die mit ungeübten Vertretern durchgeführt werden, ist es üblich, dass sich die Vertreter jeweils erst dann äußern, wenn sie vom Aufstellungsleiter befragt werden. Dennoch kann der Leiter bei einzelnen Aufstellungen (z. B. Strukturaufstellungen) einen einzelnen Vertreter benennen, der sich nach eigenem Dafürhalten innerhalb des Feldes frei bewegen und agieren kann. Dieser Vertreter wird dann auch als freies Element bezeichnet. Aufstellungsvarianten, bei denen sich alle Vertreter frei bewegen können, werden auch mit dem Begriff bzw. der Metapher Bewegung der Seele bezeichnet und werden insbesondere erst bei Aufstellungen mit erfahreneren Vertretern durchgeführt.

Erklärungsmodelle und Vergleichbarkeiten

Allgemein anerkannte wissenschaftliche Erklärungen für die auftretenden Effekte (die auch mit „repräsentierender Wahrnehmung“ umschrieben werden) fehlen. Das morphogenetische Feld (für Systemaufstellungen auch „das wissende Feld“ genannt) wurde als Grundlage für ein theoretisches Erklärungsmodell auf Fachkongressen erörtert. Auch von der Transpersonalen Psychologie erwarten Befürworter Ansatzpunkte für Erklärungsmodelle.

Systemische Aufstellungen sind mittlerweile Gegenstand wissenschaftlich universitärer Untersuchungen, Diplomarbeiten (Rädiker, 2002, [1]; Pichler, 2003, [2]) und auch abgeschlossener Promotionsarbeiten geworden. (Schlötter, 2005, [3])

Um die Aussagen und die Wirksamkeit von Aufstellungen abzuklären, können z. B. folgende Maßnahmen durchgeführt werden und wurden in experimentellem Rahmen durchgeführt:

  • Parallelaufstellung: Die selbe Aufstellung zeitgleich in von eineinander getrennten Räumen durchführen und die Aussagen vergleichen
  • Repräsentantenwechsel: Einzelne Vertreter einer Aufstellung während der Aufstellung durch andere Personen austauschen.

Vergleichbarkeiten:

Durch die Benennung, die die Vertreter erhalten und durch ihr erklärtes Einverständnis, als „Vertreter für …“ aufgestellt zu werden erhalten diese bereits (unabhängig davon, dass sie zum Anliegen des aufstellenden Klienten indifferent bzw. unbefangen sind bzw. sein sollten) bereits eine Art Suggestion bzw. Präparation ihrer Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungsfilter. Diese Präparation wird unterstützt durch eine ritualisierte und gesammelte Art und Weise wie die Vertreter aufgestellt werden: Nämlich in der Weise, dass der Vertreter sich durch die Führung des Aufstellenden bereitwillig und gesammelt (im Sinne von aufmerksam) an ihren Platz führen lassen und damit bereits in eine Art (mechanisch induzierten) Rapport und Rollenannahme gehen lassen. Ersteres kann jedoch nicht für die sog. verdeckte Aufstellung gelten.

  • verdeckte Aufstellung: Die Vertreter erfahren vor oder während der Durchführung der Aufstellung nicht, für welche Benennung sie als Vertreter gewählt wurden.

Die Aussagen einer Aufstellung sind als probabilistische Aussagen in ihrer Gesamtstruktur und als Wahrscheinlichkeiten anzusehen, vergleichbar mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff wie er in der Quantenmechanik für die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten von Teilchen verstanden wird. Von daher sind konkrete Einzelaussagen nicht als absolut wahr oder sicher für das reale System anzusehen und mit einer gewissen Unschärfe behaftet. Dies schmälert jedoch den Wert, der probabilistischen Aussagen einer Aufstellungen von den Befürwortern beigemessen wird in keiner Weise, da die Gesamtaussage einer Aufstellung als Ausgangspunkt für den Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie als Orientierung für das Selbstmanagement genommen werden kann. Gleichwohl kommt es auch häufig vor, dass Aufstellende, die auch das reale System kennen selbst einzelne Aussagen von Vertretern als sehr stimmig für die vertretenen Personen wiedererkennen.

Meinungen, Klarstellungen und Kritik

kritische

  • Modelle, die die Wirkungsweise von Aufstellungen umschreiben, wie das „morphogenetische Feld“, werden von Kritikern als unwissenschaftlich angesehen und der Esoterik zugeordnet.
  • Aufstellungsseminare werden (Anm.: z. B. außerhalb eins psychotherapeutischen Kontextes) auch von Personen ohne umfassende psychologische oder psychotherapeutische Ausbildung angeboten. Die Teilnehmer werden über das Aufstellungsseminar hinaus nicht oder fachlich unzureichend weiterbegleitet.

befürwortende

  • Verschiedene Formen von Aufstellungen werden in der Psychotherapie (Systemische Therapie, Psychodrama) erfolgreich angewendet und haben sich als hilfreiches Werkzeug etabliert.

indifferente

  • Zitat: „Das generelle Problem, das die öffentliche und fachliche Auseinandersetzung um die sogenannte Aufstellungsarbeit charakterisiert, ist die Polarisierung in feindliche Parteien, verbunden mit einer Schwarz-weiß-Malerei und Entdifferenzierung der Diskussion.“ (Simon, 2005 [4])
  • Eine Systemaufstellung hat nicht à priori eine psychotherapeutische Wirkung; ebensowenig wie dies z. B. für ein Gespräch gelten kann. Wenn Familienaufstellungen z. B. von approbierten Psychotherapeuten oder Aufstellern mit Heilpraktikerzulassung angeboten werden, so bedarf es im Allgemeinen zur Wirksamkeit in psychotherapeutischer Hinsicht noch der fachkundigen Intervention des entsprechend ausgebildeten Aufstellungsleiters vor, während oder nach der Aufstellung. Auch bzw. selbst die Zielsetzung bei der Durchführung einer Systemaufstellung ist nicht generell und à priori eine therapeutische. Gleichwohl sollte die Tiefenwirkung, die eine Aufstellung haben kann nicht unterschätzt werden (siehe auch: Warnhinweis und Gefahren).
  • Auch von Befürwortern von Systemaufstelungen wird nicht verkannt, dass die Aussagen, die eine Aufstellung macht oder einzelne Vertreter in der Aufstellung machen in keiner Weise als Wahrheitsbeweis anzusehen ist.

Vorläufer und Einflüsse

Vorläufer:

  • Psychodrama, Jakob Moreno (1889–1974); österreichischer Arzt, wählte Stellvertreter für die betreffenden Personen eines zu betrachtenden Konflikts;
  • Familienskulptur von Virginia Satir (wird auch als Familienrekonstruktion angeboten), Virginia Satir (1916–1988); betonte die Bedeutung der räumlichen Anordnung bei der Prozessarbeit bzw. für die Bedeutung der Position von Familien- bzw. Organisationsmitgliedern.
  • Ordnungen und Bindungen: Ivan Boszormenyi-Nagy, Geraldine M. Spark, USA 1973 [5]
  • Familienbrett: Dr. Kurt Ludewig, Prof. Dr. Thea Schönfelder, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wählten Holzfiguren zur szenischen Darstellung;
  • Aufstellung: Ruth McClendon und Leslie B. Kadis (Les Cadis) vom Carmel Institute for Family Business [6], Kalifornien, USA; Bert Hellinger lernte bei ihnen Anfang der 1980er Jahre die Effekte einer Familienaufstellung kennen und baute diese Methode weiter aus [7]
  • Familienaufstellung: Bert Hellinger

Einflüsse:

  • NLP und Hypnotherapie nach Milton H. Erickson (1901–1980); prägend für den Sprachgebrauch in Aufstellungen;
  • Lösungsfokussierte Therapie (en: Solution focused Therapie, SFT), Steve de Shazer, Insoo Kim Berg, Schule von Milwaukee; Lösungsfokussiertheit anstatt Problemorientiertheit;

(Details hierzu siehe auch: Kapitel in Familienaufstellung)

weitere Entwicklungen:

  • Organisationsaufstellungen Gunthard Weber und B. Gross, (1998) und Klaus Grochowiak, 2001, übertrugen die Vorgehensweise der Familienaufstellung auf Arbeitsteams und Organisationen und prägten damit die Klasse der Organisationsaufstellungen
  • systemische Strukturaufstellungen; Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer erweiterten in den 90er Jahren die Aufstellungsarbeit indem sie als Benennung für Vertreter jedweden Begriff, mit dem unsere Wahrnehmung und Bewusstsein in Beziehung steht verwenden, aufstellen und für die Prozessarbeit eine spezielle Grammatik (Vorgehensweise und Konzept) entwarfen und diese Aufstellungsarbeit systemische Strukturaufstellungen nannten. Strukturaufstellungen, nach dem Konzept von Varga von Kibéd durchgeführt, werden von ihm auch mit dem Markennamen (SySt®) gekennzeichnet. Für Strukturaufstellungen in allgemeiner Vorgehensweise hat sich umgangssprachlich der Begriff Strukturaufstellungen etabliert.
  • Archetypaufstellungen; z. B.: Dr. Dimitris Stavropoulos, Griechenland, stellte auf dem internationalen Kongress für Systemaufstellungen in Köln 2005, Aufstellungen antiker Mythen und Märchen sowie den Effekt von Gruppenresonanzen im Rahmen der Aufstellungsarbeit vor

Details zu Aufstellungsformaten

Familienaufstellung:

  • Als Herkunftssystem werden aufgestellt: KlientIn, Geschwister und ggf. Halbgeschwister, Eltern und ggf. deren Geschwister, Großeltern …
  • Als Gegenwartssystem werden aufgestellt: KlientIn, (Ehe)Partner und deren Kinder

Bei Organisationsaufstellungen können einzelne aufgestellte Personen (anders als bei der Familienaufstellung üblich) auch als Vertreter für ganze Personengruppen oder Abteilungen (auch Kundengruppen) eines Unternehmens oder Organisation aufgestellt werden und diese in dem aufgestellten System repräsentieren.

Teamaufstellungen können auch mit dem anwesenden (Original-)Team stattfinden. Man arbeitet hier also nicht mit Stellvertretern wie bei anderen Systemaufstellungen, zum Beispiel Familien- oder Organisationsaufstellungen. Jeder steht für sich selbst, mit seiner eigenen Biographie, seinen persönlichen Eigenschaften und gegenwärtigen Gefühlen. Trotz einiger Besonderheiten gibt es eine unverkennbare Verwandtschaft zu Systemaufstellungen mit Stellvertretern: Gleichermaßen bilden sich soziale Beziehungen physisch, das heißt räumlich-körperlich, ab. Es gelten die gleichen systemischen Ordnungsprinzipien (Bindung, Rangordnung, Ausgleich von Geben und Nehmen).

Bei Strukturaufstellungen werden auch Vertreter für abstrakte Begriff wie „Die Ressourcen“, „Das Ziel“ oder „Das Hindernis“ aufgestellt und können so zur Systemdynamik einen Aspekt oder Beitrag leisten.

Experimentelle Aufstellungen: Neben diesen gebräuchlichsten Aufstellungsformen und -formaten wurden in den letzten Jahren weitere Aufstellungsformate – zunächst in experimentellem Rahmen (unter Fachkollegen) – entwickelt und auf Fachkongressen vorgestellt.

Anmerkung:
Eine Drehbuchaufstellung sollte nicht mit einer Drehbuchinszenierung verwechselt werden, da die Darsteller einer Inszenierung vorgegebene Texte sprechen während die Vertreter einer Drehbuchaufstellung innerhalb der Aufstellung nach Ihrer Wahrnehmung befragt werden und als Vertreter einer Aufstellung generell Personen ausgewählt werden sollten, die möglichst unbefangen in Bezug auf das reale System sein sollten. Am Beispiel der Drehbuchaufstellung bedeutet dies, dass die ausgewählten Vertreter möglichst wenig Vorabinformationen über das Drehbuch haben sollten.

Warnhinweis und Gefahren

Die Teilnahme an Aufstellungen (auch als Vertreter) setzt im Allgemeinen normale körperliche und psychische Belastbarkeit voraus. Normale körperliche Belastbarkeit ist als Teilnahmevoraussetzung anzuraten, da die Vertreter in (selteneren) Einzelfällen auch zeitweilig auftretende psychosomatische Symptome in einer Stärke wahrnehmen könnten, die ein Belastungsmoment darstellen können.

Szenen einer Aufstellung können die Aufmerksamkeit insbesondere der Vertreters auch nach der Aufstellung eine gewisse Zeit auf sich ziehen und die Teilnehmer bei Aufstellungen mit sog. starker Dynamik gedanklich beschäftigt halten, sodass insbesondere unerfahrenen Vertretern (die im Umschalten der Aufmerksamkeit noch weniger flexibel sein könnten) in diesem Falle anzuraten ist, nach der Teilnahme an eine Aufstellung zu prüfen, ob die Konzentration zum Führen eines Kraftfahrzeuges in hinreichendem Maße gegeben ist und gegebenenfalls eine gewisse Zeit abzuwarten um die Eindrücke abklingen zu lassen.

Für die Teilnahme an Aufstellungen in psychotherapeutischem Rahmen und Klientenkreisen (z. B. bei Familienaufstellungen mit entsprechender Zielsetzung) gelten im Speziellen darüber hinaus die für diesen Rahmen gebotenen Sorgfaltsgebote und Regelungen, für die die entsprechend ausgebildeten und zugelassenen Aufsteller Sorge tragen.

Weblinks und Tagungen

  • Handelsblatt Artikel zu Organisationsaufstellungen
  • Informationen zu Systemischen Strukturaufstellungen; Prof.Dr. Matthias Varga von Kibéd, Insa Sparrer
  • Internationales Forum für Systemaufstellungen in Organisationen und Arbeitskontexten (infosyon) e. V.
  • Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen in der Internationalen Gesellschaft für systemische Lösungen (DGfS-IAG)

Tagungen

  • 2007: VI. Internationaler Kongress für Systemaufstellungen, Köln Termin: 25.–28. Mai 2007
  • 2006: 2. Norddeutscher Kongress für Systemaufstellungen, 22.–24. Sept. 2006, Oldenburg
  • 2006: Second International Organization Constellation – Training intensive 15.–22. Oct. 2006, Bergen, NL;
  • 2006: Zweite Internationale Fachtagung: OA meets Management – Systemaufstellung in der Managementberatung
  • 2006: Internationale Tagung Würzburg, Kollektive Intelligenz; Konfliktfelder – Wissende Felder
  • 2005: Internationaler Kongress für Systemaufstellungen, Köln
  • 2003: Internationale Tagung Systemaufstellungen, Würzburg

Literatur und Medien

Organisationsaufstellungen
  • Artikel: „Organisationsaufstellungen in Theorie und Praxis“; Thorsten Groth, Universität Witten/Herdecke, 2004;
  • Gunthard Weber (Hrsg.): Praxis der Organisationsaufstellungen. Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche. Carl-Auer-Systeme Verlag
  • Franz Ruppert: Berufliche Beziehungswelten. Das Aufstellen von Arbeitsbeziehungen in Theorie und Praxis. Carl-Auer Verlag
  • Klaus P. Horn, Regine Brick; Organisationsaufstellungen und systemisches Coaching; Gabal Verlag
  • Kristine Alex (vormals Erb): Die Ordnung des Erfolgs. Einführung in die Organisationsaufstellung. Kösel Verlag
  • Thomas Schleiken: Kooperative Selbstqualifikation mit dem Instrument der Organisationsaufstellung. In: Thomas Schleiken (Hrsg.): Wenn der Wind des Wandels weht. Kooperative Selbstqualifikation im organisationalen Kontext. Rainer Hampp Verlag
  • Artikel (in deutsch): Management by Constellations Michael Rinke, Selbstverlag;
Teamaufstellungen
  • Armin Poggendorf & Hubert Spieler: Teamdynamik – Ein Team trainieren, moderieren und systemisch aufstellen; Junfermann Verlag
Strukturaufstellungen
  • Insa Sparrer; Wunder, Lösung und System; Carl-Auer-Systeme Verlag
sonstiges
  • Ivan Boszormenyi-Nagy, Geraldine M. Spark; Unsichtbare Bindungen – Die Dynamik familiärer Systeme; Klett-Cotta Verlag 2001
  • Katharina Stresius, Joachim Castella, Klaus Grochowiak, NLP und Familienstellen, Junfermann Verlag 2001;
  • Reinhold Fleischhacker: Die Sprache des Raumes – Was uns Konstellationen im Raum sagen können, Frequenz Verlag 2006;
Medien

auch Tonbandmitschnitte und Videoaufzeichnungen von Kongressvortägen werden von Fachverlagen angeboten

siehe auch

  • Systemische Beratung, Systemische Organisationsberatung, Systemische Therapie
  • Personalentwicklung (siehe: Personalentwicklungsmaßnahmen mit unterschiedlicher Tiefenwirkung)
  • Rorschachtest (als triviales Paradigma für eine Aufstellung als Arbeitsmittel bzw. -methode)
  • Probabilistische Aussage (Nichtkausale Aussage über ein (Vielteilchen-)System auf Basis von Wahrscheinlichkeiten, Strukturen oder Erfahrungswerten)
  • Autopoietisches System (sich „aus sich selbst heraus“ erschaffende bzw. entwickelnde Systeme)
  • Kybernetik zweiter Ordnung (Erzeugung subjektiver Realitäten im Nervensystem bzw. Beobachtung der Beobachtung)
  • Psychophysisches Problem und Synchronizität (letzteres: Konzept C.G. Jungs über Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind)
  • Paradigmenwechsel und Spukhafte Fernwirkung (wg. Quanten-Nichtlokalität und nichtlokaler Effekte als Paradigma für Informationsverschränkung)

Quellenangaben

  1. http://www.staff.uni-marburg.de/~eb_ajb/forschung/diplomarbeiten/pdf/raediker2002_01.pdf – Stefan Rädiker, Diplomarbeit an der Philipps-Universität Marburg, 2002;
  2. http://www.diplomarbeit.biz/diplomarbeiten.php/408 – Pichler A., Diplomarbeit an der Fachhochschule Vorarlberg, Österreich, Fachbereich: Betriebswirtschaftslehre;
  3. http://notesweb.uni-wh.de/wg/orga/wgorganisation.nsf/name/050124-DE – Promotionsarbeit an der Universität Witten/Herdecke: Peter Schlötter; Empirische Studie zur Semantik in Systemischen Aufstellungen
  4. http://www.syst-strukturaufstellungen.de/index.php?id=24,21,0,0,1,0 – zitiert nach: Fritz B. Simon, Dr. med. habil., Professor für Führung und Organisation am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke. Systemischer Organisationsberater; Facharzt für Psychiatrie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker (DGPT), systemischere Familientherapeut (SG)
  5. http://www.systemagazin.de/buecher/klassiker/boszormenyi_nagy_bindungen.php Dipl.-Psych. Renate Weihe-Scheidt, Klinische Psychologin/Psychotherapeutin im BDP, Ausbildung am Institut für Familientherapie Weinheim; über: Boszormenyi-Nagy, Professor für Psychiatrie an der Universität in Philadelphia, USA
  6. http://www.carmelfamilybusiness.com/AboutPrincipals.htm
  7. http://www.rabenbauerj.de/journal10.html
 
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