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Oralismus



Als Oralismus wird eine Spracherziehung von tauben und schwerhörigen Kindern bezeichnet, bei der auf Gebärdensprache weitgehend verzichtet wird und stattdessen die Bildung von Sprechlauten und das Ablesen vom Mund im Vordergrund stehen. Oralismus wird immer als eine Spracherziehung unter vollkommenem Ausschluss von Gebärden (reiner Oralismus) oder teilweiser Verwendung von bei Hörenden allgemeinüblichen Gesten (milder Oralismus) verstanden. Synonym dazu ist der Begriff (reine) Lautspracherziehung.

Nicht mit dem Oralismus zu verwechseln ist hingegen die auditiv-verbale Erziehung, die in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA, Großbritannien und in Kanada entwickelt wurde. Die auditiv-verbale Erziehung ist eine gesamtheitlichere Erziehung, weil es nicht nur die Artikulation von Lauten und das Lippenablesen fördert, sondern das auditive Training im Vordergrund steht. Das bedeutet, dass das bei nahezu allen Gehörlosen vorhandene so genannte Restgehör mit den technischen Hilfsmittel wie dem Hörgerät und dem Cochlea-Implantat geschult werden. Anders ist auch die Idee, wie das gehörlose Kind zur Sprache kommt: Es wird nicht einfach darauf trainiert, Laute zu bilden und von den Lippen abzulesen, sondern insbesondere darauf, dass es möglichst viel Input, also Information erhält, damit es die Sprache selbständig verwendet.

Herkunft des Wortes

Das Adjektiv oral, aus dem das Substantiv Oralismus gebildet ist, leitet sich etymologisch von lateinisch os, oris ('Mund') ab und bedeutet 'mündlich'.

Oralisten

Oralisten gibt es heute praktisch nicht mehr.

Heute werden gehörlose Personen, so weit überhaupt lautsprachlich erzogen, nicht mehr oralistisch, sondern auditiv-verbal erzogen.

Oralismus wie auch Oralisten sind abwertende Begriffe, die Gebärdensprachbefürworter gern gegen Befürworter der auditv-verbalen Erziehung benutzen. Daher sind die Begriffe "Oralist" oder "Oralismus" nicht mehr zu verwenden, da sie heute als politisch inkorrekt angesehen werden, weil diese Begriffe auch an die historische Unterdrückung Gehörloser, sich nur auf den Mund zu fixieren, erinnern.

Geschichte

Der Trend zum Oralismus begann um Ende des 18. Jahrhunderts durch Samuel Heinicke in Deutschland. Dies führte zu dem Beschluss des Kongresses der Taubstummenlehrer 1880 in Mailand, in dem das ausschließliche Sprechen und Mundabsehen im Unterricht mit tauben Kindern den Vorzug gegeben und die Gebärdensprache aus dem Unterricht verbannt wurde. Taube Lehrer wurden entweder entlassen oder nicht mehr eingestellt. Daraufhin war die Gebärdensprache in vielen Ländern für lange Zeit verboten. In den USA trat Alexander Graham Bell, Lehrer der Artikulation und Erfinder des "taubfeindlichen" Telefons, vehement für den "reinen" Oralismus auf und benutzte den von ihm für die Erfindung des Telefons gewonnenen Voltapreis für die Propagierung des Oralismus.

Siehe auch: Geschichte der Gebärdensprachen, Geschichte der Gehörlosen

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Oralismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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