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Kleptomanie



Klassifikation nach ICD-10
F63.2 Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Kleptomanie (griech. "kleptein" = stehlen und "mania" = Raserei) bedeutet "Monomanie des Diebstahls" und stammt aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Begriff wird in der Psychiatrie inzwischen nahezu einhellig abgelehnt.

Inhaltsverzeichnis

Deutsche Umschreibungen des Begriffs

u.a.

  • "zwanghaftes Stehlen"
  • "triebhaftes Stehlen"
  • "süchtiges Stehlen"
  • "neurotisches Stehlen"
  • "pathologisches Stehlen"
  • "psychopathischer Stehltrieb"
  • "Stehlsucht"
  • "Stehltrieb"
  • "Diebstahlsleidenschaft"
  • "Stehlen ohne Bereicherungstendenz"
  • "Diebstähle ohne wesentliche Bereicherungstendenz"

Begriffsgeschichte

Der Begriff entstammt der Monomanielehre der französischen Psychiater Jean Etienne Dominique Esquirol und Charles Chretien Henry Marc. Marc prägte den Begriff, der soviel wie „Monomanie des Diebstahls“ bedeutet. Ein Vorläufer des Begriffs war der Begriff „Klopémanie“ des Genfer Arztes André Matthey. Matthey stellte diesen Begriff 1816 in im Rahmen seiner Lehre von der „Pathomanie“ vor (die von Esquirol zur Monomanielehre umformuliert wurde).

Neben der „Monomanie des Diebstahls“ wurden „Monomanien“ zu praktisch jedem denkbaren auffälligem bzw. delinquenten menschlichen Verhalten beschrieben: „hypochondrische Monomanie“, „religiöse Monomanie“, „erotische Monomanie“, „Selbstmordmonomanie“, „Mordmonomanie“, „Monomanie des Reichthums, Ergeizes, Stolzes“, „ascetische, religiöse Monomanie“, „Dämonomanie“, „Erotomanie“, „Monomanie aus Nachahmung“, etc.;

Ablehnung des Begriffs in der forensischen Psychiatrie

Aufgrund der bis zur Beliebigkeit reichenden konzeptionellen Unschärfe wurde die Monomanielehre bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert von der Psychiatrie verworfen; ihre einzelnen Kategorien (z.B. auch die „Kleptomanie“) werden als „kriminalpsychiatrische Kunstprodukte“ (Birnbaum 1926) abgelehnt. Auch die jüngste forensische Psychiatrie lehnt die Monomanielehre und den untrennbar mit ihr verbundenen Begriff "Kleptomanie" völlig ab, da hiermit sozial störendes und delinquentes Verhalten in „unangemessener Weise monosymptomatisch zu Krankheitsbildern hochstilisiert wurde, [...], und damit im Zirkelschluss nahe legte, dass entsprechende Verhaltensweisen als krankhaft einzustufen seien“ (Venzlaff & Pfäfflin 2005, Janzarik 1974, Mundt 1986).

Die forensische Psychiatrie fordert bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit im Zusammenhang mit einem Diebstahl den expliziten Nachweis bekannter psychischer Störungen. Die im "Kleptomanie"-Konzept enthaltenen Merkmale sind i. d. R. soziologischer Natur (Vermögenslage des Diebes in Relation zum Wert des Diebesgutes) und keine Merkmale der Psychopathologie.

Übernahme des Begriffs in die Internationale Klassifikation psychischer Störungen

Überreste der Monomanielehre finden sich noch in der ICD-10 im Kapitel F63 („Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“), u. a. mit der Kategorien F63.2 „pathologisches Stehlen [Kleptomanie]“. Problematisch bleibt dabei, dass durch die Aufnahme des Begriffs "Kleptomanie" in die ICD-10 oder das DSM-IV die Annahme nahe gelegt wird, es handele sich bei Diebstählen mit den Merkmalen der "Kleptomanie" um eine psychische Erkrankung, die sich vor Gericht schuldmindernd auswirkt. (Vgl. auch Diebstahl - 5.3. Problematik um den Begriff "Kleptomanie")

Im Gegensatz zur (fragwürdigen) Übernahme des Begriffs in moderne Klassifikationssysteme (Übersicht bei Müller), wird er aber (ebenso wie die Begriffe „pathologische Stehlen“, „Stehlen ohne Bereicherungstendenz“ etc.) durch die forensische Psychiatrie vehement abgelehnt (Venzlaff & Pfäfflin 2004).

Populärwissenschaftliche Rezeption des Begriffs

In populärwissenschaftlichen Zusammenhängen, in Feuilletons oder gerade auch im Internet taucht der Begriff immer wieder auf, i. d. R. mit der mehr oder weniger offen formulierten Annahme, dass hier doch eine psychische Störung vorliege und kein "gewöhnlicher" Diebstahl. Als Beispiel möge die Vorversion dieses Wikipedia-Artikels dienen:

Zitat

Symptome und Beschwerden

Pathologisches Stehlen liegt dann vor, wenn

  • zwei oder mehr Diebstähle von einer Person durchgeführt werden, ohne dass ein Bereicherungswillen für sich oder andere besteht.
  • bei den Betroffenen ein intensiver Drang zum Stehlen vorliegt und diese ein Gefühl der Spannung vor dem Diebstahl haben und nach dessen Durchführung Erleichterung verspüren.
  • die Betroffenen nach Abklingen des Spannungsgefühls zunächst ein schlechtes Gewissen haben, aber dennoch weiter stehlen.

Chronisches Leiden ist oft nur mit professioneller Hilfe zu überwinden

Ursachen

Die Beweggründe für die Kleptomanie sind vielfältig und bei den Psychologen umstritten. Es ist nicht klar, ob die Kleptomanie einen Zwang oder eine Sucht darstellt.

Einige Psychoanalytiker sind der Meinung, dass das Stehlen eine Art Ersatzbefriedigung für unterdrückte Wünsche darstellt. Weiterhin wird angenommen, dass die gestohlenen Dinge nur einen symbolischen Wert besitzen und auf die jeweiligen verdrängten Teile des Bewusstseins hinweisen.

Eine andere Lehrmeinung geht davon aus, dass die Kleptomanie eine versteckte Form des Widerstands gegen die Gesellschaft sei.

Wieder andere gehen von erregenden Gefühlen beim Stehlen als Motiv für den jeweiligen Diebstahl aus.

Das Klauen setzt beim Kleptomanen einige Hormone frei, die dem Kleptomanen eine Art Glücksgefühl bereiten. Um sich immer wieder den "Kick" zu holen klaut der Kleptomane mit der Zeit immer größere und schwer zu klauende Dinge.

Folgen und Komplikationen

Kleptomanen machen sich durch ihr Verhalten möglicherweise strafbar. Das Diebesgut wird nach der Tat versteckt oder vernichtet. Das Stehlen bereitet dem Kleptomanen ein schlechtes Gewissen.

Behandlung

Die Behandlung der Kleptomanie erfolgt psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch." Zitat Ende

Trivia

Ein Fall von "Kleptomanie" wird in dem Film Marnie von Alfred Hitchcock dargestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Karl Birnbaum: Die psychopathischen Verbrecher. Thieme, Leipzig 1926.
  • Horst Dilling u.a. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F); klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84286-4
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen. Hartmann, Leipzig 1827.
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde. Voß, Berlin 1838 (2 Bde.)
  • Werner Janzarik: Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie. Springer, Berlin 1974.
  • Charles Chretien Henry Marc: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege Voß, Berlin 1843/1844 (2 Bde.)
  • André Matthey: Nouvelles recherches sur les maladies de l’esprit précédées considérations sur les difficulté de l’art de guérir. Paschoud, Paris, 1816.
  • Tobias Müller: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen? In: Rolf Baer u.a. (Hrsg.): Wege psychiatrischer Forschung. Perimed, Erlangen 1991, ISBN 3-88429-390-7
  • Christoph Mundt: Kleptomanie. In: Christian Müller: Lexikon der Psychiatrie. Springer, Berlin 1986, ISBN 3-437-22900-1
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Kleptomanie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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