Meine Merkliste
my.bionity.com  
Login  

Hebephrene Schizophrenie



Klassifikation nach ICD-10
F20.1 Hebephrene Schizophrenie
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die hebephrene Schizophrenie (v. griech. ἥβη „Jugend“ und φρήν „Geist“), gelegentlich auch Jugendirresein, bezeichnet eine Unterform der Schizophrenie, bei der die Veränderungen im affektiven Bereich im Vordergrund stehen.

In der ICD-10, Kapitel V, wird die hebephrene Schizophrenie als F20.1 diagnostiziert. Im DSM-IV wird der sogenannte desorganisierte Typus auf der Achse II eingeordnet.

Klinik und Verlauf

Die hebephrene Schizophrenie führt zu einer flachen Stimmungslage ohne Schwingungsfähigkeit, teilweise resonanzlos, depressiv, ohne emotionale Wärme, dann wieder auffallend durch manchmal läppisch-heiteres oder überhaupt läppisches Benehmen, durch ein nicht nachfühlbares Lachen und eine Inadäquatheit zwischen äußerer Situation und Reaktion. Die Sprache der Erkrankten ist oft gekennzeichnet durch Assoziationslockerungen, durch Danebenreden (Antworten sind nur indirekt oder gar nicht mit der Frage verbunden) oder sogar auch bis zur Unverständlichkeit desorganisiert (Wortsalat, Schizophasie).

Das psychomotorische Verhalten und die Mentalität sind realitätsabgewandt, wirken autistisch und versponnen und erinnern häufig an eine verzerrende Karikatur des Verhaltens Pubertierender. Autismus in diesem Sinne - hat ursächlich nichts mit der gleichnamigen angeborenen neurologischen Besonderheit zu tun - ist ein aktiver Rückzug aus dem Kontakt nicht nur mit Menschen, sondern auch mit der Realität, unter dem Ziel, sich auf eine innere Welt der Phantasie zu beschränken. Ernst Kretschmer (1921) charakterisierte den Autismus schizoider Persönlichkeiten durch Kontaktschwäche bei hoher Empfindsamkeit. Im Verhalten soll sich diese Struktur durch Kontaktarmut nach außen und ein reiches Phantasieleben nach innen niederschlagen. Er sprach von "Festen, die jene Menschen hinter verschlossenen Fensterläden im Inneren feiern".

Das Bewusstsein und die Orientierung bleiben meist erhalten. Die Persönlichkeit verliert jedoch ihr eigentliches, vor der Erkrankung vorhandenes Wesen (schleichender Verlust der Persönlichkeitsstruktur). Das zeigt sich z.B. durch zunehmende Willens- und Entscheidungsschwäche. Oft geht das Denken „an die eigene Zukunft“ verloren und die Erkrankten können nicht mehr arbeiten gehen (Frühberentung) bzw. sehen auch keine Notwendigkeit mehr darin, arbeiten zu gehen. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik ist zumeist ebenso verloren gegangen wie die soziale Kompetenz. Häufig kommt es bei den Patienten begleitend zu Manierismen (=zweckmäßige Bewegungen werden sonderbar anmutend, unnatürlich-gekünstelt und verschroben ausgeführt) und Grimassieren. Die Krankheitseinsicht ist bei den Patienten meistens gleich Null. Andererseits gibt es auch Patienten, denen die Ursache ihres andersartigen Verhaltens (treffender wäre wohl Nicht-Verhaltens) sehr wohl bewusst ist bzw. erfolgreich bewusst gemacht werden konnte. In diesen Fällen bekommen die Kranken dann häufig zusätzlich Depressionen. Aus Verzweiflung neigen einige zur Einnahme von Alkohol bzw. auch Drogen.

Freundschaften sind, wenn überhaupt, rar. Selbst der Kontakt zu Familienangehörigen ist eingeschränkt, bzw. sehen die Erkrankten die Bindung zur Familie oft auch als gelöst (Autismus). Dies kann ein Selbstschutz sein, um möglichen Stress zu vermeiden. Man muss aber auch bedenken, dass es für den Erkrankten schwer ist, Freundschaften zu finden oder zu erhalten, da sein Verhalten für alle anderen bizarr und völlig unverständlich sein kann.

Die Intelligenz bleibt auf gewissen Gebieten erhalten. Ja, man ist sogar erstaunt, „wie eng das Kranke und Gesunde beieinander liegen können“. In besonderen Fällen entwickeln sich sogar außergewöhnliche Fähigkeiten. Kognitive Einbußen sind jedoch mit zunehmendem Alter und Erkrankung möglich.

Der Beginn der Erkrankung liegt zwischen der Pubertät bis zur Mitte des 3. Lebensjahrzehntes, so zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, beim weiblichen Geschlecht meist etwas später (Östrogeneinfluss verzögert den Ausbruch der Krankheit höchstwahrscheinlich etwas), ausgelöst durch besondere Lebens-Anforderungen, Stress-Situationen, denen das erkrankte Gehirn nicht mehr gewachsen ist.

Die Störung wird anfangs häufig nicht erkannt, da Halluzinationen, Wahnideen und katatone motorische Erscheinungen (Bewegungsanomalien) im Hintergrund stehen, den Patienten Imponierverhalten oder asoziales Verhalten zugeschrieben wird und sie als Sonderlinge angesehen werden. Meist entwickelt sie sich schleichend, sehr oft kann man später einen fortschreitenden schnellen Verlauf (Leistungsknick) bis zur „Versandung“ bzw. bis zu einem so genannten schizophrenen Defekt beobachten.

Es dominiert bei der Hebephrenie (=desorganisierte Schizophrenie) die sog. schizophrene Minussymptomatik (negative Symptomatik/Verhaltensdefizite).

Wie alle Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises ist auch die Hebephrenie eine schwere Psychische Erkrankung. Sie ist eine so genannte "endogene Psychose", was bedeutet, dass eine gehirnorganische Ursache angenommen, aber nicht bewiesen werden kann (eine Annahme, die heute sehr umstritten ist). Unter den Subtypen der Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises (paranoider Typus, desorganisierter oder auch hebephrener Typus, katatoner Typus, Schizophrenia simplex) hat der hebephrene Typus im ICD-10 eine eher schlechte Prognose.

Psychopharmaka (Neuroleptika) wirken besonders gut im Falle der positiven schizophrenen Symptomatik („es kommt etwas dazu“ z.B. Halluzinationen, Wahnideen), wie es z.B. beim paranoiden Typus (Neurotransmitter(Stoffwechsel-)störung im Gehirn) der Fall ist. Im Falle der Patienten mit überwiegender Minussymptomatik sind sie weniger wirksam. Hier wird vermutet, dass die Krankheitsursache in hirnstrukturellen Veränderungen mit Zellverlust vor allem im Schläfenlappenbereich liegt.

Als fundamentale Ursache der Erkrankung wird verschiedentlich eine neuronale Entwicklungsstörung des Gehirns, bzw. Teile davon (cerebrale Defizite), bereits im Mutterleib (pränataler Ursprung) vermutet. Ferner haben britisch-schwedische Wissenschaftler um Finn Rasmussen am Karolinska Institut einen statistischen Zusammenhang zwischen dem zunehmendem Alter des Vaters bei der Zeugung und dem Risiko einer schizophrenen Erkrankung gefunden. Der Zusammenhang wird mit der Hypothese erklärt, dass mit steigendem Alter verstärkt Mutationen in den Spermien auftreten, die diese Krankheit begünstigen.

Eine weitere Erklärung für den Ausbruch der Krankheit in der Pubertät (oder etwas später) bietet das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, das zwar eine angeborene „Verletzlichkeit“ (Neigung zur Schizophrenie) voraussetzt, den tatsächlichen Ausbruch der Krankheit jedoch auf äußere Faktoren wie z. B. Stressbelastungen annimmt.

Eine Gruppe um den Anthropologen und Kommunikationsforscher Gregory Bateson und den Kommunikationsforscher Paul Watzlawick entwickelte im Rahmen der Ätiologieforschung zu den schizophrenen Erkrankungen die Doppelbindungstheorie. Sie beschreibt die krankmachende, weil doppelte Bindung eines Menschen an paradoxe Botschaften oder Signale (auch nonverbale z. B. Gesten) und deren Auswirkungen.

Der hebephrene Subtyp der Schizophrenie verläuft in den meisten Fällen chronisch und spricht auf (pharmako-)therapeutische Interventionen in aller Regel nur gering an. Man muss versuchen, die noch vorhandenen vielfältigen gesunden Wesenseigenschaften durch viel Geduld und Liebe zu stärken. Oft sind die Angehörigen verzweifelt bzw. kommen damit nicht klar - vor allem durch die Unfähigkeit des Erkrankten Gefühle zu zeigen (Gefühlskälte) und durch seine Unberechenbarkeit. Er verfügt jedoch über ein reges Innenleben, das er nicht nach außen tragen kann.

Auch später können bei der Krankheit (besonders in Stress-Situationen) noch Schübe auftreten. Nach jedem Schub besteht die Gefahr einer irreversiblen Verstärkung der Minussymptomatik. Gezielt eingesetzt (unter Aufsicht) können Neuroleptika, insbesonders die atypischen, unter Umständen diese Schübe lindern, aber die Krankheit leider nicht heilen.

Diagnose

Für eine Diagnose nach ICD-10 müssen die allgemeinen Kriterien der Schizophrenie erfüllt sein. Für die spezielle Diagnose einer hebephrenen Schizophrenie müssen zudem folgende Kriterien erfüllt sein: eine eindeutige und anhaltende Verflachung oder Inadäquatheit des Affekts; zielloses und unzusammenhängendes Verhalten oder eindeutige Denkstörungen; Halluzinationen oder Wahn können in leichter Form vorkommen, bestimmen das klinische Bild aber nicht.

Therapie

Die medikamentöse Therapie steht oft im Vordergrund, sollte jedoch durch psychotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden. Oft ist eine stationäre Therapie nötig.

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Hebephrene_Schizophrenie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.