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Gustav Jäger



  Gustav Jäger (* 23. Juni 1832 in Bürg; † 13. Mai 1917 in Stuttgart) war ein deutscher Zoologe und Mediziner, der durch zahlreiche naturwissenschaftliche Fachbücher in Erscheinung getreten ist. Außerdem galt sein besonderes Interesse der Entwicklung gesundheitsfördernder, wollener Reformkleidung, die er auch unternehmerisch vertrieb und wofür er von Zeitgenossen Woll-Jäger genannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jäger war das jüngste von sechs Kindern des Heimatforschers und Pfarrers Karl Friedrich Jaeger. Die Familie übersiedelte nach dessen Pfarrstellenwechsel 1841 von Bürg nach Münchingen. 1842 starb der Vater und die Mutter übersiedelte mit den Kindern in das Schlösschen Harling, später in eine Wohnung nach Markgröningen. Weitere frühe Stationen Jägers waren das Seminar in Urach und das theologische Stift in Tübingen, wo er anschließend Naturwissenschaften und Medizin studierte und vor der Stadt in einem Weinberghäuschen lebte, in dem er Amphibien, Vögel und kleine Säugetiere präparierte, um eine Studie „über die Entwicklung des knöchernen Schultergürtels“ bei verschiedenen Tierarten zu erstellen.

Anschließend war er Hofmeister einer Industriellenfamilie in Wien, wo er sich als Privatdozent für Biologie zu verdingen suchte. Als Protestant war ihm eine wissenschaftliche Laufbahn im katholischen Österreich verwehrt, so dass er zunächst die Gründung eines öffentlichen Seewasseraquariums erwog und 1864 den ersten „biologischen Tiergarten“ im Wiener Prater eröffnete und die „Zoologischen Briefe“ herausgab. Der Deutsch-Österreichischer Krieg beendete die Wiener Zeit und Jäger kehrte 1866 verarmt mit seiner Familie nach Stuttgart zurück, wo er sich zunächst weiter als Autor verdingte. Ab 1867 erhielt er verschiedene Lehraufträge , u.a. für Zoologie und Physiologie an der landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim sowie an der Technischen und der Tierärztlichen Hochschule Stuttgart. Er gab daneben naturwissenschatliche Bücher heraus wie „Die Darwinsche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion“ (1869), „Leben im Wasser“, „Menschliche Arbeitskraft“ (1878), „Die Entdeckung der Seele“ (1878), „Deutschlands Tierwelt“, „Das Käferbuch“ sowie „Allgemeine Zoologie“, ein Standard-Fachbuch seiner Zeit.

In den späten 1860er Jahren unternahm Jäger Forschungen zu Hygiene und Gesundheitspflege, zu spezifischen Gewichten und der Bedeutung der Geruchsstoffe. Gemeinsam mit seinem Bruder Otto Jäger untersuchte er die Auswirkung körperlicher Übungen auf den Körper. Dabei galt sein besonderes Interesse dem Zusammenhang zwischen Hauttätigkeit und Leistungssteigerung. Jäger gelangte zu der Ansicht, dass Wolle für die menschliche Haut verträglicher sei als pflanzliche Fasern. Die Erforschung von Stoffwechselvorgängen in Abhängigkeit von der Kleidung wurden zum zentralen Werk Jägers, dem er sich bis zum Tod weiter widmete und zu deren Gunsten seine sonstigen naturwissenschaftlichen Themen zurücktraten. Sein rastloses Forschen ließ bald keine Zeit mehr für und kein Interesse mehr an Lehrtätigkeiten aufkommen, die er zwischen 1881 und 1884 aufgab, um sich vollends der Forschung widmen zu können.

Normalkleidung

Die von ihm propagierte Normalkleidung für Herren bestand aus luftdurchlässigen, wollenen Komponenten. Jäger publizierte nicht nur über Wollkleidung, sondern ließ diese ab 1879 von der Stuttgarter Wirkwarenfabrik Wilhelm Benger Söhne herstellen. Alle Artikel waren aus tierischer Wolle, die Normalhemden hatten außerdem einen Überschlag, damit der Stoff vorne doppelt liegt, womit sie Soldatenröcken glichen. Jäger propagierte ohnehin auch, dass durch die militärische Erziehung der Einzelne wie auch die Gesamtheit des Volkes ein Kapital von Lebenskraft, an Gesundheit und Leistungsfähigkeit erhält und sah den Militarismus als „Schule der Volksgesundheit“. Gleichwohl war Jäger mit den Ideen der Anthroposophie vertraut und seine Reformkleidung entspringt dem Geist der Zeit der Reformbewegung.

Sein Buch Die Normalkleidung als Gesundheitsschutz (1880) machte seine Ideen auch in England bekannt, wo Oscar Wilde Jägers Ideen publizierte. 1884 wurde in London ein Geschäft für Jaeger-Gesundheitswäsche eröffnet. Um 1890 wurden etwa 50 verschiedene Artikel aus Wolle hergestellt, nicht nur Unterwäsche, sondern auch anderes wie Taschentücher oder Gardinen. Um 1900 trug George Bernard Shaw gestrickte Jäger-Anzüge, auch die Kleidung für die Polarforscher Fridtjof Nansen, Scott und Hillary sowie für Afrika-Expeditionen stammte von Jäger. Außer Merinowolle wurden Kamelhaar, Vicuna, Alpaca und Kaschmir verarbeitet.

Jäger wurde für seine allgemeinen Verdienste um Gewerbe und Handel vom württembergischen König mit der großen goldenen Medaille ausgezeichnet und Ehrenbürger seines Geburtsortes Bürg sowie seines Sommersitzes Murrhardt. Er war verheiratet mit Selma geb. Krais und hatte mit dieser neun Kinder, von denen jedoch drei bereits im Kindesalter starben. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er im 75. Lebensjahr ein zweites Mal. Gustav Jäger starb 1917 mit knapp 85 Jahren. Seine drei Söhne wurden ebenfalls Heilkundler und setzten das Werk des Vaters fort.

Der Kulturhistoriker Max von Boehn schrieb 1918 etwas ironisch: Er (Jäger, erg.) wollte die Erfahrung gemacht haben, daß der Mensch in seinem Leibe dauernd zwei entgegengesetzte Stoffe erzeuge, nämlich die angenehm riechenden Lust- und die stinkenden Angststoffe. Nun beschloß er, solle die Kleidung, besonders die Unterkleidung, für das richtige Gleichgewicht dieser beiden Duftstoffe sorgen. Sie sollte eine Körperbeschaffenheit herstellen, bei der möglichst wenig Angststoffe und möglichst viel Luststoffe erzeugt würden. Er glaubte das durch Tragen wollener Wäsche und wollener Kleider erreichen zu können, und er errichtete, auf seiner Entdeckung fußend, ein ganzes System der Normalkleidung (…) Die von ihm eingeführte Jägeruniform wurde als wetterfest, affektfest, seuchenfest eine Modesache. Er fand den zweireihigen württembergischen Soldatenrock die gesündeste, zugleich abhärtende und schützende Kleidung für Männer (…) Sein Reformvorschlag für die Frauenkleidung: Wollhemd, Wollstrümpfe, Unterhosen und Unterrock von Flanell, kein Korsett, dazu Oberkleid aus Wolle, bis an den Hals geschlossen (…)[1]

In Deutschland ließ die Beliebtheit der „Normalkleidung“ nach dem Ersten Weltkrieg deutlich nach, in England jedoch nicht. Ab 1934 gehörte Sportkleidung zum Jaeger-Sortiment. Heute hat die Firma Jaeger mit Stammsitz in London rund 60 Läden sowie eigene Schafherden in Australien und etwa 14 Fabriken in Großbritannien.

Einzelnachweise

  1. Quelle: Max von Boehn, Bekleidungskunst und Mode, München 1918

Literatur

  • Eugen Dolmetsch: Aus dem alten Stuttgart, Schwäbischer Merkur vom 13. Februar 1938
  • H. Göhrum: Das Werk eines Lebensforschers - Zum 25. Todestag von Gustav Jaeger in Deutsches Leben, Beilage zum Stuttgarter Neuen Tagblatt vom 16. Mai 1942
  • Hans Helmut Jaeger: Familien-Chronik Jaeger V. Band, Teil 1 und 2, Erlangen 1982 und 1980
 
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