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Frauengold



Frauengold (später auch Frauengold-N) ist ein Stärkungsmittel, das ab 1953 von der gleichnamigen Flensburger Firma[1] rezeptfrei in Drogerien, Apotheken und Reformhäusern angeboten wurde. Es handelte sich um ein Herz-Kreislauf-Tonikum, für das gezielt mit seiner beruhigenden und stimmungshebenden Wirkung geworben wurde. Diese beruhte offenbar vor allem auf einem Alkoholgehalt von 16,5 Volumenprozent. Am 19. August 1981 wurde Frauengold vom Bundesgesundheitsministerium verboten, weil es Aristolochiasäuren enthielt. Diese Wirkstoffe der Osterluzei gelten als krebsfördernd und nierenschädigend.

Inhaltsverzeichnis

Namensherkunft

Der Markenname entstand offensichtlich aus einem Begriff aus Gottfried Kellers 1855 erschienener Novelle „Spiegel, das Kätzchen“, in der die Besitzerin eines Katers 10.000 Goldmünzen in einen Brunnen geworfen hatte und die es wieder zu heben galt. Dieser Schatz wurde von Keller „Frauengold“ genannt.

Soziologie

Kritiker sahen durch die weite Verbreitung und den Erfolg von Frauengold eine Fortsetzung des „Kölnisch-Wasser-Alkoholismus“ aus dem 19. Jahrhundert, bei dem Frauen - mangels Zugang zu hochprozentigen alkoholischen Getränken - als Duftwasser oder Medizin (wie der Klosterfrau Melissengeist) deklarierte ethanolhaltige Tinkturen tranken.[2] Beworben wurde das Mittel anfangs unter anderem mit dem Claim „Nimm Frauengold und Du blühst auf!“. Unterschwellig sollte wohl auch eine leichtere Erträglichkeit von Menstruationsbeschwerden suggeriert werden; dazu wurde 1955 der Claim „Frauengold schafft Wohlbehagen, wohlgemerkt - an allen Tagen.“ eingeführt.

In den 1960er Jahren wurden Frauen zunehmend als Arbeitskräfte gesucht; die dadurch verursachte Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf sorgte für eine verstärkte Nachfrage nach Produkten, die diese vermeintlich erleichtern konnten.[3] So wurde Anfang der 1960er Jahre in einem Werbespot namens „Das Glück aller Frauen heißt Frauengold“ eine Sekretärin vorgestellt, die sich lautstark über ihren Chef beklagt. Eine Kollegin rät ihr zu einem Schluck „Frauengold“, der sie offenbar derart besänftigt und wohlgelaunt stimmt, dass sie sich anschließend bei ihrem Vorgesetzten entschuldigt und seinen Fehler als ihren eigenen ausgibt. Damit wurde die damals gesellschaftlich erwartete unterwürfige Haltung der Frau aufrechterhalten.[4]

Erfolg und Wirkung

Zum Erfolg trug nach Meinung vieler Soziologen auch der Zeitpunkt der Markteinführung bei: Nachdem der Bedarf an „Trümmerfrauen“ Ende der 1940er Jahre nachgelassen hatte und auch weitgehend kein Arbeitskräftemangel in Industrie und Handel mehr vorhanden war, forcierte die konservative Gesellschaft der 1950er Jahre die Rückkehr der Frauen in die traditionelle Hausfrauenrolle.[5] Die damit einhergehenden starken Belastungen und Frustrationsgefühle sollten - so die Werbestrategie - mit Produkten wie Frauengold erträglicher gemacht oder gelindert werden.[6] Werbebotschaften wie „Lebensfroh mit Frauengold!“ (1963) suggerierten sogar eine antidepressive Wirkung des Mittels, das prinzipiell auch in die Kategorie der 1965 von den Rolling Stones besungenen „Mother's Little Helper“ (Mutters kleine Helfer) eingeordnet werden kann. Als „Frauengold-N“ wurde das Tonikum auch gegen Schlaflosigkeit eingesetzt; hier sollten sich unter anderem die Inhaltsstoffe der Weißen Taubnessel positiv auswirken.[7] Die Herstellerfirma bewarb die pflanzlichen Bestandteile der Rezeptur in den 1970er Jahren mit dem Slogan „Natürlich wirksam. Natürlich für Frauen.“.

Nachfolger und Nachwirkung

1987 übernahm die bis dahin in Hamburg ansässige Firma Queisser Pharma den Flensburger Produktionsstandort für ihre ähnlich positionierten Tonika Doppelherz und „Galama“.[8]

In den späteren Jahrzehnten wurde die Zielgruppe für solche Produkte zunehmend älter: Nach einer Studie des Gong-Verlages aus dem Jahr 2003 werden Frauengold-ähnliche Produkte inzwischen vorwiegend von Frauen ab 40 Jahren mit einem Haushaltsnettoeinkommen von über 2.000 Euro konsumiert.[9] Noch 20 Jahre nach dem Verbot ermittelte die Gong-Verlagsstudie 2001 für Frauengold einen ungestützten Bekanntheitsgrad von acht Prozent in der deutschen Bevölkerung. Absatzzahlen aus der marktaktiven Zeit sind nicht überliefert, jedoch lässt sich die Größenordnung aus den Daten für aktuell angebotene Tonika schätzen. So werden nach einer Gong-Studie aus dem Jahr 2004 allein von „Doppelherz“ trotz inzwischen erheblich zahlreicherer Konkurrenzprodukte jährlich rund vier Millionen Flaschen produziert.[10]

Einzelbelege

  1. Branchenbuch-Eintrag
  2. Leben-ohne-Alkohol.de, „Geschichte des Alkohols“
  3. Materialen zur Ausstellung im „Haus der Geschichte“
  4. RP-online über Werbeklassiker
  5. Frontal 21, ZDF, 6. März 2007, und Berliner Frauenzeitung „Prim a Donna“, Heft 11, 1987
  6. Angela Cantrup: Die Bedeutung von Nahrungsergänzungspräparaten in Familienhaushalten. Bielefeld 2000, Dissertation als pdf
  7. Naturphoto.ch über Heilpflanzen
  8. „Doppelherz“-Geschichte auf der Queisser-Pharma-Webseite
  9. Gong-Studie 2003 (pdf-Datei)
  10. Gong-Studie 2004 (pdf-Datei)
  • Frauengold-Werbedisplay 1958 im Bonner „Haus der Geschichte“
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Frauengold aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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