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Amygdalin



Strukturformel
Allgemeines
Name Amygdalin
Andere Namen
  • D(−)-Mandelonitril- β-D-gentiobiosid
  • (R)-α-((6-O-β-D-Glucopyranosyl- β-D-glucopyranosyl)oxy) phenylacetonitril
  • Amigdalina
  • Laetrile (Lätril)
  • Mandelonitril
  • Vitamin B17
Summenformel C20H27NO11
CAS-Nummer 29883-15-6
Kurzbeschreibung farbloser, kristalliner Feststoff
Eigenschaften
Molare Masse 457,4 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Dichte 1,041–1,046 kg/m3
Schmelzpunkt ~225 °C
Löslichkeit

löslich in Wasser

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung
R- und S-Sätze R: 22
S: 26-36/37/39-45
LD50

405 mg/kg Körpergewicht (oral, Ratte)

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Amygdalin (griechisch amygdalis, Mandelkern) ist ein cyanogenes Glykosid, das in Gegenwart von Wasser Blausäure (HCN) abspaltet.

Inhaltsverzeichnis

Chemische Eigenschaften

In verdünnten Säuren wird Amygdalin in Glucose, Benzaldehyd und Blausäure gespalten.

Stereoisomere

Das L-Enantiomer (L-Mandelonitril-β-D-gentiobiosid) wird als Neoamygdalin bezeichnet.

Vorkommen

Bittere Aprikosenkerne, Apfelkerne, Bittere Mandeln und Samen von anderen Steinfrüchten enthalten Amygdalin in hohen Konzentrationen. Dieses kann bei der Verarbeitung der Ölsamen, beispielsweise zu Persipan, in Blausäure, Benzaldehyd und Glukose aufgespalten werden. Die freigesetzte Blausäure muss entfernt werden, die Kerne werden „entbittert“.

Verwendung als Arzneistoff

Bekannt ist Amygdalin auch unter Amigdalina, Laetrile (Lätril), Mandelonitril oder Vitamin B17 als alternatives Mittel zur Prophylaxe und Behandlung von Tumorerkrankungen (Krebs) oder deren Symptomen.

Pharmakologen halten das Pseudovitamin B17 für ein "unseriöses Wundermittel". Die Befürworter der Therapie verweisen hingegen auf angebliche Erfolge bei der Krebsbekämpfung. Die Abgabe von Amygdalin für den Gebrauch beim Menschen durch Apotheker ist strafbar im Sinne des §5 AMG (Verbot bedenklicher Arzneimittel) und kann auch ohne konkreten Schadensfall strafrechtlich verfolgt werden.

Der vermutete Wirkmechanismus ist die Aufspaltung des Amygdalins durch das Enzym Glucuronidase in Benzaldehyd, Cyanid und Glucose. Es gibt Hinweise darauf, dass die β-Glucuronidase im menschlichen Körper in Tumorzellen in sehr geringen Mengen vorkommt. Das auf diese Weise freigesetzte Cyanid ist sehr toxisch. Die Entgiftung des Cyanids findet normalerweise durch Rhodanase statt, bei der das Cyanid in Thiocyanat umgewandelt wird. Rhodanase befindet sich gleichermaßen in gesunden Zellen des Körpers, aber auch in Tumorzellen.[1]

Drei Möglichkeiten der Amygdalin-Zufuhr werden in dieser Therapie angewendet:

  • gründliches Zerkauen von (bitteren) Aprikosenkernen,
  • Einnahme von B17-Tabletten (Amygdalin wird in Deutschland als ein bedenklicher Arzneistoff angesehen. Herstellung, Einfuhr und Handel sind nicht erlaubt!),
  • als (i.v.) Injektion.

Eine klinische Studie aus dem Jahre 1982[2] zeigte bei an Krebs erkrankten Menschen keinen Vorteil durch die Einnahme von Amygdalin, es zeigten sich stattdessen bei einigen Patienten Symptome einer Cyanidvergiftung. Ein Review aus dem Jahre 2006 [3] kam nach der Untersuchung von 36 Studien zum Ergebnis, dass in keiner einzigen der 2006 zur Verfügung stehenden Arbeiten ein Hinweis für eine mögliche Wirkung gegen Krebs beim Menschen nachweisbar war.

Nebenwirkungen

Es besteht die Gefahr der tödlichen Vergiftung durch Blausäure. Tödliche Vergiftungsfälle durch Aprikosenkerne sind in der toxikologischen Literatur gut belegt.[4] In Regionen, wo Aprikosenkernzubereitungen regulär gegessen werden, wird durch die Zubereitungstechnik der Amygdalingehalt gesenkt. Werden diese Zubereitungstechniken nicht genau eingehalten, kann es zu tödlichen Vergiftungsfällen kommen.

In der toxikologischen Literatur werden Vergiftungsfälle auch konkret für die Therapie mit Amygdalin beschrieben. Besonders tückisch dabei ist, dass bei der Rückfrage des Arztes oder der Giftzentrale oft angegeben wird, man habe nur Vitaminpillen geschluckt.

Die niedrigste tödliche Dosis einer erwachsenen Person mit 60 kg liegt bei 0,57 mg/kg Körpergewicht, das sind etwa 40 Aprikosenkerne.[5] Betrachtet man den Blausäuregehalt vor dem Hintergrund des niedrigsten Wertes der Metabolisierungsrate (Entgiftungsrate) für Blausäure von 0,1 mg/kg/h, resultieren daraus folgende Zahlen: Ein Erwachsener kann damit pro Stunde 6,0 mg Blausäure durch Metabolisierung entgiften, was einer Verzehrrate von rund 7 Kernen pro Stunde entspricht.[6]

Vorkommen in Lebensmitteln

Amygdalin, Prunasin und andere cyanogene (blausäureabspaltende) Glykoside (Linamarin, Lotaustralin (Lein, Hülsenfrüchtler, Maniok u.a.), Dhurrin (Hirse), Taxiphyllin (Bambussprossen), Sambunigrin (Holunder) und über 70 weitere) kommen in einigen unverarbeiteten Lebensmitteln in relevanten Mengen (> 0,02% gebundene Blausäure [7]) vor. Durch traditionelle Verarbeitungsweisen wird der Blausäuregehalt aber auf ungefährliche Konzentrationen reduziert.

Die höchsten Blausäuregehalte weisen die Steinfrüchte einiger Rosengewächse auf, v.a. Bittermandeln und Aprikosenkerne. So enthalten Aprikosenkerne bis zu 8% Amygdalin [8], entsprechend etwa 0,4% gebundene Blausäure, Bittermandeln bis zu 5% (0,3% Blausäure)[9].


Von Anhängern des Pseudovitamins B17 werden oft auch andere Lebensmittel genannt, die aber entweder nur unwesentliche Mengen an cyanogenen Glykosiden enthalten (Brombeeren, Erdbeeren, Gartenbohnen, Erbsen) oder bei denen durch traditionelle Zubereitungsweisen die Blausäure weitestgehend entfernt wird (Maniok/Tapioka, Yams, Limabohne).

Die Limabohne enthält in rohem Zustand beispielsweise 0,2 - 0,3% gebundene Blausäure (200 - 300 mg/100 g), Gartenbohnen und Erbsen aber nur 0,002% (2 mg/100 g). Kirschensaft immerhin noch 0,00005% (500 µg/l). Die tödliche Dosis beim Menschen liegt bei etwa 50 mg Blausäure (0,5-3,5 mg/kg Körpergewicht). Als unbedenklich dagegen gelten 5 µg/kg Körpergewicht, wie sie durch gewöhnliche Lebensmittel niemals überschritten werden, zumal die mit etwas höherem Gehalt an gebundener Blausäure (Hülsenfrüchte) auch bei uns nicht roh verzehrt werden. Ein einziger Aprikosenkern enthält aber bereits 0,5 mg Blausäure, so dass man besser nicht mehr als ein bis zwei solcher Kerne pro Tag verzehren sollte.

Referenzen

  1. N.N. (1991): Unproven Methods of Cancer Management. Laetrile. In: CA Cancer J. Clin. Bd. 41, S. 187-192. PMID 1902140 PDF
  2.  : Moertel, C.G., et al. (1982): A clinical trial of amygdalin (Laetrile) in the treatment of human cancer. In: N. Engl. J. Med. Bd. 306, S. 201-206. PMID 7033783
  3. Milazzo, S. et al. (2006): Laetrile for cancer: a systematic review of the clinical evidence. In: Supportive Care in Cancer. Bd. 15, S. 583-595. doi:10.1007/s00520-006-0168-9
  4. Herbert, V. (1979): Laetrile: the cult of cyanide. Promoting poison for profit. In: Am. J. Clin. Nutr. Bd. 32, S. 1121-58. PMID 219680 PDF
  5. Lindner, E. (1990). Toxikologie der Nahrungsmittel
  6. Kaschuba WA, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  7. http://www.uni-jena.de/img/unijena_/faculties/bio_pharm/ieu/ls_lmc/10.0_Obst_Gemuese_1.Teil.doc
  8. http://www.giftpflanzen.com/prunoidae.html
  9. http://www.giftpflanzen.com/prunus_dulcis.html

Literatur

  • Campa, C. et al. (2000): Analysis of cyanogenic glycosides by micellar capillary electrophoresis. In: J. Chromatogr. B. Biomed. Sci. Appl. Bd. 739, S. 95-100. PMID 10744317

Siehe auch

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Amygdalin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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