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Trigant Burrow



Trigant Burrow (*7. September 1875 in Norfolk, Virginia; † 24. Mai 1950 in Westport, Connecticut) war ein US-amerikanischer Psychoanalytiker, Psychiater, Psychologe und - neben Josef Pratt und Paul Schilder - Begründer der Gruppenanalyse. Erfinder des Begriffes neurodynamics.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Trigant Burrow war das jüngste von vier Kindern einer gut situierten französischstämmigen Familie. Sein Vater war ein gebildeter protestantischer Freigeist, seine Mutter hingegen eine engagierte Katholikin. Er studierte zuerst Literatur an der Fordham University, dann Medizin an der University of Virginia (Promotion zum M.D. im Jahr 1900), schließlich Psychologie an der Johns Hopkins University (Ph.D., 1909). Während er am New York State Psychiatric Institute arbeitete, wurde er - in der Pause einer Theateraufführung - zwei europäischen Ärzten vorgestellt, die sich gerade auf einer Vorlesungsreise durch die Vereinigten Staaten befanden: Sigmund Freud und C.G.Jung. Noch im selben Jahr ging Burrow mit seiner Familie nach Zürich, um sich ein Jahr lang von Jung analysieren zu lassen. Nach seiner Rückkehr praktizierte er bis 1926 als Psychoanalytiker in Baltimore. 1911 war er einer der Gründer der American Psychoanalytic Association, als deren Präsident er in den Jahren 1924 und 1925 fungierte. 1926 gründete Burrow die The Lifwynn Foundation for Laboratory Research in Analytic and Social Psychiatry und publzierte sein erstes großes Werk, The Social Basis of Consciousness. Bis zu seinem Tod wirkte Burrow als Forschungsdirektor der Stiftung und widmete sich insbesondere den physiologischen Grundlagen harmonischen Miteinanders und rivalisierenden Gegeneinanders innerhalb von Gruppen und Gesellschaften, aber auch zwischen Staaten. Seine hirnelektronischen Messungen und die Befassung mit spezifischen Augenbewegungen machten ihn zum Urvater der Neuropsychotherapie und von Traumatherapien, wie EMDR.

Gründer der Gruppenanalyse

1921 ließ er sich selbst von einem seiner Lehranalysanden analysieren. Im Rollentausch von Analytiker und Patient wurde deutlich, dass beide blinde Flecken, gesellschaftliche Konventionen und massive Abwehr zeigten. Diese Verzerrung der analytischen Arbeit war in den Augen von Trigant Burrow unabdingbar auf die analytische Zweierbeziehung zurückzuführen. Klärungsarbeit und die Verminderung neurotischer Verschiebungen von Gefühl und Wahrnehmung schien ihm nur in der Gruppenkonstellation möglich. Er prägte den Begriff Gruppenanalyse und schrieb drei grundlegende Texte, die 1924 bis 1926 in der Originalsprache erschienen. Burrow fiel bei Freud in Ungnade, der Vater der Psychoanalyse bezeichnete Burrows Texte sogar als "wirre Faselei". Freud hatte die Behandlung auf der Couch u.a. deshalb institutionalisiert, weil ihn der ständige Augenkontakt mit einem einzelnen Patienten bzw. einer einzelnen Patientin belastete und irritierte. In einer - im Kreis sitzenden - Gruppe hingegen war der Analytiker der direkten Aufmerksamkeit aller Anwesenden ausgesetzt. Diese Behandlungsmethode erschien Freud untragbar. Dazu kam sicherlich auch Freud's Bruch mit C.G.Jung im Jahr 1913.

Psychoanalyse als Sozialwissenschaft

Aus der Überzeugung heraus, dass die Psychoanalyse zur Gruppenanalyse weiterentwickelt werden müsse, entwickelte Burrows sein Konzept der Psychoanalyse als Sozialwissenschaft. Während die analytische Zweierbeziehung subjektiv verhaftet und von Abwehr gekennzeichnet ist, studieren alle Teilnehmer der Gruppe die offenkundig vor sich gehenden emotionalen Prozesse, indem sie ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen austauschen und analytisch konsensuell identifizieren. Nur in der Gruppe tritt - in der Pluralität der Positionen - sozusagen die Wahrheit ans Licht, nur in der Gruppe können gesellschaftsweit präsente Abwehrmechanismen sichtbar werden.

Auch in kulturtheoretischer Hinsicht geriet Burrow aufgrund seiner Erkenntnisse in Gegenposition zu Freud. Denn Burrow vertrat die Position, dass die Menschheit zivilisatorisch sich von einem Zustand relativer Harmonie wegentwickelt hatte - hin zum Kampf Jeder gegen jeden, mit Betonung der Gegensatzpaare richtig/falsch und gut/schlecht. Diese destruktive interpersonelle Dynamik wollte Burrow mit der Gruppenanalyse wahrnehmbar machen und verringern, um sie dann zur Phyloanalyse (Gattungsanalyse, d.h. "Analyse gesellschaftsweit vorhandener pathologischer Beziehungsstrukturen"[1]) zu verdichten. Dieter Sandner hat in mehreren Aufsätzen nachgewiesen, dass "zwei Klassiker der Gruppenanalyse"[2], S.H.Foulkes und Alexander Wolf wesentliche Anregungen von Burrow übernahmen und implementierten. Die Burrow-Rezeption verdichtet sich zunehmend seit Beginn der 90er Jahre.

Ziel

Burrows definiert das Bedürfnis, die Arbeit meines Lebens dem Bemühen zu widmen, das beizutragen, was mir möglich war, den Funken zu entfachen, der notwendig war, die Natur abnormer seelischer Zustände zu erhellen. [3]

Wichtige Publikationen

  • The Social Basis of Consciousness, London 1927
  • The Structure of Insanity. (A Study in Phylopathology). London 1932
  • deutsch: Die Struktur der Geisteskrankheit: Eine Studie in Phylopathologie. Aus d. Engl. übers. von Miriam Bredow. Leipzig : G. Thieme 1933
  • The Biology of Human Conflict, New York 1937
  • The Neurosis of Man, London 1949
  • Science and Man's Behavior, New York 1953
  • The Structure of Insanity, The selected letters of Trigant Burrow with biographical notes, New York 1958
  • Preconscious Foundations of Human Experiences, New York, London 1964

Grundlegende Texte zur Gruppenanalyse

  • (1926) Die Gruppenmethode in der Psychoanaylse, Imago 12, 211-222
  • (1928) Die Laboratoriumsmethode in der Psychoanalyse, ihr Anfang und ihre Entwicklung, Intern. Zeitschrift für Psychoanalyse: 14, 375-386
  • (1998) Das Fundament der Gruppenanalyse oder die Analyse der Reaktionen von normalen und neurotischen Menschen, Lucifer-Amor: 11/21, 104-113

Sekundärliteratur

  • Dieter Sandner, Die Begründung der Gruppenanalyse durch Trigant Burrow - seine Bedeutung für die moderne Gruppenanalyse, in: Pritz/Vykoukal: Gruppenpsychoanalyse, Wien 2003², 135-160
  • Dieter Sandner, Trigant Burrow, in: Stumm/Pritz et.al.: Personenlexikon der Psychotherapie, Wien, New York 2005, 79-81

Einzelnachweise

  1. Dieter Sandner, Trigant Burrow, in: Stumm/Pritz et.al.: Personenlexikon der Psychotherapie, Wien, New York 2005, 81
  2. Dieter Sandner, Trigant Burrow, in: Stumm/Pritz et.al.: Personenlexikon der Psychotherapie, Wien, New York 2005, 81
  3. The Structure of Insanity, New York 1958, 17


 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Trigant_Burrow aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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