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Savannen-Hypothese



Als Savannen-Hypothese wird ein Hominisationsszenario bezeichnet, das die Evolution des Frühmenschen aus einem affenartigen Vorfahren beschreibt.

Das Szenario versucht, bestimmte Eigenschaften, durch die sich der Mensch von seinen nächsten lebenden Verwandten, den Menschenaffen, unterscheidet, mit einer evolutionären Anpassung eines aus den Wäldern Afrikas kommenden Baumbewohners an den Lebensraum Savanne zu erklären.

Inhaltsverzeichnis

Grundzüge

Nach dieser Savannen-Hypothese (auch Freilandhypothese genannt), die in den Grundzügen auf Charles Darwin zurückgeht, verließen die Vorfahren des Menschen während einer Zeit trockenen Klimas die zurückgehenden Regenwälder und gingen zum Leben am Boden über. Gleichzeitig erfolgte die Nahrungsbeschaffung stärker durch Jagd. Auf diese Weise hätten sich charakteristische Merkmale des Menschen ergeben:

  • Aufrechter Gang, um mehr Übersicht im Grasland zu haben, analog zum Strauß. Zudem habe dies die Hände für den Waffengebrauch und zum Tragen freigemacht. Dagegen wird inzwischen eingewandt, dass die frühen Hominiden eher Beute als Jäger in der Savanne gewesen wären. Steppenbewohnende Affen (z.B. Paviane) richten sich nur kurzzeitig auf.
  • Starke Gehirnentwicklung als Anpassung an die jagende Lebensweise. Um den Energiebedarf des Gehirns zu decken, habe sich das Unterhaut-Fettgewebe entwickelt.
  • Nacktheit, um in Verbindung mit dem Schwitzen Wärme besser abführen zu können. Dagegen wird eingewandt, dass alle Säugetiere der Steppen und Savannen dichtes Fell besitzen, auch wenn sie - wie Pferde und Zebras stark schwitzen können.

Geschichte

Bereits Darwin vermutete - lange vor der Entdeckung der afrikanischen Australopithecus-Fossilien - eine Herkunft der Menschen aus Afrika. Die frühen Vorfahren des Menschen wurden durch Änderung der Lebensweise oder der Umwelt weniger baumbewohnend ("less arboral") [1]. Dies habe zur zweibeinigen Fortbewegung geführt, was den Gebrauch der Hände erleichterte.

1925 beschrieb Raymond Dart das "Kind von Taung", einen fossilen Australopithecus africanus. Da der Fundort nach damaliger Lehrmeinung seit Millionen von Jahren unbewaldet war, entstand so die Savannen-Hypothese. Während der Wald als Lebensraum, so Dart, einen einfachen Nahrungserwerb ermöglichte, forderte der offene Lebensraum Intelligenz und Geschicklichkeit.

Während der folgenden Jahrzehnte verbreitete sich das Savannen-Szenario insbesondere in der populärwissenschaftlichen Literatur. Eine kritische wissenschaftliche Aufarbeitung unterblieb, gleichwohl bestand in der Anthropologie weitgehend Konsens über dieses Modell.

Ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts untersuchte Elisabeth S. Vrba von der Yale-Universität erstmals - insbesondere anhand der fossilen Fauna - das Paläoklima Südafrikas genauer. Sie fand heraus, dass sich das Klima in Südafrika vor 2,5-2 Millionen Jahren drastisch änderte. Weltweit kühlte das Klima ab, Afrika wurde trockener. Diese Änderungen seien auch für Tansania, Kenia und Äthiopien zu verzeichnen. Erste Abkühlungs- und Austrocknungserscheinungen seien bereits vor 5 Millionen Jahren an der Miozän-Pliozän-Grenze zu bemerken. Vrba sieht in dem Klimawandel vor 2,5 Millionen Jahren einen möglichen Selektionsdruck, der zur adaptiven Radiation (Vrba 1993: explosive radiation) führte. Damit war erstmals in der langen Geschichte der Savannen-Hypothese eine Falsifizierbarkeit möglich.

Bereits ein Jahr später, 1994, wiesen jedoch John D. Kingston, Andrew Hill und Bruno D. Marino (Yale und Harvard) [2] anhand von Kohlenstoff-Isotopen-Untersuchungen nach, dass es im Bereich der Tugen Hills, Kenia, innerhalb der letzten 15,5 Millionen Jahren keine auffälligen Verschiebungen zwischen C3-Pflanzen und C4-Pflanzen gab. Da für Wälder C3-Pflanzen typisch sind, während Grasländer durch einen höheren Anteil von C4-Pflanzen charakterisiert sind, konnte es keinen dramatischen Wechsel des Habitats von Wald zu Savanne gegeben haben Dementsprechend folgerten Kingston, Hill und Marino: Wenn Hominiden sich in Ostafrika im späten Miozän entwickelten, dann in anderem ökologischem Kontext.

Jüngere Funde von frühen Australopithecinen ließen weitere Zweifel an der Savannen-Hypothese aufkommen. So befanden sich die Funde von Australopithecus afarensis von Hadar in einem dicht bewaldeten Kontext im Umfeld von Gewässern. Australopithecus bahrelghazali, der im Tschad gefunden wurde, lebte in einem Auwald-artigen Biotop. Der 4,4 Millionen Jahre alte Ardipithecus ramidus wurde gemeinsam mit typischen waldbewohnenden Affen und Kudus gefunden.

Einwände

Die Erklärungsmodelle der Savannen-Hypothese beruhen vor allem darauf, dass die wichtigen Fossilienfunde von Frühmenschen in Afrika überwiegend in Savannengebieten gemacht wurden. Mittlerweile ist aber durch die neueren Fossilfunde ab 1974 ("Lucy") und genauere Analyse der Fossilfundstätten belegt, dass diese Gebiete zur Zeit, da die Frühmenschen dort lebten, einen anderen Charakter hatten; vielfach waren es Feuchtgebiete, Flußläufe oder auch deutlich stärker als heute bewaldete Regionen. Begleitfunde legen nahe, dass die ersten aufrecht gehenden Menschen sich zumindest teilweise von Wassertieren ernährten.

Ein gewichtiger Einwand ist, dass es keine analogen Anpassungen bei vergleichbaren Säugetieren gibt, die einen ähnlichen Lebensraum bewohnen:

  • Alle Affenarten der Savannen und anderer offener Geländeformen bewegen sich auf vier Beinen (quadruped) fort. Dies gilt auch für Arten, die sich teilweise räuberisch ernähren.
  • Säuger der Savanne sind im Regelfall dicht behaart. Ausnahmen sind lediglich Nashörner und Elefanten, die jedoch ein erheblich höheres Körpervolumen im Vergleich zur Körperoberfläche besitzen.

Die Savannen-Hypothese gilt angesichts dieser Probleme und der mangelnden Falsifizierbarkeit heute zunehmend als überholt.

Andere Hypothesen

Ein anderes Hominisationsszenario, das die Entstehung des Frühmenschen mit Umwelteinflüssen erklärt, ist die 'Wasseraffen-Theorie', die eine 'amphibische' Phase annimmt und daraus eine ganze Reihe typischer Eigenschaften der menschlichen Anatomie zu erklären versucht. Aus der kritischen Analyse dieses Modells ist das Wat-Affen-Modell entstanden, das den aufrechten Gang durch Vorteile beim Waten in Gewässern erklärt. Daneben gibt es 'Mosaik'-Theorien, die von sehr stark gegliederten und unterschiedlichen Lebensräumen mit Wald, Feuchtgebieten und Savannen ausgehen, die alle eigene Einflüsse auf die Entwicklung hatten, oder auf die evolutionäre Herausforderung durch starke klimatische Schwankungen in Ostafrika verweisen.

Andere Hominisationsszenarien wie die Paarbindungshypothese oder die 'Postural Feeding Hypothesis' beschränken sich meist nur auf die Erklärung einzelner, bestimmter Eigenschaften und bedürfen daher der Kombination mit weiteren Erklärungsansätzen.

Weblinks und Quellen

  • James Shreeve, It's A Wonderful Story, Discover Magazine, 1996
  • James Shreeve, Sunset on the Savanna, Discover Vol. 17 No. 07, July 1996, Anthropology
  • Elizabeth S. Vrba, The Pulse That Produced Us, Natural History, 5/93, Seiten 47 - 51
  • John D. Kingston, Andrew Hill, and Bruno D. Marino: Isotopic Evidence for Neogene Hominid Paleoenvironments in the Kenya Rift Valley, Science, 13 May 1994, Vol. 264. No. 5161, Seiten 955 - 959
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Savannen-Hypothese aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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