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Phylogenetischer Baum



  Ein phylogenetischer Baum ist ein Baum, der die evolutionären Beziehungen zwischen verschiedenen Arten oder anderen Einheiten, von denen man vermutet, dass sie einen gemeinsamen Vorfahren besitzen, darstellt. Damit ist ein phylogenetischer Baum eine Form des Kladogramms. In einem phylogenetischen Baum repräsentiert jeder Knoten mit Vorfahren den nächsten gemeinsamen Verwandten dieser Vorfahren. Die Kantenlänge entspricht meist der geschätzten Zeit, in der sich die Arten separiert haben, oder der Anzahl der Mutationen, die während dieser Entwicklung passierten. Jeder Knoten in einem phylogenetischen Baum wird als taxonomische Einheit bezeichnet, wobei man innere Knoten oft als hypothetische taxonomische Einheiten bezeichnet, wenn die entsprechenden Arten oder Einheiten nicht beobachtet werden können.

Inhaltsverzeichnis

Datenquellen und Interpretation

Phylogenetische Bäume werden heute meist anhand von sequenzierten Genen der untersuchten Spezies aufgebaut. Dabei berechnet man ein Sequenzalignment des gleichen Gens (oder evtl. der gleichen Gene) dieser Arten, und verwendet die im Alignment erscheinenden Ähnlichkeiten und Unterschiede, um den Baum aufzubauen. Arten, deren Sequenzen ähnlich sind, liegen im Baum dann wahrscheinlich näher beieinander als solche mit stark unterschiedlichen Sequenzen. Da die Komplexität der Berechnung solcher Bäume jedoch mit der Anzahl der Sequenzen exponentiell ansteigt, verwendet man Heuristiken, um die Bäume zu generieren. Zu den Standardmethoden der molekular-phylogenetischen Baumkonstruktionsmethoden gehören Maximum-Likelihood-, Neighbor-Joining-, Maximum Parsimony- und Bayesische Analyse-Methoden.

Ziel der Erstellung phylogenetischer Bäume ist es, die Evolution möglichst detailliert zu erklären. Allerdings weiß man heute, dass die Gene sich nicht gleichmäßig entwickelt haben. Einige Gene, die heute im Menschen vorkommen, haben beispielsweise nur gemeinsame Vorfahren mit dem Schimpansen, andere kommen in allen Säugetieren vor, etc.

Deshalb können bei der phylogenetischen Analyse verschiedener Gene der gleichen Spezies unterschiedliche phylogenetische Bäume entstehen, die für sich jedoch alle korrekt sind. Um die Entstehungspunkte und Verzweigungen bei der Evolution der einzelnen Arten festzustellen, müssen deshalb verschiedene Genregionen untersucht werden. Weiterhin sollten Ergebnisse aus der klassischen Phylogenie sowie morphologische Merkmale zur Interpretation hinzugezogen werden.

Gewurzelte und ungewurzelte Bäume

Ein gewurzelter phylogenetischer Baum ist ein gerichteter Baum mit einem einzelnen Knoten, der dem (meist rechnerisch ermittelten) nächsten gemeinsamen Vorfahren aller Einheiten im Baum entspricht.

Ein ungewurzelter Baum dagegen besitzt keinen ausgezeichneten nächsten gemeinsamen Vorfahren, sondern soll lediglich die Verwandtschaftsnähe oder -ferne der einzelnen Arten darstellen. Näheres zu gewurzelten und ungewurzelten Bäumen ist im Artikel Baum (Graphentheorie) nachzulesen.

Unterschiede zwischen Gen- und Speziesbäumen

Verschiedene Formen der Gen/Speziesentwicklung: Üblicherweise wird von dem ersten Fall ausgegangen: Speziation geht mit der Aufspaltung der Genentwicklung einher. Eine Rekonstruktion des Artenbaumes wird erschwert durch die drei anderen Fälle:

  1. das Gen wird nur von einer der neuen Spezies übernommen (Genverlust)
  2. das Gen wird dupliziert, was bei einer anschließenden Speziation (nicht gezeigt) zu zweideutigen Vergleichsmöglichkeiten führt
  3. es findet horizontaler Gentransfer zwischen zwei unterschiedlichen Arten statt, die dadurch bei der Baumrekonstruktion fälschlicherweise zusammengerückt werden

Siehe dazu u.a.: [1] und [2], Homologe Gene, Orthologe Gene, Paraloge Gene, sowie den Absatz Kritik.

Kritik

  • Per Definition können phylogenetische Bäume Hybridisierung und lateralen Gentransfer, die ebenfalls wichtige Methoden der Genübertragung sind, nicht darstellen. Deshalb vertreten einige Forscher die Ansicht, dass man nicht einen Baum sondern vielmehr ein phylogenetisches Netz aufbauen sollte (das sich im Sinne der Graphentheorie von einem Baum dadurch unterscheidet, dass es "Querverbindungen" zwischen sonst nicht direkt verwandten Arten zulässt).
  • Bäume, die ausgestorbene Arten nicht enthalten, müssen mit Vorsicht interpretiert werden (siehe auch obige Bemerkung zur Interpretation).

Literatur

  • Knoop, Volker; Müller, Kai: Gene und Stammbäume - Ein Handbuch zur molekularen Phylogenetik. Spektrum Akademischer Verlag/Heidelberg 2006, ISBN 3-8274-1642-6
  • Arndt von Haeseler, Dorit Liebers: Molekulare Evolution, Fischer 2003, ISBN 3596153654
  • Wiesemüller, B., Rothe, H., Henke, W. Phylogenetische Systematik. Springer/Berlin 2003, ISBN 978-3-540-43643-0

Siehe auch

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Phylogenetischer_Baum aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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