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Kippfigur



Ein Kippbild oder eine Kippfigur ist eine Abbildung, die zu spontanen Gestalt- bzw. Wahrnehmungswechseln führen kann. Eine Erklärung dieses Phänomens findet sich auf der Seite multistabile Wahrnehmung.

  Synonyme Begriffe:

  • Inversionsfigur
  • Reversionsfigur
  • Umschlagfigur

Mit Kippfiguren verwandte Phänomene sind sog. Vexierbilder und unmögliche Figuren wie das Penrose-Dreieck.

Inhaltsverzeichnis

Kippfiguren in der Philosophie Wittgensteins

In Wittgensteins Sprachphilosophie spielt das Phänomen des Aspektwechsels bei der Betrachtung einer Kippfigur eine zentrale Rolle. In seinen Nachlassschriften zu den Philosophischen Untersuchungen nimmt er häufig als Beispiel zur Veranschaulichung den Hasen-Enten-Kopf, aber auch andere. Seine Überlegungen untersuchen die Frage, was "sehen als ..." im Unterschied zum "normalen" Sehen bedeutet. Seine Untersuchungen gehen soweit, dass er den Begriff auf verschiedenste Bereiche ausdehnt, wie z.B. das "betrachten" eines Musikstückes als fröhlich, traurig, hektisch, etc.

Beispiele

Der Necker-Würfel

  Die Zeichnung stellt anscheinend das Gittermodell eines Würfels dar. Die beiden großen, sich überschneidenden Quadrate können dabei jeweils sowohl Vorder- als auch Rückseite sein. Somit erkennt man je nach Fokussierung einen links unten beginnenden Würfel, auf den man von rechts oben draufsieht, oder einen rechts oben befindlichen Würfel, den man von links unten betrachtet.

Der Name geht zurück auf den Schweizer Geologen Louis Albert Necker (1786–1861), der den Effekt der bistabilen Wahrnehmung 1832 zuerst an Kristallzeichnungen beschrieb.

 

Die Schröder-Treppe

Die 1858 von Heinrich Georg Friedrich Schröder (1810–1885) publizierte Schröder-Treppe zeigt ebenfalls zwei perspektivische Orientierungen. Im linken Teilbild läuft das Mädchen die Treppe hinunter, dem Ball hinterher. Der Mann scheint im Raum zu schweben. Eine Drehung des Bilds um 180°, rechtes Teilbild, invertiert die Treppenperspektive und lässt ihn nun die Treppe hinaufsteigen.

Krater / Hügel

  Viele Betrachter erkennen im linken Teilbild einen Hügel, rechts einen Krater. Dennoch handelt es sich um dasselbe Bild, lediglich um 180° gedreht. Die Interpretation beruht auf der Erfahrung, dass Objekte oft von oben beleuchtet werden. Ein heller Rand oben legt eine Anhöhe nahe, ein dunker Rand unten einen Schatten, hervorgerufen durch einen abfallenden Hügel. Im zweiten Teilbild ist es genau umgekehrt.

Diesen Effekt nutzen grafische Benutzeroberflächen bei der Bildschirmdarstellung von Schaltflächen. Eine helle obere und dunkle untere Begrenzungslinie lässt einen hervorstehenden Knopf vermuten, umgekehrte Helligkeitsverhältnisse einen eingedrückten.

Weitere Beispiele

   

  • Das Pokalprofilmuster zeigt entweder zwei schwarze, sich anschauende Gesichter oder einen Pokal (jeweils im Profil). Dieses Beispiel wird dem dänischen Psychologen Edgar J. Rubin (1886-1951) zugeschrieben.
  • Bei dem Bild Meine Frau und meine Schwiegermutter sieht der Betrachter entweder eine junge Frau, deren Gesicht vom Betrachter wegschaut oder eine alte Frau im Pelzmantel.

Äquivalent in der Musik

  • „minimal music“ – hier zeigen sich Kippbilder in der zeitlichen Wahrnehmungsstrukturierung
  • Im gleichschwebend temperierten Stimmungssystem (Wohltemperierte Stimmung) macht man sich die Mehrdeutigkeit bestimmter Akkorde zunutze, um möglichst bruchlos von einer Tonart in eine andere zu wechseln (Modulation (Musik)). Theoretisch taugt dazu jeder Akkord, den man verschiedenen Tonarten zuordnen kann. Die musikalische „Kippfigur“ besteht ebenfalls in einem Perspektivwechsel: erscheint der Akkord zunächst nur als Bestandteil der Ausgangstonart, so kann er durch eine geeignete Umgebung harmonisch so „beleuchtet“ (umgedeutet) werden, dass er plötzlich als Bestandteil der Zieltonart aufgefasst wird.

Anwendung in der Literatur

Robert Gernhardt veröffentlichte 1986 einen Erzählband mit dem Titel Kippfigur, bei der die Umschlag-Illustration eine doppelte Doppeldeutigkeit bietet: Vor dem Hintergrund einer Würfel-Landschaft (=perspektivische Kippfiguren) sitzt eine Figur, die "einen kippt" (trinkt).
Nach der Analyse durch Shlomith Rimmon können einige Erzählungen von Henry James als literarische Kippfiguren betrachtet werden, da sie verbale und narrative Ambiguität aufweisen.

Siehe auch

Literatur

  • Arnold, Eysenck und Meili: Lexikon der Psychologie. Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-22409-1 (formal falsche ISBN)
  • H. Schröder: Ueber eine optische Inversion bei Betrachtung verkehrter, durch optische Vorrichtung entworfener, physischer Bilder. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 181 (= Folge 2; Bd. 105), 1858, S. 298–311 (Digitalisat)
 
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