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Trauerbegleitung



Dieser Artikel behandelt die „beauftragte“ Trauerbegleitung, die auf Veranlassung und in Verantwortung einer Organisation oder eines Dienstes vorgenommen wird. Die ganz normale Mitmenschlichkeit, mit der sich Kollegen, Freunde, Nachbarn einem trauernden Menschen zuwenden und ihm im Alltag begegnen, wird in diesem Kontext nicht als Trauerbegleitung bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Trauerbegleitung im gesellschaftlichen Kontext

Die (beauftragte) Trauerbegleitung kann als Versuch verstanden werden, dem menschlichen Bedürfnis nach Trauer und deren Begleitung zu begegnen, das in der Moderne zunehmend verdrängt wurde durch die Tabuisierung der Lebensbereiche Tod, Krankheit, Sterben und die damit einhergehende „Trauerabstinenz“. Diese betraf selbst Orte, wo potentiell Trauer gelebt werden konnte: So entstand die moderne Hospizbewegung u.a. als Reaktion darauf, dass sowohl in den Krankenhäusern und Altenheimen, aber gerade auch in Kirche und Seelsorge zunehmend die Unfähigkeit eingekehrt war, Tod und Trauer angemessen zu begleiten. In der Ausbildung von Psychologen, Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern, Pädagogen, Seelsorgern und anderen spielte Trauer und die angemessene Begleitung der Trauernden lange Zeit eine geringe Rolle. Diese Verdrängung wird von Vertretern der Hospizbewegung oft auch der modernen Leistungsgesellschaft und ihrem Ideal der „Funktionsfähigkeit“ des Menschen angelastet, innerhalb dessen Krankheit und Tod und die damit einhergehenden Gefühle nicht selten als funktionsunfähig machendes Stigma gelten. Erst mit dem Aufkommen der Hospizbewegung und der gesellschaftlichen Thematisierung von AIDS seit Beginn der 80er Jahre ist die Begleitung Angehöriger und Freunde des Sterbenden auch über dessen Tod hinaus wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt.

Trauerarbeit und Trauerbegleitung

Seit Sigmund Freuds klassischer Monographie über „Trauer und Melancholie“ aus dem Jahre 1917 wird von psychologischer Wissenschaft und Praxis die grundlegende Annahme geteilt, dass Trauernde zur Verarbeitung ihres Verlustes mit ihren Gefühlen konfrontiert werden müssen. Vermeiden sie diese Konfrontation, laufen sie das Risiko der Fehlanpassung, was durch die nicht verarbeitete Trauer Neurosen und Depressionen zur Folge haben kann. Die Trauernden müssen also „Trauerarbeit“ leisten. Unter Trauerarbeit versteht man den Prozess der kognitiven Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit des Verlustes: Die Verwitweten beschäftigen sich immer wieder mit Ereignissen vor und während des Todes und mit ihren Erinnerungen an den Verstorbenen. Die Funktion der Trauerarbeit soll es sein, die gefühlsmäßigen Bindungen an die Verstorbenen neu zu definieren und als ein Bestandteil, das allerdings vergangen ist, in sein Leben zu integrieren. Der Begriff oder das Konzept der "Trauerarbeit" ist wissenschaftlich nicht untersucht. Obwohl Theoretiker in neuester Zeit ein differenzierteres Bild der kognitiven Prozesse der Trauerverarbeitung entwickelt haben, weisen die meisten Therapieprogramme auch heute noch der Trauerarbeit eine zentrale Rolle zu und sehen pathologische Trauer als Ergebnis einer unzureichend vollzogenen "Trauerarbeit".

Das Enthüllen der eigenen Gefühle über den Verlust gegenüber Freunden, Familie, Leidensgenossen oder professionellen Helfern ist keine notwendige Voraussetzung für die Trauerarbeit, da man sich mit seinen Gefühlen auch alleine auseinandersetzen kann. Allerdings besteht eine enge Beziehung zwischen den zwei Prozessen: Manchen Menschen gelingt die Auseinandersetzung mit ihrer Trauer nur über das Gespräch. Indem sie mit Anderen reden, klärt sich für sie die Situation und so verarbeiten sie ihre Trauer. Es ist eine Funktion von Trauerbegleitung und Trauertherapie, sich der Auseinandersetzung mit dem Verlust zu stellen, sowie die Trauernden bei ihrer Trauerarbeit empathisch zu begleiten. Dabei geht es nicht darum, sie von der Trauer zu befreien, sondern sie dabei zu unterstützen, den erlebten Verlust sowie die damit verbundene Trauer als einen Bestandteil ihres Lebens anzunehmen und zu integrieren, um nach dem vollzogenen Trauerprozess gestärkt und Lebens bejahend nach vorne leben zu können. Verluste können nur akzeptiert werden wenn sie abgetrauert worden sind.

Eine der umfangreichsten Studien zu diesem Thema ist die Tübinger Längsschnittstudie der Verwitwung. In dieser Untersuchung wurde eine Gruppe von verwitweten Männern und Frauen über einen Zeitraum von zwei Jahren nach deren Verlust mehrmals befragt und in ihrer Befindlichkeit mit nach Alter, Geschlecht, Kinderzahl und sozioökonomischen Status vergleichbaren Verheirateten verglichen. Als Resultat dieser Studie kann zusammengefasst werden, dass Trauerbegleitung oder Trauertherapie nur den Trauernden hilft, die selbst nicht imstande sind, ihre Trauer zu verarbeiten, weil ihnen ein Gesprächspartner fehlt. Daraus folgt für die Praxis der Trauerbegleitung die Beschränkung der Hilfe auf die Menschen, die von dieser Hilfe am meisten profitieren.

Qualitätsanforderungen in der Trauerbegleitung

Die Trauerbegleitung ist in den letzten Jahren deutlich in die Breite gegangen: So wird diese heute von verschiedensten Institutionen und Einzelpersonen angeboten, aber auch in andere Konzepte eingebunden wie Bestattung, Familienbildung, psychologische Beratung und Therapie. Aufgrund dieser Diversifikation wird in den letzten Jahren zunehmend über Qualitätsstandards bzw. Qualitätssicherung innerhalb der Trauerbegleitung diskutiert. Anstoß dazu gab u. a die 2. NRW-Trauerkonferenz, zu der TrauerInstitut Deutschland e.V. im Juni 2002 nach Bensberg geladen hatte. Darauf aufbauend wurden in den folgenden Jahren erste Versuche erarbeitet, zielgruppenorientierte "Qualitätsprofile" zu entwickeln.

Siehe auch

Hospiz, Hospizbewegung, Sterbebegleitung, Palliativmedizin, Patientenverfügung, Sterben, Trauer, Kinderhospiz

Literatur

  • Elisabeth Kübler-Ross: "Verstehen was Sterbende sagen wollen". Stuttgart 1982
  • Elke Schölper (Hrsg.): Sterbende begleiten lernen : das Celler Modell zur Vorbereitung Ehrenamtlicher in der Sterbebegleitung, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2004. 176 S. ISBN 3-579-05537-2
  • Chris Paul: Neue Wege in der Trauer- und Sterbebegleitung : Hintergründe und Erfahrungsberichte für die Praxis, Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus, 2001, 190 S. ISBN 3-579-02308-X
  • CV Handbuch für Begleitende Herder, 2. Auflage, Freiburg 2006
  • Freud, S.: Trauer und Melancholie, 1917, Studienausgabe, Bd.III. Erscheinungsjahr 1915
  • Smeding, Ruthmarijke / Heitkönig-Wilp, Margarete (Hrg.): Trauer erschließen - eine Tafel der Gezeiten. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2005, ISBN 3-9808351-7-0
  • Stroebe, W./ Stroebe, M./ Abakoumkin, G./ Schut, H.: The role of loneliness and social support in adjustement to loss. A test of attachment versus stress theory. In: Journal of Personality and Social Psychology 70 1996, 1241-1249
  • TrauerInstitut Deutschland e.V. (Hrsg.): Qualität in der Trauerbegleitung. Dokumentation der 2. NRW-Trauerkonferenz. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2003, ISBN 3-9808351-1-1
  • Saegner, Uwe: Papa, wo bist Du? Ein Kinderbuch zu Tod und Trauer für Kinder. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2005. ISBN 3-9810020-4-0
  • Student, Johann-Christoph (Hrsg.): Sterben, Tod und Trauer – Handbuch für Begleitende. 2. Aufl., Herder, Freiburg 2006
  • Student, Johann-Christoph & Napiwotzky, Annedore: Palliative Care. Thieme, Stuttgart 2007 ISBN 9783131429414
  • Stuttkewitz, Petra: Gelebte Grenzen. Texte aus der Begleitung zweier Kinder in ihrer lebensverkürzenden Erkrankung. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2005. ISBN 3-9810020-3-2
  • Stalfelt, Pernilla: Und was kommt dann? Moritz Verlag, ISBN 3-89565-110-9
  • Nilsson, Ulf: Die besten Beerdigungen der Welt, Moritz Verlag, ISBN 978-3-89565-174-8
 
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