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Somatoforme Störung



Klassifikation nach ICD-10
F45.0 Somatisierungsstörung
F45.1 Undifferenzierte Somatisierungsstörung
F45.2 Hypochondrische Störung
F45.3 Somatoforme autonome Funktionsstörung
F45.4 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
F45.8 Sonstige somatoforme Störungen
F45.9 Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Als Somatoforme Störungen werden körperliche Beschwerden bezeichnet, die sich nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen. Dabei stehen neben Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung Schmerzsymptome an vorderster Stelle, gefolgt von Herz-Kreislauf-Beschwerden, Magen-Darm-Beschwerden, sexuellen und pseudoneurologischen Symptomen.

Somatoforme Störungen treten bei ca. 80% der Bevölkerung zumindest zeitweise auf, gehen in der Regel "von selbst" vorüber und werden kaum beachtet. Bei einigen Personen (die Angaben über die Häufigkeit schwanken zwischen 4% und ca. 20%) können sich diese Beschwerden aber chronifizieren und eine zentrale Rolle im Leben einnehmen. Sie gehören zu den häufigsten Störungsbildern bei Patienten von Allgemeinärzten und Allgemeinkrankenhäusern. Mindestens 20% der Patienten, die einen Hausarzt aufsuchen, leiden an einer somatoformen Störung; aus stationären Abteilungen werden somatoforme Störungen in einer Häufigkeit von 10 bis zu 40% der Patienten berichtet. Patienten mit somatoformen Störungen gelten traditionell als schwierig beim Hausarzt und als unmotiviert beim Psychotherapeuten. Die Kosten für die Behandlung dieser Personengruppe sind immens und liegen bis zu 14-mal höher als die durchschnittlichen Pro-Kopf-Behandlungsausgaben.

Der Begriff "Somatoforme Störungen" wurde 1980 in die offiziellen Klassifikationssysteme eingeführt. In der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) werden sie in der Kategorie F45 erfasst. Traditionelle Bezeichnungen für Krankheitsbilder aus diesen Kategorien sind z.B. psychogene Störungen, funktionelle Störungen, vegetative Dystonie, allgemeines psychosomatisches Syndrom, Konversionshysterie, Briquet-Hysterie, psychische Überlagerung, Neurasthenie.


Inhaltsverzeichnis

Ursache, Entstehung

Somatoforme Störungen lassen sich normalerweise nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Vielmehr wird ein Wechselspiel verschiedener biologischer, seelischer und sozialer Faktoren als Auslöser angenommen. Auch genetische Faktoren (z.B. eine verstärkte Reaktionsbereitschaft des vegetativen Nervensystems) werden diskutiert. Wahrscheinlich sind aber insbesondere psychosoziale Faktoren für die Entstehung und den Verlauf somatoformer Störungen von Bedeutung:

  • zu lange anhaltender Stress führt zu Anspannungen oder Fehlsteuerungen innerer Organe
  • ein Teufelskreis von körperlichen Reaktionen, Angst und verstärkter Wahrnehmung körperlicher Symptome
  • körperliche Beschwerden als Folge seelischer Konflikte: meist unbewusste seelische Prozesse (z.B. Angst, Wut, Ärger) können sich in Körpersymptomen ausdrücken (vgl. Psychosomatik). Patienten mit somatoformen Störungen zeigen in ihren Biographien erhöhte Raten an allgemeinen Belastungsfaktoren wie niedriger sozioökonomischer Status, Scheidung, Verlust, Alkoholkrankheit, psychische Störung der Eltern oder eines Elternteils. Darüber hinaus liegen auch erhöhte Raten an sexueller Traumatisierung und/oder körperlichem Missbrauch vor.

Symptome

Somatoforme Störungen können sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern:

  • im Bereich des Herzkreislaufsystems z.B. als Gefühl der Atemhemmung, Druckgefühl, Stiche, Beklemmungsgefühl in der Brust, Herzstolpern
  • im Magen-Darm-Trakt (Reizmagen und Reizdarm): Übelkeit, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten
  • in der Gynäkologie (chronische Unterbauchschmerzen, Pelvipathiesyndrom): Schmerzen im Unterbauch mit Ausstrahlung in Leisten und Kreuzbein
  • in der Urologie (Reizblase, Urethralsyndrom, Prostatadynie): Häufiges und/oder schmerzhaftes Wasserlassen, Gefühl erschwerter Miktion, Schmerzen im Unterbauch/Damm
  • als Somatoforme Schmerzstörung: Anhaltende Schmerzen ohne erklärenden körperlichen Befund.

Häufig handelt es sich um Symptome, die auf eine starke Erregung des autonomen Nervensystems zurückgeführt werden können. Aber auch Fehlfunktionen, die über das nicht-autonome Nervensystem vermittelt sind, wie Zittern und muskulärer Hartspann oder Abweichungen im Hormonsystem sind zu beobachten.

Daneben findet man bei Patienten mit somatoformen Störungen nicht selten andere psychische Störungen, insbesondere depressive Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen.

Diagnose

Die Diagnose einer somatoformen Störung beruht zunächst auf dem Ausschluss einer organischen Verursachung der beklagten Körperbeschwerden. Dazu muss aber eine psychische Diagnostik kommen, die gegenwärtige Affekte, psychische Konflikte, Aspekte der psychischen Struktur, biographische Belastungen und soziale und kulturelle Faktoren berücksichtigt.

Besonderheiten der Arzt-Patient-Beziehung

Die Interaktion zwischen Ärzten und Patienten mit somatoformen Störungen ist häufig schwierig; nicht selten kommt es zu Abbrüchen der Beziehung und zu häufigen Arztwechseln ("doctor-hopping" oder "doctor-shopping"). Als Grund wird zumeist die Diskrepanz in den jeweiligen Ursachenüberzeugungen angesehen: der Arzt vermutet nach fehlendem Nachweis organischer Erklärungen psychogene Ursachen oder Simulation oder (häufig!), dass der Patient ihn belästigen will (also eine aus der Gegenübertragung gespeiste Interpretation des Patientenverhaltens), der Patient nimmt weiter organische Ursachen an, weil nur diese für ihn eine Legitimierung seiner Beschwerden bedeuten und fühlt sich vom Arzt nicht ernstgenommen.

Der Verlauf somatoformer Störungen wird in dieser Situation wesentlich vom Verhalten der Ärzte mitbestimmt: wiederholte beschwerdegesteuerte organische Diagnostik trägt z.B. zur Chronifizierung bei.

Therapie

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Die Therapie besteht zunächst in geeigneter Information über somatoforme Störungen und über das Wechselspiel von körperlichen und seelischen Prozessen. Dazu muss zunächst ein tragfähiges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Die Beschwerden der Patienten müssen ernst genommen werden, sollen aber nicht durch eine Überdiagnostik, die neue Ängste auslösen kann, verstärkt werden.

Allgemein wird zu einer gesunden Lebensführung geraten: Reduktion oder Verzicht auf „Genussmittel“ mit negativen Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem (Nikotin, Alkohol, Coffein), regelmäßiger und ausreichender Schlaf, gesunde Ernährung, körperliches Ausdauertraining.

Ein Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Herzkohärenz oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson kann sehr hilfreich sein.

Physiotherapeutische und körpertherapeutische Maßnahmen wie Krankengymnastik, Feldenkrais-Methode, Funktionelle Entspannung, Tanztherapie u.a. können die Beschwerden oft deutlich lindern.

Bei anhaltenden, nicht selbst lösbaren Stress-Situationen bzw. seelischen Konflikten ist eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll.

Literatur

  • E. Brähler, J. Schumacher, Befund und Befinden: Psychologische Aspekte körperlicher Beschwerden, In: Brähler, E. & Strauß, B. (Hrsg.). Handlungsfelder der psychosozialen Medizin. Göttingen: Hogrefe 2002.
  • P. Henningsen, N. Hartkamp, T. Loew, M. Sack, C. Scheidt: Somatoforme Störungen. Leitlinien und Quellentexte, Stuttgart: Schattauer, 2002.
  • W. Rief, W. Hiller, Somatisierungsstörung und Hypochondrie, Göttingen: Hogrefe 1998
  • W. Rief, W. Hiller, Somatoforme Störungen, Bern: Huber 1992
  • Hausotter W: Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen. ISBN 3-437-22046-2
 
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