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Rachel Carson



  Rachel Louise Carson (* 27. Mai 1907 in Springdale, Pennsylvania; † 14. April 1964 in Silver Spring, Maryland) war eine us-amerikanische Zoologin, Biologin, Wissenschaftsjournalistin und Sachbuchautorin, deren Werk häufig als Ausgangspunkt der us-amerikanischen Umweltbewegung [1] bezeichnet wird.

Der erste große schriftstellerische Erfolg von Rachel Carson, die ihre berufliche Karriere als Biologin des U.S. Bureau of Fisheries begann, war das 1951 erschienene Buch The Sea Around Us (Wunder des Meeres). Es wurde im Folgejahr mit dem us-amerikanischen National Book Award und der John Burroughs Medaille ausgezeichnet. Ihr nächstes Buch The Edge of the Sea (Am Saum der Gezeiten) und ihr wieder aufgelegtes erstes Buch Under the Sea-Wind (Unter dem Meerwind) wurden daran anschließend ebenfalls zu Bestsellern. Nach dieser Triologie, die das Leben im Meer thematisierte, befasste sie sich zunehmend mit Problemen des Umweltschutzes. 1962 erschien ihr bis heute bekanntestes Werk The Silent Spring (Der stumme Frühling), in dem sie die Auswirkungen eines rigorosen Pestizid-Einsatzes auf Ökosysteme thematisierte. Das Buch löste in den USA eine heftige politische Debatte aus und führte letztlich zum späteren DDT-Verbot.

Rachel Carson wurde im Jahre 1980 posthum mit der Presidential Medal of Freedom, der höchsten zivile Auszeichnung der USA, ausgezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

 

Schule und Studium

Rachel Carson wurde im Dorf Springdale in der Nähe der Industriestadt Pittsburgh, Pennsylvania, als letztes von drei Kindern geboren. Die aus Washington zugezogenen Eltern lebten von einer Apfelplantage. Der Vater, der auch als Grundstückmakler arbeitete, hatte das Grundstück im Jahre 1900 auch erworben, weil er erwartete, das sich die Stadt Pittsburgh in dieser Richtung ausdehnen würde und das Land dadurch erheblich an Wert gewinnen würde. Dies sollte sich jedoch als Fehlspekulation erweisen. [2] Die Mutter, die aus einer presbyterianischen Pfarrersfamilie stammte, hatte ihren Beruf als Lehrerin zu Gunsten ihrer Familie aufgegeben. Wegen ihres ausgeprägten Interesses an Naturkunde verbrachte gemeinsam mit ihren Kindern sie viel Zeit mit Naturbeobachtungen. Rachel Carson las viel und begann bereits in sehr jungen Jahren mit dem Schreiben. Ihre ersten Geschichten, die sich häufig mit Tieren befassten, veröffentlichte sie mit zehn Jahren. Rachel Carson besuchte bis zum 10. Schuljahr zunächst Springdales kleine Schule und dann anschließend die Highschool im nahe gelegenen Parnassus, wo sie 1925 als Klassenbeste ihre Schulbildung abschloss.[3]

Am Pennsylvania College for Women (heute Chatham College) studierte sie zunächst Englisch und ab Januar 1928 Biologie als Hauptfach. Obwohl sie bereits 1928 zum Studium an der Johns-Hopkins-Universität zugelassen wurde, erlaubten es die finanziellen Schwierigkeiten der Familie ihr nicht, bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Universität zu wechseln. Ihre Collegestudium beendete sie 1929 mit magna cum laude. Nach einem Sommerkurs an einem Labor für Meeresbiologie begann sie 1929 ihr Studium in Zoologie und Genetik an der John-Hopkins-Universität. [4] Nach ihrem ersten Universitätsjahr begann sie nebenher am Raymond Pearl Labor als Assistentin zu arbeiten, wo sie Untersuchungen an Ratten und Fruchtfliegen durchführte, um ihre Studiengebühren bezahlen zu können. Ihr Studium schloss sie 1932 mit einem Master in Zoologie ab. Ihre Promotionsvorhaben musste sie 1934 abbrechen, um mit dem Gehalt aus einer Vollzeitstelle als Lehrerin ihre Familie finanziell zu unterstützen. Nachdem ihr Vater 1935 plötzlich starb, verschlechterte sich die finanzielle Situation der Familie nochmals deutlich und Rachel Carson zog nach Springdales zurück, um sich dort um ihre alternde Mutter kümmern.

Tätigkeit für das U.S. Bureau of Fisheries

Auf Drängen einer Bekannten aus ihrer College-Zeit nahm Rachel Carson nach der Rückkehr nach Springdales eine Teilzeitstelle bei der damaligen US-Fischereibehörde als wissenschaftliche Autorin an. Ihre Aufgabe bestand hauptsächlich darin, für eine Rundfunkserie mit der Bezeichnung "Romance Under the Waters" (übersetzt etwa "Abenteuer unter Wasser") Reportagen zu schreiben. Die Rundfunkserie, die aus 52 jeweils sieben Minuten langen Berichten bestand, thematisierte das Leben im Wasser und hatte zum Ziel, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Fischbiologie und die Arbeit der Fischereibehörde zu lenken. Basierend auf ihren Recherchen für diese Serie begann Rachel Carson parallel für mehrere lokale Zeitungen und Magazine Artikel über das Meeresleben in der Chesapeake Bay zu veröffentlichen. [5]

Rachel Carsons Vorgesetzter, der mit dem Erfolg der Rundfunkserie äußerst zufrieden war, setzte sich dafür ein, dass sie eine unbefristete Vollzeitstelle erhielt. Um eine ihrer Ausbildung entsprechende Position zu erhalten, musste sie allerdings die „American civil service“-Prüfung ablegen. Sie schnitt bei diesem Examen besser ab als die übrigen Bewerber und wurde ab 1936 als Biologin bei der US-Fischereibehörde beschäftigt. Rachel Carson war erst die zweite Frau, die innerhalb dieser Behörde eine vergleichbare Position besetzte. [6] Ihre Hauptaufgabe bestand in der Analyse von Fischbeständen und im Verfassen von Broschüren und Unterlagen für die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde. Parallel dazu schrieb sie weiterhin Artikel für verschiedene Zeitungen. Nachdem 1937 Rachel Carsons ältere Schwester Marion starb, kam sie mit dem Einkommen aus diesen Tätigkeiten für den Unterhalt ihrer Mutter und ihrer zwei Nichten auf. [7]

Die ersten schriftstellerischen Erfolge

Im Juli 1937 veröffentlichte das Magazin Atlantic Monthly ein überarbeitete Version von Rachel Carsons Artikel The World of Waters (etwa Die Welt der Gewässer), den sie ursprünglich für eine Veröffentlichung der Fischereibehörde geschrieben hatte und den ihr Vorgesetzter zu gut fand, um ihn als Broschüre herauszugeben. Die anschauliche Schilderung einer Reise entlang des Meeresbodens, die unter dem Titel "Undersea" (etwa "Unterwasser") erschien, stellt einen Wendepunkt in der schriftstellerischen Tätigkeit von Rachel Carson dar. Das Verlagshaus Simon & Schuster, das an dem Artikel Gefallen fand, kontaktierte Rachel Carson und schlug ihr vor, ihn zu einem Buch zu erweitern. Das Buch erschien 1941 unter dem Titel Under the Sea-Wind – A Naturalist's Picture of Ocean Life (dt. Unter dem Meerwind, Zürich 1947). Es erhielt gute Besprechungen, war jedoch kein großer Verkaufserfolg. Rachel Carsons Artikel erschienen jedoch zunehmend in größeren und angeseheneren Magazinen und Zeitschriften. Sie schrieb unter anderem für das Journal Nature und 1944 erschien von ihr ein Artikel in Collier's, in dem sie die Echolotortung bei Tieren und die neue und kriegswichtige Radartechnologie miteinander verglich. [8]

Im Laufe des Jahres 1945 wurde Rachel Carson das erste Mal auf DDT aufmerksam, dass als revolutionäres neues Pestizid gepriesen wurde. Untersuchungen über die ökologischen Auswirkungen und die Ungefährlichkeit dieses Pestizids standen allerdings noch weitgehend aus. DDT war nur eines von Rachel Carsons schriftstellerischen Themen zu diesem Zeitpunkt. Die verantwortlichen Redakteure der Zeitschriften, in denen sie veröffentlichte, fanden dieses Thema allerdings nicht hinreichend interessant, so dass Rachel Carsons erst 1962 erstmals etwas zu DDT veröffentlichte. Mittlerweile war Rachel Carson in der Hierarchie der US-Fischereibehörde aufgestiegen und leitete eine kleine Gruppe von wissenschaftlichen Autoren. Rachel Carson hätte ihre Tätigkeit bei der mittlerweile als Fish and Wildlife Service firmierenden Behörde allerdings bereits 1945 gerne aufgegeben. Für Naturwissenschaftler standen zu dem Zeitpunkt jedoch nur wenige Stellen offen, da die meisten Forschungsgelder für eher technische Projekte aufgewendet wurden. [9] Ab 1949 wurde sie zur Chefredakteurin der Publikationen des „Fish and Wildlife Service“, was ihr grundsätzlich einen größeren Spielraum gab, die Themen ihrer Untersuchungen und Veröffentlichungen selber zu bestimmen. Der Zuwachs an Verantwortung ging jedoch mit einer zunehmend administrativen Tätigkeit einher. Bereits seit 1948 war Rachel Carson dabei, Material für ein zweites Buch zu sammeln und hatte sich entschieden, mittelfristig ihre Behördentätigkeit aufzugeben und als freie Schriftstellerin zu arbeiten. Aus diesem Grund arbeitete sie ab diesem Zeitpunkt mit der Literaturagentin Marie Rodell zusammen. [10]

Oxford University Press zeigte Interesse an Rachel Carsons zweitem Buchprojekt, was für Rachel Carson der Anstoß war, ihr Manuskript zu Beginn des Jahres 1950 fertig zu stellen. [11] Einzelne Kapitel und Auszüge erschienen im Vorfeld in Science Digest und Yale Review. Das Kapitel "The Birth of an Island" ("Geburt einer Insel") gewann den „George Westinghouse Science Writing Preis“ der American Association for the Advancement of Science und neun Kapitel des geplanten Buches erschienen als Vorabdruck in dem Wochenmagazin The New Yorker. Als The Sea Around Us dann als Buch auf den Markt kam, stand es für 86 Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times und kam später in einer gekürzte Fassung von Reader's Digest heraus. 1952 Rachel Carson wurde für ihr Buch mit dem National Book Award und der John Burroughs Medaille sowie zwei Ehrendoktortiteln ausgezeichnet. Der Erfolg des Buches führte auch zu einer Wiederauflage von Under the Sea-Wind, das jetzt gleichfalls zum Bestseller wurde. Damit war sie hinreichend finanziell abgesichert, um ihre Anstellung zu kündigen und sich als freie Autorin völlig auf das Schreiben zu konzentrieren. [12] Sie hatte unter anderem die Filmrechte an The Sea Around Us verkauft und sich dabei das Recht vorbehalten, das Drehbuch überprüfen zu dürfen. Mit dem Drehbuch von Irwin Allen, der gleichzeitig Produzent und Regisseur des Filmes war, war sie jedoch sehr unzufrieden. Sie fand, dass es nicht der Atmosphäre des Buches entsprach und aus wissenschaftlicher Sicht unzutreffend sei. [13] Sie musste jedoch herausfinden, das ihr vertragliches festgelegtes Recht, das Drehbuch zu überprüfen ihr nicht die Möglichkeit einräumte, den Inhalt des Filmes direkt zu beeinflussen. Irwin Allen produzierte trotz Rachel Carsons Einwände eine sehr erfolgreiche Dokumentation, die 1953 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Rachel Carson war jedoch so verärgert über diese Erfahrung, dass sie auf den Verkauf weiterer Filmrechte verzichtete. [14]

Die Beziehung mit Dorothy Freeman

Rachel Carson zog im Jahr 1953 gemeinsam mit ihrer Mutter nach Southport Island, Maine und lernte dort im Juli desselben Jahres Dorothy Freeman kennen, mit der sie bis ans Ende ihres Lebens eine sehr enge Freundschaft verband. Die verheiratete Dorothy Freeman lebte gemeinsam mit ihrem Mann jeweils während der Sommermonate auf der Insel und hatte Rachel Carson, deren Bücher sie kannte, einen Begrüßungsbrief geschrieben, nachdem sie in die Nachbarschaft gezogen waren. Bis zum Tod von Rachel Carson verbrachten sie die Sommer gemeinsam, sahen sich aber auch sonst regelmäßig und hielten engen Briefkontakt miteinander. Über die Art der Beziehung zwischen Rachel Carson und Dorothy Freeman ist wiederholt spekuliert worden. Rachel Carsons Biografin Linda Lear bezeichnet die Beziehung nicht explizit als lesbisch, sondern vertritt die Überzeugung, dass Rachel Carson in Dorothy Freeman lediglich jemand fand, der sie unterstütze und mit sie die gleichen Interessen verband. [15] Von anderen wie etwa der GLBTQ-Enzyklopädie wird dagegen die Beziehung als lesbisch eingeordnet [16]

Rachel Carson und Dorothy Freeman waren sich möglicherweise bewusst, das man ihre Beziehung als lesbisch einordnen konnte, obwohl „"sich ihre Zuneigung weitgehend über ihre Briefe, einen gelegentlichen Abschiedskuss oder das Halten der Hände ausdrückte"“. [17] Dorothy Freeman zeigte unter anderem Teile des Briefaustausches mit Rachel Carsons ihrem Ehemann, damit dieser ihre Beziehung verstehen könne. [18] Kurz vor Rachel Carsons Tod vernichteten die beiden jedoch hunderte ihrer Briefe. Den Teil der Korrespondenz, der dieser Vernichtungsaktion nicht zum Opfer fiel, wurde von Dorothy Freemans Enkelin im Jahre 1995 mit dem Titel Always, Rachel: The Letters of Rachel Carson and Dorothy Freeman, 1952–1964: An Intimate Portrait of a Remarkable Friendship herausgegeben. Nach Ansicht einer Kritikerin machen die Briefe deutlich, dass weniger eine sexuelle Beziehung hier im Vordergrund stand, sondern das die beiden Frauen vor allem ihre gemeinsamen Interessen miteinander verband. [19]

Hinwendung zu Themen des Umweltschutzes

Zu Beginn des Jahres 1953 begann Rachel Carson mit Literaturstudien und Feldforschungen für ihr drittes Buch, dass das Ökosystem und die Lebewesen der Atlantikküste zum Thema haben sollte und das sie 1955 abschloss [20] Teile von The Edge of the Sea (Am Saum der Gezeiten) erschienen erneut im Wochenmagazin The New Yorker, bevor das Buch in den Buchhandlungen erhältlich war. Rachel Carson hatte sich mittlerweile den Ruf erworben, gleichzeitig in einer sehr klare, aber auch poetischen Sprache zu schreiben. Ähnlich wie ihr zweites Buch wurde auch The Edge of the Sea von den Literaturkritikern positiv besprochen. [21]

Nach dem Abschluss ihrer Trilogie über Ökosysteme und Lebewesen des Meeres arbeitete sie an einer Reihe verschiedener Projekten. Sie schrieb das Drehbuch "Something About the Sky" für eine Dokumentarreihe des US-Fernsehens und veröffentlichte mehrere Artikel in bekannten Magazinen. Ursprünglich hatte sie geplant, als nächstes ein Buch über Evolution zu schreiben. Aber nachdem Julian Huxley sein Buch Evolution in Action veröffentlichte und sie selber es schwierig fand, einen klaren und für den Leser interessanten Zugang zu diesem Thema zu finden, gab sie dieses Vorhaben wieder auf. Stattdessen beschäftigte sie sich zunehmend mit der Bewahrung von Ökosystemen zu und erwog, den Umweltschutz zum Thema ihres Buches zu machen. Sie selber plante in Main ein kleines Landschaftsgebiet zu erwerben, um es so vor einer Erschließung zu bewahren. [22] Zu Beginn des Jahres 1957 starb eine der beiden Nichten, um die sie sich in den 1940er Jahren gekümmert hatte. Sie hinterließ einen fünfjährigen Sohn, den Rachel Carson adoptierte und um den sie ab da an großzog. Sie zog aus diesem Grund nach Silver Spring, Maryland. [23]

Die Pestizidproblematik

Bereits in den Kriegsjahren gingen geheime Berichte über Pestizide, besonders DDT, über ihren Schreibtisch. 1950 hatten medizinische Untersuchungen gezeigt, dass das fettlösliche DDT sich im Körper ablagert, anreichert und an Säuglinge weitergegeben wird. 1957 erschien eine klassisch gewordene Studie über die Anreicherung schwer abbaubarer Pestizide in der Nahrungskette von Renntauchern am Clear Lake. Diese Erkenntnisse führten Anfang 1958 zum ersten Pestizidprozess in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Kläger auf Long Island versuchten zu verhindern, dass Bundes- und Staatsbehörden ihre Grundstücke zur Bekämpfung des Schwammspinners mit DDT besprühten, verloren jedoch den Prozess. Damals versuchte Carson, einen der bekanntesten Reporter als Prozessbeobachter zu gewinnen. Er hatte keine Zeit und schlug ihr vor, diesen Artikel selber zu schreiben. Schließlich willigte sie ein, ein kurzes Buch über das Thema zu schreiben und Auszüge im Wochenmagazin The New Yorker erscheinen zu lassen.

Im Sommer 1957 ordnete der Bundesstaat Massachusetts Sprühflüge im Bezirk Plymouth an, um die in Sümpfen brütenden Stechmücken zu bekämpfen. Den Sprühungen aus der offiziell als „harmlos“ bezeichneten Mischung aus Heizöl und DDT fielen fast alle Insektenarten, aber auch Singvögel zum Opfer. Als nach diesem vermeintlichen Erfolg der Masseneinsatz von Sprühflügen angeordnet wurde, bat eine Journalistin, die ein hektargroßes Vogelschutzgebiet in ihrer Heimatstadt betreute, die berühmte Autorin um Rat. Nach anfänglichem Zögern begann Carson 1958 mit eigenen Recherchen zum Pestizidproblem. In den folgenden viereinhalb Jahren sollte sie sich in Tausende von Fachberichten vertiefen, sich bis ins einzelne mit Hunderten von amerikanischen und europäischen Wissenschaftlern beraten und schließlich ihre Tätigkeiten vollständig auf die Wirkung synthetischer Pestizide auf Organismen und ökologische Systeme konzentrieren.

Die Entscheidung fiel mit den Tragödien im persönlichen Umfeld zusammen. Ihre Mutter war schwerkrank und starb 1958. Sie selbst stand unter Krebsverdacht und wurde auch immer öfter krank – so konnte sie den ganzen Sommer 1959 und den Winter des folgenden Jahres wegen Infektionen nicht am Manuskript weiterarbeiten. 1960 wurde ihr schließlich ein Krebstumor entfernt.

In den Jahren um 1960 drangen viele Arbeiten über Pestizide, u. a. auch von Carson, an die Öffentlichkeit, die in den wissenschaftlichen Beratungsgremien der Regierungen für Beunruhigung sorgten. Eine kleine Revolution stellte die „Kennedy-Note“ dar: Präsident John F. Kennedy sandte aufgrund dieser Berichte am 23. Februar 1961 eine Note über die natürlichen Ressourcen (Special Message on Natural Resources) an den Kongress, in der er zu einer größeren Übereinstimmung und Koordination in den leitenden Stellen aufrief. Er wies darauf hin, dass „eine Behörde die Anwendung chemischer Pestizide fördert, obwohl sie Singvögel und Flugwild gefährden, deren Erhaltung von einer anderen Behörde befürwortet wird.“

Die Beratungsgremien bestanden damals vorwiegend aus Wissenschaftlern der 1863 gegründeten National Academy of Sciences (NAS), die sich in ihrer Satzung zur Beratung des Staates verpflichtet hatte. Aufgrund der Kennedy-Note wurden drei Unterausschüsse gebildet, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Pestiziden und Wildtieren, mit Methoden und Verfahren der Schädlingsbekämpfung und mit notwendigen Forschungsarbeiten beschäftigten. Interessant dabei ist die Besetzung der Ausschüsse mit Mitgliedern des Landwirtschaftsministeriums und der Industrie. Die Berichte enthielten als vorgeblich wissenschaftliche Dokumente keinerlei Nachweis der benutzten Quellen und unterschieden nicht zwischen den zahlreichen Arten von Schädlingsbekämpfungsmitteln, deren relativer Giftigkeit und der wechselnden Wirkung unter wechselnden Bedingungen.

The Silent Spring (Der stumme Frühling), 1962

Schon vor der Mitte Juni 1962 beabsichtigten Veröffentlichungsreihe im New Yorker gerieten Pestizid-Kreise aus Wirtschaft und Wissenschaft in helle Aufregung: Velsicol Chemical Corporation (Chicago), einziger Hersteller von Chlordan und Heptachlor, legte in einem fünfseitigen Brief an den Verlag Houghton Mifflin nahe, die Veröffentlichung des Silent Spring noch einmal zu überdenken. Mifflin ließ die Vesicol-Vorwürfe jedoch von einem unabhängigen Toxikologen überprüfen und entschied sich daraufhin für die Veröffentlichung. Betriebsamkeit herrschte auch in der Regierungskommission zur Überprüfung der Schädlingsbekämpfung (Federal Pest Control Review Board). Graham (s. Literatur) zitiert einen Beobachter, der von stürmischen Angriffen auf Carson berichtete und sich erinnerte: „Ich weiß noch, wie ein bekanntes Mitglied der Kommission sagte: ‚Ich dachte, sie sei eine alte Jungfer, wozu sorgt sie sich dann um die Vererbung?‘ Einige andere Mitglieder der Kommission fanden das sehr spaßig.“

Der Vorabdruck von Carsons Buch fiel zufällig in den Zeitraum, in dem der Öffentlichkeit nähere Umstände der Contergan-Affäre bekannt wurden – eine misstrauische Mitarbeiterin der Food and Drug Administration hatte die Markteinführung des Beruhigungsmittels, von dem man nun wusste, das es zu schweren Missbildungen bei Neugeborenen führte, so weit verzögert, dass es in den Vereinigten Staaten nur wenige Betroffene gab.[24]

Als Ende September 1962 das Buch erschien, waren bereits 40.000 Exemplare vorbestellt. Silent Spring war ein völlig anderes Buch einer gegenüber früher völlig veränderten Autorin. Sie war eine Schriftstellerin, die wissenschaftlich arbeitete und dabei ein eindringliches Sachbuch schrieb. Die Hauptaussagen in Silent Spring waren:

  • chemisch-biologisch: Insektizide sind chemisch einfache Verbindungen mit kaum überschaubaren biologischen Auswirkungen. „Sie sollten nicht Insektizide, sondern Biozide genannt werden.“
  • historisch: „Diese Industrie ist ein Kind des Zweiten Weltkriegs“.
  • ökologisch: „In der Natur existiert nichts für sich allein“. – „Bekämpfung“ ist ein Ausdruck menschlicher Anmaßung, entstanden aus der Erwartung, dass die Natur nur der Menschen wegen da sei.
  • politisch: Das US-Landwirtschaftsministerium ist verantwortlich für die breit angelegten Schädlingsbekämpfungsprogramme auf Bundesebene und völlig inkompetent.
  • juristisch: Es sollte ein Menschenrecht auf ein Leben ohne Gefährdung geben.

Silent Spring löste eine heftige öffentliche Debatte aus. Insbesondere auf die bis dahin zerstreuten lokalen Umweltbewegungen wirkte es wie ein Zündfunke. Auf der anderen Seite entstand, mit großem Aufwand vor allem der Chemieindustrie, ein Propagandafeldzug gegen ihre Ideen, der die Umweltbewegung jedoch einte.

Präsident Kennedy kannte die New Yorker-Artikel von Carson und setzte daraufhin eine Kommission bei der Fachgruppe Biologie des wissenschaftlichen Beratungsausschusses (Life Sciences Panel of the President’s Advisory Committee) ein, die sich mit der Anwendung von Pestiziden beschäftigen sollte. Der Bericht im folgenden Jahr, heute als Wiesner-Report bekannt, setzte einen Meilenstein in der Suche nach einer befriedigenden Politik der Schädlingsbekämpfung.

Carson selbst konnte sich kaum mehr an den Debatten beteiligen. Sie starb 1964 im Alter von 56 Jahren an Brustkrebs.

Anfang der 1970-er Jahre kam schließlich das DDT-Verbot in den USA. Carson erhielt 1980 posthum die höchste zivile Auszeichnung der USA, die Presidential Medal of Freedom.

Im Jahr 1994 wurde das Buch mit einem von Al Gore verfassten Vorwort neu aufgelegt.

Werke

  • Der stumme Frühling. München 1976. Als Taschenbuch: Verlag C.H.Beck; Übersetzg. M. Auer. 2. Auflage 2007. 348 Seiten. ISBN 3406049443 (Erstauflage: The Silent Spring, Greenwich, Connecticut. 1962 bzw. in The New Yorker)
  • Wunder des Meeres Übersetzg. Anne Terry White. Verlag O. Maier. 1968. 164 Seiten. (Original: 1965, 1998-ISBN 0-06-757520-X)
  • Am Saum der Gezeiten. Übersetzg. Margaret Auer. Verlag Biederstein. 1957. 270 Seiten. (Original: 1955, 1998-ISBN 0-395-92496-0)
  • Rachel Carson, Linda Lear: Lost Woods: The Discovered Writing of Rachel Carson, Beacon Press, 1998, ISBN 0-8070-8547-2 (engl.)

Literatur

  • Elizabeth Anticaglia: Rachel Carson. In: Twelve American Women, Chicago: Nelson-Hall 1975, S. 208-224. (engl.)
  • Martha Freeman (Hrsg.): Always, Rachel: The Letters of Rachel Carson and Dorothy Freeman, 1952-1964. Boston 1995. (engl.)
  • Frank Graham Jr.: Seit dem Stummen Frühling. München, 1971. (Erstauflage: Since Silent Spring, Boston 1970.)
  • Judith Harlan: Sounding the Alarm. A Biography of Rachel Carson. Minneapolis, Minnesota 1989. (engl.)
  • Patricia H. Haynes: The Recurring Silent Spring. New York, 1989. (engl.)
  • Swantje Koch-Kanz, Luise F. Pusch: Rachel Carson und Dorothy Freeman. In: Joey Horsley, Luise F. Pusch (Hrsg.): Berühmte Frauenpaare. Frankfurt/M, Suhrkamp, 2005. ISBN 3518399047. S. 259-315.
  • Linda Lear: Rachel Carson – Witness for Nature. London, 1999. (engl.)
  • Christian Simon: DDT – Kulturgeschichte einer chemischen Verbindung. Basel 1999.
  • Philip Sterling: Sea and Earth. The Life of Rachel Carson. New York 1970.

Einzelnachweise

  1. Simon, S. 156
  2. Simon, S. 156
  3. Lear, 7–24
  4. Lear, 27–62
  5. Lear, 63–79
  6. Lear, 79–82
  7. Lear, 82–85
  8. Lear, 85–113
  9. Lear, 114–120
  10. Lear, 121–160
  11. Lear, 163–164
  12. Lear, 164–241
  13. Lear, 215-216; 238-239
  14. Lear, 239-240
  15. Lear, 243-288
  16. Carson, Rachel (1907-1964) GLBTQ-Enzyklopädie, Zugriff vom 31.07.07
  17. Janet Montefiore: "The fact that possesses my imagination: Rachel Carson, Science and Writing", Women: A Cultural Review, Band 12, Nr. 1 (2001), S. 48
  18. Lear, 255-256
  19. Sarah F. Tjossem, Review of Always Rachel: The Letters of Rachel Carson and Dorothy Freeman, 1952–1964, Isis, Vol. 86, No. 4 (1995), S. 687-688
  20. Lear, 223–244
  21. Lear, 261-276
  22. Lear, 276-300
  23. Lear, 300-309
  24. Vgl. Linda Bren: Frances Oldham Kelsey: FDA Medical Reviewer Leaves Her Mark on History (Artikel im FDA Consumer magazine, March-April 2001).
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